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14.09.2018

Aus dem Pferdeanhänger wurde eine Espresso-Bar

Aus dem Pferdeanhänger wurde eine Espresso-Bar

Dirk Tönges (49) hat mit seinen Söhnen Niklas (19) und Mattis (17) aus einem Tiertransporter eine Espresso-Bar gebaut

Ein Nebenjob als Familienprojekt: Niklas, Dirk und Mattis Tönges (v.l.) haben aus einem 30 Jahre alten, maroden Anhänger vor dem eigenen Haus ein Kaffeemobil gebaut. Vater Dirk hofft, dass sich seine Söhne so neben Schule und Studium etwas dazuverdienen können. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. "Wilfried, willste’n Kaffee?", ruft Dirk Tönges seinem Nachbarn zu. "Die Nachbarn mussten so viel aushalten, da wollen wir ein bisschen was zurückgeben." Sohn Niklas bringt die Siebträger-Maschine zum Surren. Das Ergebnis des Lärms unzähliger Arbeitsstunden steht jetzt vor dem Reihenhaus der Familie: Dirk Tönges lehnt sich entspannt im Sitzsack zurück und wartet auf seinen Cappuccino aus dem Pferdeanhänger. Fünf Jahre hat es von der Idee bis zur Fertigstellung gedauert, seit zwei Wochen ist er mit seinen Söhnen Niklas und Mattis als "Coffee tö Go" auf Tour.

"Am Anfang war das nur eine Träumerei", sagt Niklas. Die Idee kam in einem Bauernhof-Café während einer Mountainbike-Tour in Südtirol. In England fiel während eines verregneten Wohnwagen-Urlaubs in den Osterferien 2018 die Wahl auf einen Pferdeanhänger als Verkaufsort. "Und dann habe ich auf einmal von meinem Vater die Nachricht bekommen, er hätte jetzt einen gekauft", sagt Niklas.

Das Gefährt war zu diesem Zeitpunkt bereits 30 Jahre alt und längst abgemeldet, der Boden morsch, die Wände nach Pferd riechend, die Schrauben durchgerostet. "Wir haben erst gedacht, das mit dem Umbau geht ja schnell", sagt Vater Dirk Tönges. Doch von dem Anhänger waren nur noch Gestell und Reifen verwendbar. Also begannen Dirk, Niklas und Mattis zu arbeiten, vor der eigenen Haustür, manchmal bis spät in die Nacht. "Wir haben bestimmt eine halbe Tonne Schmirgelpapier verbraucht", sagt der Familienvater. Die Entwürfe kamen von Mattis, mit 17 Jahren der Jüngste des kaffee-begeisterten Trios. Beim Aufstellen des Businessplans half Dirk Tönges seine Erfahrung als Geschäftsführer eines Facility-Management-Unternehmens.

Zur größten Herausforderung wurden die gesetzlichen Vorschriften und die Genehmigungen für den Betrieb. "Das war einigermaßen schwierig", sagt Dirk Tönges. Bauliche Vorgaben für den Anhänger kamen vom Gesundheits- und Veterinäramt des Rhein-Neckar-Kreises, die drei künftigen Baristas mussten ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen, eine Reisegewerbekarte beantragen und eine Hygieneschulung besuchen. Immer wieder schrieben sie E-Mails und führten Telefonate, um herauszufinden, was sie für eine Starterlaubnis brauchten - mit unterschiedlichen Ergebnissen, je nach Gesprächspartner. "Aber gerade beim Veterinäramt waren die Mitarbeiter sehr hilfsbereit und haben uns mit Ratschlägen versorgt", sagt Niklas Tönges.

Vor zwei Wochen kam schließlich die Genehmigung - alle Löcher im Wagen waren beseitigt, die Fugen mit Silikon gefüllt, die Decke hell gestrichen, die Holzelemente lackiert. Mit Erlaubnis vom TÜV ging der blaugraue Kaffee-Anhänger auf Tour, mit dem Ergebnis sind die drei Vertreter der "Dirk, Mattis und Niklas Tönges GbR" mehr als zufrieden. Das fair gehandelte Kaffeepulver kommt aus Mannheim. "Wir haben uns durchprobiert, bis das Herz flattert", sagt Dirk Tönges und lacht, greift zur Tasse und trinkt seinen Cappuccino. Inzwischen hat auch die Rösterei "Simon & Bearns" aus Dossenheim vorgeschlagen, eine eigene Sorte für "Coffee tö Go" herzustellen.

Fünf Mal hatte der Pferdeanhänger bisher geöffnet, die Rückmeldungen seien bisher stets positiv gewesen, versichern die Drei. Das große Geld geben sie nicht als Ziel aus: "Die Jungs sollen nur neben Schule und Studium ein bisschen Kohle machen", sagt Vater Dirk. Sohn Niklas will auch nach dem dualen Maschinenbaustudium nicht als Vollzeit-Barista arbeiten. "Es macht uns einfach nur Spaß, irgendwo den Wagen aufzustellen und Kaffee zu verkaufen", sagt er. Sein Bruder Mattis sei fürs Künstlerische und Werbung verantwortlich, er fürs Handwerkliche, Vater Dirk halte den Laden zusammen. "Wir hätten gern eine feste Stelle, wo wir alle 14 Tage stehen können", sagt der, "vielleicht bei einem Supermarkt". Auch ein Unterstand für den Wagen wäre praktisch: Die Sonne tut Farbe und Lack auf Dauer nicht gut.

"Aber jetzt wollen wir das Ding erst mal ins Rollen bringen", sagt Mattis. An Ideen und Begeisterung mangelt es dem Trio jedenfalls nicht.

Info: Infos und Buchungen von "Coffee tö Go" sind möglich im Internet unter www.kaffeeistliebe.com und per E-Mail an info@kaffeeistliebe.com.

Bei dem 30 Jahre alten Gefährt war der Boden morsch, die Wände rochen nach Pferd und die Schrauben waren durchgerostet. Die Renovierung wurde aufwändig. Foto: Dorn

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Aus dem Pferdeanhänger wurde eine Espresso-Bar-2

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung