Schriesheim im Bild 2023

25.11.2018

Stephan Harbarth: Bald sitzt ein Schriesheimer in Deutschlands höchstem Gericht

Vom Einserschüler zum Verfassungsrichter - Erste politische Schritte tat er in der Jungen Union

Von Frederick Mersi

Schriesheim. "Im Leben hätte ich das nicht gedacht", sagt Isolde Nelles in einer kurzen Pause vom Plätzchenbacken. "Ich habe ihm so die Daumen gedrückt." Wenige Stunden zuvor, am Freitagvormittag, hat Stephan Harbarth, Unionsfraktionsvize im Bundestag, den Höhepunkt seiner Karriere erreicht: Der Bundesrat wählt den 46-Jährigen mit Zweidrittelmehrheit zum Vizepräsidenten des Bundesverfassungsgerichts. 2020 wird damit vermutlich ein Schriesheimer den Vorsitz in Deutschlands höchstem Gericht übernehmen. "Ein wunderbares Erlebnis", sagt Nelles.

Die langjährige CDU-Stadträtin kennt Harbarth, seit seine Familie 1975 nach Schriesheim zog. "Er war schon als Kind immer lieb, und das kann man nicht von jedem behaupten", sagt sie und lacht. Harbarth wächst in einer traditionellen katholischen Familie auf, geht regelmäßig mit in die Kirche Mariä Himmelfahrt und wird später Ministrant. "Er war ein intelligenter, sehr angenehmer Spielkamerad meines Sohnes", erinnert sich Siegfried Schlüter. "Und er war schon immer ziemlich gescheit", sagt Nelles.

Nach vier Jahren in der Strahlenberger Grundschule wechselt Stephan Harbarth aufs Bunsen-Gymnasium in Heidelberg, dort ist sein Vater Günther stellvertretender Schulleiter. Sein Elternhaus beeinflusst auch seine politische Orientierung: Harbarth tritt in die Schülerunion ein, mit 16 Jahren wird er Mitglied der Jungen Union (JU) in Schriesheim. Zwar spielt er auch für einige Jahre Fußball beim Sportverein, auffallend sind aber vor allem seine hervorragenden Noten - und sein Geschick beim Formulieren. "Er ist immer ein Einserschüler gewesen", sagt Schlüter. "Und ich bin oft darauf angesprochen worden, wie gut er die Artikel der JU fürs Mitteilungsblatt schrieb."

Dabei drängt sich Harbarth nie selbst in den Vordergrund - auch nicht, als er zum ersten Mal auf einem der hinteren Plätze für den Gemeinderat kandidiert. Er wirkt unauffällig, fast schon introvertiert. Bei den Veranstaltungen der JU im Hotel "Zur Pfalz" ist er nie derjenige, der am längsten bleibt. Doch an seine Reden können sich sowohl Isolde Nelles als auch Siegfried Schlüter gut erinnern: "Ich war fasziniert", sagt Nelles. "Man wusste, er hat die Dinge gut recherchiert oder selbst erlebt." Bei einer Vorstellung in der Schriesheimer CDU denkt sich deren damaliger Vorsitzender Schlüter zum ersten Mal: "Aus dem könnte was werden."

Das scheint auch Harbarth selbst zu wissen. Kurz vor dem Ende seiner Schullaufbahn entscheidet er sich dafür, Jura statt Medizin zu studieren. Zunächst wird er für zwei Jahre Stadtverbandsvorsitzender der Jungen Union, während seines Studiums in Heidelberg konzentriert er sich vor allem auf die Arbeit im Kreisverband Rhein-Neckar. 1995 wird er dessen Vorsitzender und Nachfolger des späteren Landtagsabgeordneten Georg Wacker.

Die beiden arbeiten erst nach der Jahrtausendwende wieder zusammen, jetzt im Kreisvorstand der CDU Rhein-Neckar. Harbarth hat inzwischen sein Staatsexamen abgeschlossen, als Jahrgangsbester in Heidelberg, und einen Master-Abschluss an der US-Elite-Universität Yale. "Der Beruf ging bei ihm immer vor", sagt Wacker, heute Geschäftsführer von Lotto Baden-Württemberg. "Das finde ich auch gut, weil man nur dann unabhängig ist, wenn man ein eigenes Einkommen hat."

Harbarth ist im Berufsleben zielstrebig, wird direkt nach seinem Abschluss Partner in der Mannheimer Anwaltskanzlei Schilling, Zutt & Anschütz - ein Job, der ihm wegen lukrativer Nebeneinkünfte immer wieder Kritik einbringt. Er bleibt aber ein Mann der leisen Töne, auch in seinem politischen Engagement: "Ich war damals manchmal ein ziemlicher Hitzkopf", gibt Siegfried Schlüter zu und lacht. "Er war immer um Ausgleich bemüht."

Um seine Persönlichkeit geht es ihm nie. "Er war immer ein Teamplayer", sagt Wacker. "Er hatte aber auch immer einen klaren strategischen Kopf." Harbarth profiliert sich vor allem in der Rechts-, Innen- und Sicherheitspolitik, überzeugt mit Fachkompetenz und seiner freundlichen, aber verbindlichen Art beim Netzwerken. "Wir hatten immer einen guten, persönlichen Kontakt", sagt Wacker. 2009 wird Harbarth erstmals in den Bundestag gewählt, 2016 wird er Unionsvize.

Seit seiner Schriesheimer Zeit habe er sich charakterlich kaum verändert, sagt Isolde Nelles, bevor sie sich wieder den Plätzchen widmet: "Er ist nie irgendwie abgehoben. Dass er jetzt aufgrund seiner Leistung und seiner Fähigkeit nach Karlsruhe geht, ist einfach eine Freude." Seine Schriesheimer Wurzeln hat Harbarth auch nach seinem Umzug in den Kraichgau nicht vergessen: Seine Eltern leben immer noch in der Weinstadt, ihr Sohn freut sich auch heute über Tropfen aus Baden.

"Er ist eigentlich immer der Gleiche geblieben", sagt Siegfried Schlüter, der den Schüler Stephan Harbarth in den Achtzigern auf die CDU angesprochen hatte. Nur beim Fußball, das sagt auch Harbarth selbst, gab es eine Veränderung: "Früher bin dabei sicherlich ab und zu laut geworden, heute kaum noch."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung