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02.01.2019

Für den Grünen Wolf ist "bei diesem Prozess ist viel schiefgelaufen"

Für den Grünen Wolf ist "bei diesem Prozess ist viel schiefgelaufen"

Grünen-Fraktionschef Christian Wolf bemängelt im RNZ-Jahresgespräch fehlende Bürgerbeteiligung zur Sanierung des Gymnasiums

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Ob bei der Erweiterung der Obdachlosenunterkunft im Wiesenweg, der Sanierung des Kurpfalz-Gymnasiums oder beim Bestattungswald: Die Grüne Liste wirkte oft wie die schärfste Opposition von Bürgermeister Hansjörg Höfer. Fraktionssprecher Christian Wolf macht das im Interview an einem Thema fest.

Herr Wolf, in der letzten Gemeinderatssitzung haben Sie gesagt: "Ich bin wirklich sauer." War das bei Ihnen die vorherrschende Gefühlslage im Jahr 2018?
Nein, das war nicht auf das ganze Jahr bezogen. Es ging um die fehlende Bürgerbeteiligung beim Übergangsstandort fürs Kurpfalz-Gymnasium. Wir hatten da zum wiederholten Mal keine richtige Bürgerbeteiligung bei einem wichtigen Thema.

Wann hatten Sie das zuvor vermisst?
Als es um die Grundsatzentscheidung zur KGS-Sanierung ging, hatte der Gemeinderat zehn Tage Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Damals sind nur Fraktionssprecher und Schulbeirat informiert worden - und der Öffentlichkeit blieben drei Tage Zeit, sich mit einer Investition von etwa 30 Millionen Euro und einer extrem hohen Verschuldung auseinanderzusetzen. Jetzt soll dieses Übergangsgebäude sehr groß werden. Dazu gab es bisher nur nicht-öffentliche Veranstaltungen.

Bürgermeister Höfer hat die Kommunikation der Verwaltung in Sachen KGS-Sanierung als gut bezeichnet. Welche Schulnote würden Sie geben?
Bei diesem Prozess ist so viel schiefgelaufen, ich würde die Kommunikation nicht mal als ausreichend bezeichnen. Sie war zuvor schon deutlich besser gewesen.

Glauben Sie, dass sich an dem Übergangsstandort noch etwas ändert?
Meine Wahrnehmung ist, dass die Stadt weiterhin versucht, den Hügel an Hirschberger und Max-Planck-Straße durchzudrücken. Bei der Fragestunde im Dezember ist der Bürgermeister mit keiner Antwort auf die Anregungen, Wünsche und Bedenken der Bürger eingegangen. Aber dieser Standort ist so umstritten, dass der Gemeinderat stark genug sein muss, um ihn zu verhindern. Alle Schulen am Kurpfalz-Bildungszentrum halten ihn für falsch.

Welche Alternativen sehen Sie denn?
Es ist immer schwierig, auf einem Gelände, das für Kinder gedacht ist, ein Übergangsgebäude zu errichten. Eigentlich müsste man wissen, dass so etwas politisch nicht geht. Ich halte die Parkplätze für geeigneter: am Gymnasium oder vor der Schulsporthalle. Letzterer ist von der Verwaltung noch gar nicht geprüft worden. Probleme gibt es mit jedem Standort, die muss man lösen. Deswegen bin ich froh, dass damit jetzt die Architekten beauftragt sind. Es kann ja auch nicht im Interesse der Stadt sein, dass 25 Prozent der Sanierungskosten für eine nicht nachhaltige Übergangslösung ausgegeben werden. Vorrangiges Ziel muss sein, die Kosten zu senken - durch ein kleineres Gebäude oder die Nutzung anderer Räume.

Auch wenn es dafür eventuell Kritik vom Gymnasium gäbe?
Ich denke, dass auch das Gymnasium kein Interesse an einem riesigen Übergangsquartier hat. Da wären eine abschnittsweise Sanierung und in der Folge weniger Container attraktiver.

Die Ja-Stimme von Barbara Schenk-Zitsch hat den Ausschlag pro Sanierung gegeben. Wie sehr hat Sie das geärgert?
Das ärgert einen in so einer Situation schon, auf der anderen Seite muss man diese Entscheidung einer Kollegin respektieren.

Dieses Jahr fehlt mit ihr eine wichtige Stimmenfängerin bei der Kommunalwahl. Ein schwerer Verlust?
Natürlich. Barbara Schenk-Zitsch hat in den letzten 20 Jahren immer eine wichtige Rolle für die Grüne Liste gespielt. Aber wir denken, dass wir das mit neuen Kandidaten ausgleichen können.

Eine Generalsanierung des KGS hat die Mehrheit der Grünen Liste abgelehnt - und am Ende doch für die Vergabe der Planung gestimmt. Warum?
Es wird ja keine Generalsanierung mehr geben. Vielmehr läuft ja alles darauf hinaus, dass es genau so kommt, wie wir das damals gewollt haben. In den Abstimmungen waren wir zwar unterlegen. Aber die Entwicklungen zeigen, dass wir uns keine Generalsanierung leisten können und diese auch nicht nötig ist. Auch die beauftragten Architekten haben gesagt: Sie haben da ein schönes Gymnasium stehen, an dem es gewisse Baustellen gibt. Das war von Anfang an unsere Auffassung gewesen. Deshalb konnten wir jetzt guten Gewissens der Planungsvergabe zustimmen.

Fühlen Sie sich in der Diskussion als Sieger oder als Verlierer?
Die Einteilung in Sieger und Verlierer mag ich nicht. Aber wir hatten von Anfang an den Eindruck, dass eine Mehrheit der Menschen unsere Einschätzung geteilt und eine Generalsanierung abgelehnt haben. Von daher freut es uns, dass diesem Meinungsbild nun offenbar Rechnung getragen wird.

Ist es nicht paradox, dass die Grüne Liste wie die schärfste Opposition eines grünen Bürgermeisters agiert?
Ich empfinde das mit Ausnahme der KGS-Sanierung nicht so. Es gibt viele Dinge, bei denen wir uns einig sind.

Auf Antrag Ihrer Fraktion erarbeitet die Verwaltung jetzt ein neues Konzept für Sicherheitsauflagen bei Vereinsveranstaltungen. Dieses soll aber erst nach Fertigstellung vorgestellt werden. Sind Sie mit diesem Vorgehen einverstanden?
Das war anders beantragt und kommuniziert. Erst sollte mit den Betroffenen gesprochen und dann ein Konzept erarbeitet werden. Das halten wir nach wie vor für richtig. Eigentlich war auch schon ein Treffen mit den Vereinsvertretern angedacht, der Termin kollidierte aber mit der Kerwe in Altenbach. Warum das Ganze jetzt anders läuft, kann ich nicht sagen.

Auch beim Bestattungswald gehen die Meinungen auseinander. Reichen Ihnen zwei naturnahe Grabfelder nicht?
Wir halten einen Bestattungswald für richtig, denn es gibt ein entsprechendes Bedürfnis in der Bevölkerung. Und wir haben die Möglichkeit, dem Rechnung zu tragen, weil es bei uns eine geeignete Waldfläche gibt. Obwohl unser Antrag nur eine knappe Mehrheit erhalten hat, ist der Großteil des Gemeinderats eigentlich dafür - unter der Voraussetzung, dass es sich finanziell selbst trägt.

Das Paradethema der Grünen war eigentlich mal der Umweltschutz. Was hat sich da im Jahr 2018 verbessert?
Die Stadt macht relativ viel, gerade was die Pflege beim Landschaftsschutz angeht. Ein großer Schritt war, dass die Flurneuordnung im Mergel ad acta gelegt wurde. Das war gut für die Natur. Fürs Frühjahr haben wir uns das Thema "Bienenfreundliches Schriesheim" vorgenommen.

Würde Ihre Fraktion auch den lang gehegten Wunsch der Freien Wähler nach E-Ladestationen unterstützen?
Natürlich, und wir kümmern uns auch selbst darum. In den kommenden Monaten wird auf Anregung der Ökostromer eine Ladestation am Bahnhof eingerichtet.

Auf welche Kernthemen setzen Sie beim anstehenden Kommunalwahlkampf?
Durch die Diskussion rund um die KGS-Sanierung haben wir festgestellt, dass die Schriesheimer sich nicht mehr so mitgenommen fühlen. Der Schwerpunkt wird deshalb auf Bürgerbeteiligung liegen.

2019 wird auch ein Neubaugebiet Süd den Gemeinderat beschäftigen. Die Stadt plant mit Einnahmen von sechs Millionen Euro aus dessen Erschließung.
Für ein solches Neubaugebiet stehen wir nicht zur Verfügung. Sechs Millionen Euro sind die maximal möglichen Einnahmen, das wäre nicht ökologisch und ohne bezahlbaren Wohnraum. Ein Neubaugebiet nur zur Finanzierung der KGS-Sanierung wird es mit uns nicht geben. Grundsätzlich stehen da Wohnungsnot und Versiegelung gegeneinander. Die Verwaltung haben wir gebeten, zu untersuchen, wie viele Grundstücke aktuell noch bebaut werden und wie viele Menschen dort leben können. Wir wollen Antworten auf die Fragen: Ist Innenverdichtung noch möglich? Brauchen wir wirklich ein Neubaugebiet? Das ist so ein wichtiger Punkt, dass man da mindestens ein halbes Jahr Bürgerbeteiligung vorschalten muss.

Vor einem Jahr haben Sie sich noch Satzungsänderungen für Mehrzweckhalle und Zehntkeller gewünscht. Warum war das zuletzt kein Thema mehr?
Wir haben da schlicht vergessen, noch einmal bei der Verwaltung nachzuhaken.

Wofür hat die Verwaltung Lob verdient?
(lacht) Kritisieren ist immer leichter als loben. Die Stadtverwaltung sind ja die Amtsleiter und viele Rathausmitarbeiter. Sie haben alle Lob verdient, denn sie machen ihre Arbeit engagiert und verantwortungsvoll. Wir haben ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis. Auch wenn wir in manchen Punkten politisch anderer Meinung sind, haben wir trotzdem großen Respekt vor der Leistung der Verwaltung.

Was sollte sich 2019 nicht wiederholen?
Da sind wir wieder beim Anfang vom Gespräch: fehlende Bürgerbeteiligung.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung