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13.09.2018

Trotz Kritik - Richtlinien sollen liberal bleiben

Trotz Kritik - Richtlinien sollen liberal bleiben

Gemeinderat entscheidet im Oktober über Regeln zu Veröffentlichungen im Mitteilungsblatt - SPD hatte AfD-Beitrag öffentlich verurteilt

Einen verbalen Schulterschluss mit Neonazis und Rassisten sieht die Schriesheimer SPD in einem Text des Mitteilungsblatts vom 5. September. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Einen "verbalen Schulterschluss" mit Neonazis und Rassisten sehen Ortsverband und Gemeinderatsfraktion der SPD in einem Beitrag der AfD im Mitteilungsblatt vom 5. September. Dennoch wollen die Sozialdemokraten im Vorfeld der Kommunalwahlen nichts an den Richtlinien zu Veröffentlichungen im Amtsblatt ändern. Warum nicht? Die Hintergründe im Überblick:

Was ist geschehen? Die Stadt hat im Mitteilungsblatt von vergangener Woche einen Beitrag von AfD-Ortsverbandsvorsitzendem Andreas Geisenheiner veröffentlicht, in dem dieser seine Eindrücke als Teilnehmer am "Trauermarsch" der AfD und des Bündnisses "Pro Chemnitz" in Chemnitz schildert, verbunden mit Kritik an "Staatsmedien", "Pressemeute", "linken Randalierern und deren Politikergilde". Die Schriesheimer SPD reagierte darauf mit einer Pressemitteilung: Wer einem Aufruf von AfD und Pegida folge und an einer Demonstration teilnehme, an dessen Spitze die Führungsriegen einträchtig nebeneinander marschieren, lasse endgültig seine pseudo-bürgerlich-konservative Maske fallen, schreiben Vorsitzender Axel Breinlinger und Fraktionschef Sebastian Cuny. Geisenheiner vollziehe einen verbalen Schulterschluss mit Neonazis und Rassisten.

Gibt es Regeln für Beiträge im Mitteilungsblatt? Ja. Sie wurden vom Gemeinderat zuletzt im Juli 2016 geändert und sind im Vergleich zu anderen Kommunen sehr liberal. Zum Beispiel dürfen in Schriesheim alle ortsansässigen Gruppierungen Beiträge veröffentlichen, in Edingen-Neckarhausen ist dazu eine Liste mit mindestens hundert Unterschriften nötig. "Wir wollen belegen können, dass es ein berechtigtes Interesse der Leser an den Veröffentlichungen gibt", sagt Klaus Kapp, der in der Verwaltung dafür zuständig ist. In Schriesheim sind auch ausnahmslos Beiträge zum bundes- und weltpolitischen Geschehen erlaubt. In Hirschberg ist dies jeweils sechs Wochen vor Wahlen untersagt.

Wo sind die Grenzen? "Da, wo Straftatbestände tangiert sind", sagt Hauptamtsleiter Edwin Schmitt, der für die Redaktion der Beiträge verantwortlich ist. Beleidigungen, üble Nachrede und andere Beiträge, die gegen geltendes Recht verstoßen könnten, werden entfernt. "Grenzfälle gibt es dabei immer", sagt Schmitt. "Das kommt relativ regelmäßig vor." Grundsätzlich seien die Verfasser einsichtig. "Aber natürlich birgt das Stresspotenzial", so Schmitt. Ob sich einzelne Autoren häufig mit solchen Beiträgen hervortun, wollte er nicht sagen.

Sind Änderungen geplant? Nein. Der Gemeinderat beschäftigt sich zwar spätestens sechs Monate vor Wahlen, im aktuellen Fall in der Oktober-Sitzung, mit den Veröffentlichungsrichtlinien. Aber keine Fraktion will derzeit etwas ändern. "Die Gleichbehandlung muss gewahrt bleiben", sagt SPD-Fraktionschef Cuny. "Die Auseinandersetzung muss man als politische Kraft führen." Auch Hauptamtsleiter Schmitt sagt: "Demokratie muss unterschiedliche Meinungen aushalten."

Was sagt die AfD? Ortsverbandsvorsitzender Geisenheiner kritisierte die SPD für ihre Pressemitteilung: Sie unterstelle, dass die AfD die Bürger böswillig täusche. Er distanziere sich von rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen, lasse sich aber nicht das Recht nehmen, an einer genehmigten Demonstration teilzunehmen. Ob Beiträge des Ortsverbands jemals teilweise oder vollständig nicht veröffentlicht wurden und wer bei der AfD für die Inhalte der Beiträge verantwortlich ist, wollte Geisenheiner unter Verweis auf "Interna" nicht beantworten.

Was sagen die Ratsfraktionen? Grünen-Fraktionssprecher Christian Wolf empfiehlt Gelassenheit im Umgang mit den Texten: "Die Art und Weise der Berichte hat auf viele Bürger eine durchaus abschreckende Wirkung." CDU-Stadtrat Frank Spingel will sich von Bundespolitik nicht ablenken lassen: "Als Gemeinderatsfraktion haben wir viele wichtige Themen in Schriesheim, mit denen wir uns im Kommunalwahlkampf beschäftigen wollen." Die Angriffe gegen die Pressefreiheit missbillige die Fraktion zwar. "Aber wir sehen die Presse als gut gewappnet und durchaus in der Lage und Pflicht, sich selbst zu verteidigen." Wolfgang Renkenberger (FDP) lehnt Einschränkungen ebenfalls ab: "Es ist gut, für alle Mitbewerber und eine lebendige Demokratie, dass diese Meinungen nicht unter der Decke bleiben." Der AfD-Artikel mache deutlich, wo deren Ortsverband stehe.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung