Schriesheim im Bild 2023

07.12.2018

Der "Franke Doktor" schließt nach 52 Jahren

Traditionsgaststätte ist noch bis zum Jahresende geöffnet - Stammtische und "Nachsitzungen" des Gemeinderats brauchen ein neues Zuhause

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Georg Frank will nicht zu viel "Trara" - also auch nicht mit der Presse über die Gründe für die Schließung seiner Gaststätte sprechen. Doch die "Weinstube Frank", in Schriesheim besser bekannt als der "Franke Doktor", ist das Zuhause zahlreicher Stammtische, die Heimat der inoffiziellen "Nachsitzungen" des Gemeinderats und seit 27 Jahren offiziell die "Mitte der Welt". Dementsprechend schnell hat es sich in der Weinstadt herumgesprochen, dass die Traditionsgaststätte zum Jahresende schließt - und das Bedauern ist groß.

"Das wird ein Einschnitt in der Geschichte der Gaststätten in Schriesheim sein", sagt Bürgermeister Hansjörg Höfer. Die Wirtsfamilie könne sich derzeit kaum retten vor Reservierungen: "Jeder will jetzt noch mal zum Franke Doktor." Er habe deshalb einen Vorschlag zur Entspannung der Situation gemacht, scherzt Höfer: "Das Ehepaar Frank kann eigentlich nur dafür sorgen, dass nicht alles an jedem Abend ausgebucht ist, indem sie noch ein Jahr dranhängen." Doch die Entscheidung der Familie stehe fest, und das gastronomische Angebot in Schriesheim verliere damit eine weitere gutbürgerliche Küche.

Der Gemeinderat verliert damit auch den Ort für seine inoffiziellen "Nachsitzungen". "Die sind wichtig für das Miteinander im Gremium", sagt SPD-Fraktionschef Sebastian Cuny, mit 40 Jahren einer der jüngeren Stadträte. "In der Gaststätte Frank hat man auch zu später Stunde noch etwas zu essen bekommen, das war nicht unwichtig." Auch für Heinz Kimmel, seit 34 Jahren für die Freien Wähler im Gemeinderat, spielt das Nachtreffen eine wichtige Rolle: "Da hat man sich immer noch mal aussprechen können, wenn in der Sitzung mal ein falsches Wort gefallen ist." Manch ein Streit im Gemeinderat sei nach der Sitzung im ,Franke Doktor’ bei einem Glas Wein wieder beigelegt worden, bestätigt Grünen-Fraktionssprecher Christian Wolf. "Über die Schließung sind wir alle traurig." Die "Nachsitzungen" sollen auch in Zukunft abgehalten werden. Wo, ist aber noch offen.

Auch die Stammtische, die sich bis heute an fast jedem Wochentag, beim "Franke Doktor" treffen, müssen jetzt nach einem neuen Zuhause suchen. Alt-Bürgermeister und Ehrenbürger Peter Riehl zum Beispiel ist gern gesehener Gast beim Montagsstammtisch in der Bismarckstraße. "Da wurde immer die Schriesheimer Lokalpolitik durchdiskutiert", sagt er. "Das war nicht immer fair, aber häufig laut, und manchmal wurde auch gesungen."

Riehl sorgte auch dafür, dass die 1966 eingeweihte Gaststätte offiziell als "Mitte der Welt" gekennzeichnet wurde. 1991 kam Fachpersonal vom Vermessungsamt in Heidelberg, um den Stammtisch geografisch zwischen Metropolen wie Paris, Peking und New York sowie der Nachbargemeinde Dossenheim zu verorten.

"Die Vermessungstypen haben sich letztlich den ganzen Tag da drin vergnügt", sagt Riehl. Günther Oettinger, damals noch CDU-Landtagsabgeordneter und heute EU-Haushaltskommissar, habe schließlich den "Mitte der Welt"-Knopf übergeben.

Kaum weniger wichtig ist die "Fluchtachtel-Satzung" der Jagdhornbläser, die in der Gaststube gerahmt neben den geografischen Daten hängt. Seit 1968 trifft sich die Gruppe nach der Probe beim "Franke Doktor", dieses Jahr feierten die Stammtisch-Mitglieder mit Fähnchen und einem Lied ihr 50-Jähriges.

Den 2002 verstorbenen Gründer und Seniorchef der Gaststätte, Willi Frank, ehrten die Jagdhornbläser schon 2017 als "Schriesheimer Original" beim Mathaisemarkt-Festzug. Er war es auch, der den Spitznamen "Franke Doktor" trug - laut Sohn Georg wegen seiner Brille mit dicken Gläsern, die er schon während der Schulzeit tragen musste.

1996 übernahm Georg Frank die Gaststätte, bis heute ist sie ein wichtiger Treffpunkt in Schriesheim geblieben. Über die Stadtgrenzen hinaus ist der "Franke Doktor" vor allem für seine Fleischspezialitäten bekannt. "Es ist ein Stück Schriesheimer Geschichte, das fehlen wird", sagt Peter Riehl. Er selbst sei mehr oder weniger in der Gaststätte aufgewachsen. "Ich bedauere die Schließung sehr", sagt der Ehrenbürger. "Aber man muss die Entscheidung der Familie anerkennen und respektieren."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung