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19.12.2018

Bürgermeister Höfer zieht Jahresbilanz

Bürgermeister Höfer zieht Jahresbilanz

Großprojekte, Personalmangel, hohe Schulden: Bürgermeister Hansjörg Höfer blickt im RNZ-Jahresgespräch trotzdem optimistisch nach vorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. "Die Fülle der Aufgaben ist gigantisch", sagt Bürgermeister Hansjörg Höfer (62) mit Blick auf das Jahr 2019. Überraschungen bei der Sanierung des Kurpfalz-Gymnasiums (KGS), einen späteren Beginn bei der Erneuerung der Gaulsbrücke: Der Verwaltungschef will wenig ausschließen - bis auf eine Ausnahme. Worin die besteht, warum er trotz anstehender Mammutaufgaben optimistisch ist und wie er die Wahl des künftigen Hauptamtschefs sieht, sagt Höfer im RNZ-Jahresgespräch.

Herr Höfer, überwiegt bei Ihnen Angst oder Vorfreude auf das Jahr 2019?
Vorfreude, immer. Das Jahr 2018 war ein außergewöhnliches Jahr, sowohl durch personelle Wechsel in der Verwaltung als auch durch Bauprojekte. Wir haben die Weichen für die Sanierung des Kurpfalz-Gymnasiums gestellt. 2019 und die Jahre danach werden genauso außergewöhnlich. Ich sehe das als spannende Aufgabe. Es ist schön, dass wir das Geld haben, um zu gestalten. Das liegt vor allem an der guten wirtschaftlichen Lage und steigenden Steuereinnahmen.

Ist es nicht zu optimistisch, zu glauben, dass sich diese Entwicklung auch in den nächsten Jahren fortsetzt?
Man sieht an dem Beispiel der KGS-Sanierung, dass die Schulträger - die Gemeinden - unterfinanziert sind. Wir können dieses Projekt nur angehen, weil die wirtschaftliche Situation momentan so gut ist. Wir sollten eigentlich immer in dieses Gebäude investieren können, aber das geht nicht. Jetzt haben wir eine Niedrigzinsphase und hohe Einnahmen - auf was sollen wir noch warten? Man muss positiv an die Sache herangehen.

Die Kosten dafür werden enorm hoch sein. Im Gemeinderat wurde die Befürchtung geäußert, dass andere Projekte wegen der KGS-Sanierung auf der Strecke bleiben. Haben Sie eine Streichliste für 2019?
Es gibt aktuell keine Streichliste. Wir sind selbst gespannt, was die Sanierungsplanung des Fachbüros an Paketen schnüren wird und was das kosten soll. Das wird sich dann auf den Haushalt auswirken. Aktuell will ich nichts ausschließen.

Gilt für Sie bei der Sanierung "ganz oder gar nicht"?
Der Gemeinderat hat dafür nur begrenzt Mittel freigegeben, nämlich etwa zwölf Millionen Euro plus Kosten für Planung und Ausweichquartiere. Mehr haben wir nicht. Das ist also eine Teilsanierung. Wir brauchen aber eine Planung für das gesamte Gebäude, die dann die Grundlage für die Sanierungsmaßnahmen in den nächsten zehn Jahren bildet.

Zwölf, 20 oder 32 Millionen Euro: Die Stadt hat immer wieder unterschiedliche Zahlen zu den Sanierungskosten erwähnt. Welche Note würden Sie sich für diese Kommunikation geben?
Die Komplexität dieses Themas erschwert das natürlich. Unsere Kommunikation bezeichne ich als gut. Ich wüsste nicht, wo wir da nach außen etwas versäumt hätten. Wegen der Größe dieses Vorhabens wird aber auch sehr emotional darüber diskutiert. Das wird die größte Maßnahme sein, die wir in den letzten 30 Jahren gemacht haben. Davor hat jeder Respekt, das verstehe ich. Wir müssen aber dafür sorgen, dass wir wieder zu den Fakten zurückkommen.

Während des Neubaus für den Schülerhort mussten Sie zugeben, Sie hätten die Baustelle anfangs unterschätzt. Warum sind Sie so zuversichtlich, dass das beim Kurpfalz-Gymnasium trotz des engen Zeitplans nicht der Fall sein wird?
Wir haben beim Hort nicht die Baustelle an sich unterschätzt, wir haben die Sanierungsfähigkeit des ehemaligen Gebäudes überschätzt. Ich habe mich dazu hinreißen lassen, früh eine Summe zu nennen. Der Statiker hat diesen Überlegungen ein Ende gemacht. Man muss sich aber auch fragen: Was hätten wir gemacht, wenn wir von Anfang an gewusst hätten, dass das Ganze 3,3 Millionen Euro kostet? Hätten wir dann lieber noch weitere Container für den Hort gekauft? Das wäre die Alternative gewesen. Wir wollten aber die Strahlenberger Grundschule als Halbtagsschule mit angegliedertem Hort. Auch bei der Sanierung des Gymnasiums werden wir die eine oder andere Überraschung bekommen, davon bin ich überzeugt. Dazu brauchen wir gute Leute hier im Rathaus und gute Planer.

Talstraßen-Erneuerung, Kommunalwahlen, Sanierung des KGS, Bau des Kindergartens "Kinderschachtel" - schaffen Sie und ihre Mitarbeiter das?
Ich will nächstes Jahr im Bauamt eine weitere Person einstellen. Wir suchen einen Bautechniker. Die Fülle der Aufgaben ist für eine Gemeinde unserer Größenordnung gigantisch, und dazu müssen wir noch jemanden einstellen.

2019 sollen auch die beiden Brücken an der Talstraße erneuert werden. Wird diese Route trotzdem für den Durchgangsverkehr frei bleiben?
Wir wollen 2019 mit der Gaulsbrücke beginnen, die Planung soll schnell vergeben werden. Bis wir eine wasserrechtliche Genehmigung haben, wird das Jahr aber vermutlich fast zu Ende sein. Es könnte also sein, dass sich 2019 noch nichts an der Talstraße tut. Unabhängig davon muss immer eine Seite der Talstraße freibleiben. Alles andere wird die Planung ergeben.

Der Hochwasserschutz ist dabei ein großes Thema. Mehr als vier Millionen Euro könnten zusätzliche Sicherungen kosten. Auf welche Neuverschuldung muss sich Schriesheim gefasst machen?
Vor allem soll ein zweites Becken oberhalb des Mühlenhofs gebaut werden, das bei Starkregen volllaufen kann. Und wir müssen etwas tun: Bei einem richtig starken Niederschlag, einem 20-jährlichen Hochwasser, könnte die Altstadt überflutet werden. Aber das Land gibt wohl 50 bis 70 Prozent als Zuschüsse. Was die Finanzen angeht: Die Verschuldung wird durch all diese Projekte und die Sanierung des KGS natürlich steigen. Wir werden bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit gehen müssen.

Ist dieser Sanierungsstau ein Versäumnis der vergangenen Jahrzehnte?
Wir schieben einen Investitionsstau von vielen Jahrzehnten vor uns her, aber das soll kein Vorwurf an meinen Vorgänger sein. Damals war die wirtschaftliche Lage einfach schlechter, dadurch hatte man weniger Einnahmen.

Einnahmen erhofft sich die Stadt aus einem möglichen Neubaugebiet Süd. Gibt es dafür einen Zeitplan?
Ich will in der ersten Jahreshälfte 2019 die Diskussion darüber mit dem Gemeinderat anstoßen, ohne gleich einen Aufstellungsbeschluss zu fällen. Der neu gewählte Gemeinderat muss die Diskussion fortführen und letztlich auch eine Entscheidung fällen. Es gibt auch im Gemeinderat Stimmen, die einem weiteren Neubaugebiet gegenüber sehr skeptisch sind. Darüber sollten wir breit diskutieren. Mein Ziel bleibt aber ein Aufstellungsbeschluss. Ich war zu Beginn meiner Amtszeit 2006 auch nicht davon überzeugt, damals hat uns das Statistische Landesamt noch einen Bevölkerungsrückgang prognostiziert. Inzwischen ziehen junge Familien weg, weil sie hier in Schriesheim keinen Bauplatz bekommen. Das hat sich in diesen zwölf Jahren geändert. Wir brauchen Wohnungen für junge Menschen.

Schon 2017 wollten Sie eine Satzung für den sanierten Zehntkeller vorlegen. Vor einem Jahr haben Sie angekündigt, dies 2018 tun zu wollen. Bisher ist nichts geschehen. Warum tut sich die Stadt damit so schwer?
Das hat keine große Priorität. Wir haben Personalwechsel im Ordnungsamt gehabt, und im Rechnungsamt sind zwei Stellen nicht besetzt. Eine davon ist sogar schon seit mehreren Jahren vakant. Es ist momentan schwer, Fachpersonal in diesem Bereich zu finden. Die Satzung wird deshalb auch 2019 nicht kommen.

Kritisiert wurde immer wieder die Akustik in der guten Stube der Stadt. Sie haben Verbesserungen angekündigt. Was wird sich im Zehntkeller verändern?
Wir sind in der finalen Entscheidungsphase, werden aber noch einmal mit einem Fachbüro Rücksprache halten. Fest steht: Bis zum Mathaisemarkt muss etwas verändert werden. Wir werden aus diesem Keller keinen Konzertsaal machen können. Aber man soll zumindest sein eigenes Wort wieder verstehen können, wenn der Zehntkeller voll besetzt ist. Mit einer Lautsprecheranlage hat das aber nichts zu tun, Profis setzen da auf ein Drei-Wellen-Konzept wie zuletzt beim Kulturkreis oder auch bei der Krönung der Weinhoheiten im Festzelt.

Verändern könnte sich im Mai auch die Zahl der Fraktionen im Gemeinderat. Wäre das belebend oder schädlich für die Arbeit dort?
Ob eine weitere Fraktion hinzukommt, muss man abwarten. Das hängt von vielen Faktoren ab. Neuformierte Parteien müssen zunächst einmal eine Liste aufstellen können. Der Schriesheimer Gemeinderat zeichnet sich durch Weltoffenheit aus. Eine neue Fraktion könnte dem abträglich sein. In jedem Fall aber würde sich die Arbeit des Gremiums verändern.

Zuständig für die Wahlvorbereitung ist dann Achim Weitz als neuer Ordnungsamtsleiter und Nachfolger von Dominik Morast. Mit dessen Wahl zum Hauptamtsleiter hat sich der Gemeinderat offenbar schwergetan. Wie ist das Verfahren aus Ihrer Sicht gelaufen?
Er war mein Wunschkandidat aus der Verwaltung: Er ist gebürtiger Schriesheimer, kennt die Gegebenheiten, ist fleißig, intelligent und gut ausgebildet. Zu Beginn des Verfahrens wollte er sich aber aus privaten Gründen nicht bewerben. Bei der ersten Bewerber-Tranche war niemand, der zu uns gepasst hätte. Im zweiten Gang hatten wir dann jemanden ausgewählt, doch dann hat sich Herr Morast nach intensiven Gesprächen beworben - und wurde letztlich gewählt. Das war für den Gemeinderat schon schwierig, er wurde da ein Stück weit in seiner Mitsprache beschnitten. Morasts persönliche Eignung ist aber unbestritten.

Neues Führungspersonal gibt es mit Herbert Graf auch beim KSV. Sind Sie froh über diesen Wechsel?
Ich bin auch mit seinem Vorgänger Sven Witteler gut ausgekommen. Aber ich kenne Herbert Graf von Kindesbeinen an. Das macht den Umgang auf emotionaler Ebene leichter.

Ein anderer Sportverein wird 2019 hundert Jahre alt: Welche Bedeutung hat der SVS für die Stadt?
Da bin ich natürlich ein bisschen befangen: Meine beiden Söhne haben dort seit ihrer Kindheit Fußball gespielt, einer tut es immer noch. Ich bin dem Verein sehr verbunden. Fußballerisch sind sie zur Zeit in der Kreisklasse angesiedelt, ich wünsche mir aber, dass sie bald wieder eine Etage höher spielen. Der SV macht eine gute und integrative Arbeit. Als in den Neunzigern Flüchtlinge aus Bosnien und dem Kosovo kamen, ist die Mannschaft durch diese guten Spieler gleich aufgestiegen (lacht). Vielleicht klappt das ja jetzt wieder.

Mit dem Hotel "Kaiser" und der Weinstube Frank fehlen bald zwei zentrale Gastronomien. Was würden Sie sich für die beiden Standorte wünschen?
Dass die Gaststätte Frank schließt, wird ein Einschnitt in die Schriesheimer Geschichte sein. Der "Franke Doktor" ist eine regionale Institution. Aber das ist der Lauf der Zeit: Der Arbeitsaufwand in Gaststätten steht oft nicht im Verhältnis zum Ertrag. Ich hoffe trotzdem, dass es auch den Eigentümern des Hotels "Kaiser" wieder gelingt, dort Gastronomie zu etablieren. Die Kernstadt braucht einige Gaststätten - aber die Situation stellt sich ehrlich gesagt schwierig dar.

Wissen Sie, welches jährlich wiederkehrende Thema jetzt noch fehlt?
(zögert) ... Das schnelle Internet.
(lacht) Das schnelle Internet, ja!

Können die Altenbacher und Ursenbacher 2019 damit rechnen?
Ja. Das sage ich mit breiter Brust - in der Hoffnung, dass es Ende nächsten Jahres so weit ist. Im Frühjahr 2019 soll die Zuleitung von Wilhelmsfeld nach Altenbach gelegt werden. Es könnte uns in Ursenbach vielleicht sogar gelingen, die Leitungen nicht nur bis zu den Verteilerkästen, sondern bis zu den Häusern zu legen.

Welche Schlagzeile würden Sie gern im kommenden Jahr lesen?
"Die Sanierung des Kurpfalz-Gymnasiums läuft wie am Schnürchen".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung