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17.11.2018

"Pfiffikus" Schriesheim: Der Meilenstein am Ende eines Leidenswegs

"Pfiffikus" Schriesheim: Der Meilenstein am Ende eines Leidenswegs

Schülerhort "Pfiffikus" wurde offiziell eingeweiht - Kosten von etwa 3,3 Millionen Euro

Auch zur Eröffnung musste noch ein Bauzaun geöffnet werden. Fotos: Dorn.

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Dass auch zur offiziellen Eröffnung noch ein Bauzaun geöffnet werden musste, passte zur komplizierten Vorgeschichte: Am Freitag wurde Schriesheims neuer Schülerhort in der Oberstadt eingeweiht - nach mehr als zwei Jahren Bauzeit, immer neuen Kostensteigerungen und Verzögerungen. Etwa 3,3 Millionen Euro hat der Bau des Horts laut Bürgermeister Hansjörg Höfer letztlich gekostet.

Dennoch sprach der Verwaltungschef von einem "Meilenstein der Kinderbetreuung". "Für mich ist dieser Hort eine Herzensangelegenheit", so Höfer. "Es ist ein tolles Gebäude, auf das ich sehr stolz bin." Der Weg dorthin war kein leichter - nicht nur für die Architekten des Büros "AAg LoebnerSchäferWeber", die mit aufgeschütteten Böden und einem ins Grundstück reichenden Gewölbekeller zu kämpfen hatten. "Das war nicht so ohne", sagte Tobias Nied. "Ich war während der Gründungsarbeiten fast jeden Tag auf der Baustelle."

Auch die Nachbarn litten unter Vibrationen, Lärmbelastung und überraschenden Stromunterbrechungen. Der Treppenturm des katholischen Pfarrzentrums wurde durch die Arbeiten ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Höfer sprach von einer "langen und schwierigen Baustelle".

Vor allem für die Verantwortlichen der Strahlenberger Grundschule und des "Pfiffikus" wurde das Warten auf die Fertigstellung zum Kraftakt. Die beiden Einrichtungen mussten sich seit Oktober 2017 bestehende Räume teilen, die Schützlinge des Horts wurden ein Jahr lang jeden Schultag zur Mensa im Kurpfalz-Schulzentrum gefahren und gingen zu Fuß zurück. "Ein Jahr lang zusammenrücken, teilen und sich gegenseitig ermutigen - das ist für uns ein Zeichen von Großmut", sagte "Pfiffikus"-Leiterin Marion Bonifer. "Wenn man die Begriffe ,Hort’ und ,Kostensteigerung’ bei Google eingibt, findet man Kinderbetreuung in Schriesheim", ergänzte ihr Mann Carlo. "Wir möchten dieses Haus jetzt zusammen mit den Kindern zu einem Vorzeigeobjekt machen."

Die wiederum beobachteten die Gäste zunächst aufmerksam durch ein großes Fenster im ersten Stock - und zeigten sich auf Nachfrage begeistert von ihrem neuen Gebäude: Eine dreiköpfige Puzzle-Gruppe gab Schulnoten zwischen Eins und Zwei, besonderes Lob gab es für die Dachzimmer, in denen ein Bewegungs- und ein Hausaufgabenraum untergebracht sind.

Dennoch sprach Bürgermeister Hansjörg Höfer von einem „Meilenstein für die Kinderbetreuung“ in Schriesheim. Fotos: Dorn.
Stefanie Zschätzsch, Rektorin der Strahlenberger Grundschule, bezeichnete den Bau als "Geschenk": "Es ist ein großer Gewinn für unsere Schule." Die kann in dem Neubau nun drei Räume nutzen, darunter ein Werk- und ein Multifunktionszimmer. "Die Kinder fühlen sich seit dem ersten Tag richtig wohl", sagte Zschätzsch.

Etwas karg eingerichtet sind viele Zimmer noch, aber an Ideen mangelt es den Verantwortlichen nicht: Eine Lesewelt wird ab Montag ihr Zuhause im Neubau finden, unter anderem Verkleidungs- und Spielecken sind im Hort geplant. Erst mal müssen nun die zwischengelagerten Möbel an ihren neuen Bestimmungsort gebracht werden. "Im Januar wollen wir in den routinierten Ablauf gehen", so Marion Bonifer.

Der Hort ist eröffnet, seine Verwandlung in ein neues Zuhause hat aber gerade erst begonnen.

Die hellen, großen Räume sind noch nicht fertig eingerichtet. Fotos: Dorn.

HINTERGRUND
Chronik der Verzögerungen und Kostensteigerungen

Schriesheim. (fjm) "Explosionsartig" und "nicht nachvollziehbar": Selten rief ein Bauprojekt im Schriesheimer Gemeinderat so scharfe Kritik hervor wie der Neubau des Schülerhorts an der Strahlenberger Grundschule. Dabei sah im April 2016 alles noch so einfach aus: Das Untergeschoss des Grundschul-Pavillons sollte stehen bleiben, das Erdgeschoss in Fertigbauweise und ein Dachgeschoss draufgesetzt werden. Was folgte, war eine Verkettung von Fehlern, Versäumnissen und unglücklichen Umständen:

April 2016: 750.000 Euro hat die Stadt im Haushalt für den Umbau des Pavillons bereitgestellt, der Gemeinderat billigt die Vorbereitungen. Schon im Januar 2017 soll der Schülerhort "Pfiffikus" in die Räume umziehen, damit der Kindergarten "Kinderschachtel" dessen Container am Schulzentrum in Beschlag nehmen kann.

Mai 2016: Die Planer von "AAg LoebnerSchäferWeber" legen ihre Entwürfe vor. 1,7 Millionen Euro veranschlagt das Büro, unter anderem weil das Anlegen der Fluchtwege komplizierter wird und ein Versatz im Erdgeschoss begradigt werden muss. 500.000 Euro könnte die Stadt sparen, wenn sie auf den Ausbau des Dachs verzichten würde. CDU-Fraktionschef Michael Mittelstädt ist "schockiert", Robert Hasenkopf (Grüne Liste) bereiten die Kosten "Bauchweh". Hinter dem Zeitplan stehen auf einmal große Fragezeichen.

November 2016: Der Abriss des Pavillons verzögert sich, Anwohner klagen über Lärm, Vibrationen und überraschendes Abschalten der Stromzufuhr. Der Zeitplan ist inzwischen Geschichte, Bürgermeister Hansjörg Höfer nennt eine Fertigstellung Ende 2017 als neues Ziel. Verlässliches könne man erst 2018 sagen.

März 2017: Inzwischen schätzt die Stadt die Kosten für den Schülerhort, der komplett neu gebaut werden muss, auf rund 2,5 Millionen Euro. Trotzdem soll das Projekt laut Bauamtsleiter Markus Schäfer im Zeitplan bleiben. Bürgermeister Höfer gibt erstmals Fehler zu: "Wir haben gedacht, wir machen ein Dach drüber und bringen den Hort darin unter. Dieser Fehler liegt bei mir, bei uns." Der damalige SPD-Stadtrat Marco Ginal konstatiert: "Wir hatten am Anfang gar keinen Plan."

April 2017: Wieder mal muss der Gemeinderat eine Kostensteigerung absegnen, insgesamt soll der Neubau jetzt rund drei Millionen Euro kosten - mehr als das Vierfache dessen, was die Stadt ursprünglich veranschlagt hatte. FDP-Stadtrat Wolfgang Renkenberger warnt: "Noch so ein Projekt können wir uns nicht leisten." Heinz Kimmel (Freie Wähler) hofft nur noch, "dass das Kind nicht noch weiter in den Brunnen fällt".

Juli 2017: "Wir sind sauber aus dem Dreck gekommen", befindet Architekt Armin Schäfer beim Richtfest.

September 2018: Bürgermeister Höfer kündigt die offizielle Einweihung des Horts für Mitte Oktober an, ein konkreter Termin müsse noch gefunden werden.

Oktober 2018: Der "Pfiffikus" zieht in den Neubau ein.

November 2018: Der Hort-Neubau wird offiziell eingeweiht. Zu den Gesamtkosten kann Bauamtsleiter Schäfer noch keine Angaben machen: "Der Neubau ist noch nicht schlussgerechnet." Bürgermeister Höfer nennt auf Nachfrage eine Summe von rund 3,3 Millionen Euro.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung