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12.01.2019

125 Jahre Heinrich Sigmund Gymnasium: "Man muss wissen, wann es Zeit ist aufzuhören"

125 Jahre Heinrich Sigmund Gymnasium: "Man muss wissen, wann es Zeit ist aufzuhören"

Schulleiter Wolfgang Metzger kündigt im RNZ-Interview den Stabwechsel an der Spitze an

Wurde 1944 vollständig zerstört: das Mannheimer Schulgebäude des "Instituts Sigmund" gegenüber dem Schloss, im Quadrat A1. Foto: privat/Repro: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Seit fast 30 Jahren ist Wolfgang Metzger Schulleiter des Heinrich Sigmund Gymnasiums (HSG) - wie schon seine Tante und sein Großvater. Und nach einem Festakt zum 125-jährigen Bestehen steht die nächste Generation schon bereit. Im RNZ-Interview spricht Metzger über Digitalisierung, schnelllebige Reformen und den Ruf der Schule.

Herr Metzger, erinnern Sie sich noch an das Geschenk des Fördervereins zum 111. Jubiläum des HSG?
Das Geschenk hängt dort an der Wand: ein Gemälde des Malers Franz Piva, mit dem Blick vom Branich ins Tal. Zumindest war das eins der Hauptgeschenke, das für mich als Lokalpatriot sehr wertvoll ist.

Leonardo Papandrea hatte damals auch fünf Overhead-Projektoren mitgebracht. Nutzen Sie die noch?
Seitdem sind mindestens zwei modernere Generationen an Projektoren erschienen, von denen die letzte inzwischen schon einige Jahre zurückliegt. Die Geräte von damals sind längst ausgemustert.

Haben es Privatschulen leichter, sich an den digitalen Wandel anzupassen?
Das ist alles eine finanzielle Frage, und wir müssen uns genauso strecken wie die anderen Schulen. Wir können geradeso auf dem aktuellen Stand bleiben, was Smartboards, Whiteboards und Tablets angeht. Bei uns sind es immer noch zu wenige, aber das liegt an den hohen Preisen: Ein Smartboard kostet 10.000 Euro und mehr. Da rennen einem die Kosten davon. Wir haben dank Spenden zwei Klassenzimmer damit ausstatten können und hoffen, das demnächst noch bei einem weiteren zu tun.

Sie sind jetzt seit fast 30 Jahren Schulleiter des HSG und haben in dieser Zeit einige Bildungsreformen erlebt. Welche war für Sie die einschneidendste?
Ich habe mindestens sechs Reformen des Oberstufensystems erlebt. Jetzt gibt es für die Kursstufen eins und zwei wieder eine. Ich weiß auch, wie lang- oder kurzlebig solche Reformen sind. Man sollte uns einfach mal in Ruhe arbeiten lassen, statt dauernd etwas Neues einzuführen. Denn die jetzige Situation ist nicht schlecht.

Wie lange wollen Sie noch Schulleiter bleiben?
Der Übergang in die nächste Generation steht schon, wir sind ja ein Schulleiter-Team mit meinen Stellvertretern, Dieter Rösch und Daniel Metzger, meinem Sohn. Alle Entscheidungen treffen wir zusammen, daher wird es einen nahtlosen Übergang geben. Unterrichten werde ich aber weiter - solange es meine Gesundheit zulässt und ich das Gefühl habe, dass es die Schüler wertschätzen.

Seit 2014 bietet das HSG das Profilfach Sport an. Reicht die Infrastruktur aus?
Die Sportstätten sind für andere Schulen häufig das größte Problem. Aber wir haben hier eine kleine und eine große Turnhalle, herrliche Waldlaufstrecken und dürfen die Sportanlagen am Stadion benutzen. Durch unsere Kooperation mit der SRH-Hochschule in Heidelberg haben wir Zugang zu deren Schwimmstätten. Inzwischen wird das gut angenommen: Die Hälfte unserer Schüler nutzt das Sportprofil.

Wegen des 125. Jubiläums haben Sie kürzlich ihr Gemeinderatsmandat niedergelegt. Fehlt Ihnen die Kommunalpolitik schon?
Zu einem gewissen Teil, ja. Ich verfolge sie auch immer noch interessiert. Aber wenn mein Leben so ausgefüllt ist, mit der Verantwortung für 40 Angestellte und 300 Schüler, habe ich nicht mehr genügend Zeit dafür. Für mich war es ein Wunder, dass ich 25 Jahre die Kommunalpolitik hier mitgestalten durfte. Aber man muss wissen, wann es Zeit ist aufzuhören. Denn mein Lebensmittelpunkt ist die Familie, mein Lebenswerk ist die Schule.

Wurde das HSG in der Stadt gegenüber anderen Schulen je benachteiligt?
Ich habe die Schule aus der Kommunalpolitik immer herausgehalten, weil ich nicht den Anschein erwecken wollte, dass hier Vetterleswirtschaft oder eine subjektive Meinung vorherrscht. Das HSG habe ich immer als Ergänzung zum öffentlichen Schulbetrieb gesehen. Aus einer anfänglichen Konkurrenz ist inzwischen ein Miteinander entstanden. Mit Jürgen Sollors (Schulleiter des Kurpfalz-Gymnasiums, Anm. d. Red.) arbeite ich fast freundschaftlich zusammen. Er hat ja auch seine ersten Schritte als Lehrer am HSG gemacht. Aber die Schule selbst musste sich die Akzeptanz in der Bevölkerung über Jahrzehnte erkämpfen, wegen vieler Vorurteile, die Privatschulen - ob berechtigt oder nicht - entgegengebracht wurden.

Welche Veranstaltung wird der Höhepunkt des Jubiläumsjahres?
Mit Sicherheit der Festakt am 5. April. In diesem Zeitraum könnten wir auch die Urkunde zur Zertifizierung als "Bewegungsfreundliche Schule" erhalten. Das heißt, dass wir in einem Ganztagesbetrieb für die Schüler Möglichkeiten zur Bewegung schaffen. Damit wollen wir der Bewegungsarmut entgegenwirken, die ich persönlich in unserer hoch technisierten Zeit als enorme Gefahr sehe.

Was wären Sie geworden, wenn Sie nicht das HSG leiten würden?
Das ist eine sehr hypothetische Frage. Ich habe mich mal kurz damit befasst, Jura zu studieren. Aber ich bin auf dem Branich aufgewachsen, habe hier am HSG mein Abitur gemacht und von meiner Familie vorgelebt bekommen, was es heißt, mit Haut und Haaren Pädagoge zu sein. So wollte ich immer werden. Das an meine Kinder weiterzugeben, ist mir - Gott sei Dank - auch gelungen.

"Man sollte uns einfach mal in Ruhe arbeiten lassen, statt dauernd etwas Neues einzuführen", sagt Wolfgang Metzger über die Bildungsreformen, die er in 30 Jahren erlebt hat. Foto: Dorn


HINTERGRUND
Schriesheim. Als Philologe Heinrich Sigmund 1894 in Mannheim seine eigene Schule gründete, füllte er damit eine Marktlücke: Tagsüber, aber auch in Abendkursen, konnten sich Schüler dort unter anderem auf die Realschulprüfung und die "Reifeprüfung", das damalige Abitur, vorbereiten. Das Modell erfreute sich schnell großer Beliebtheit: Die Kursteilnehmer kamen von weither, viele von ihnen nächtigten deshalb im angegliederten Schülerpensionat des "Instituts Sigmund" - das wegen des großen Andrangs in den ersten sieben Jahren dreimal umziehen musste.

Ihr Zuhause fand die Schule schließlich gegenüber dem Schloss, im Quadrat A1. Weitere Räume mietete das Institut in den folgenden Jahren an. Dann kam der Erste Weltkrieg - und mit ihm Schwierigkeiten, den Unterricht aufrechtzuerhalten: Ein Drittel der Lehrer wurde zur Wehrmacht eingezogen. Das Pensionat wurde unter anderem wegen Lebensmittelknappheit 1918 geschlossen und erst 15 Jahre später wieder eröffnet.

1933 zog sich der Gründer des Instituts Sigmund schrittweise zurück - aus Altersgründen und wegen der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Sein Schwiegersohn Karl Metzger, Großvater des heutigen Schulleiters Wolfgang Metzger, übernahm die Leitung der Schule, die sich schrittweise zum Gymnasium wandelte.

Dann begann Hitler-Deutschland den Zweiten Weltkrieg und zog 1939 alle jüngeren Lehrer zur Wehrmacht ein. Ab 1943 mussten auch Jugendliche zum Beispiel als Flakhelfer an die Front. Zeitweise fand ein Teil des Unterrichts des Instituts deshalb in Flakstellungen statt. Die Bombardierungen Mannheims durch die Alliierten bedeuteten schließlich das Ende des Mannheimer "Instituts Sigmund": Am 19. Oktober 1944 wurde das Schulhaus in A1 vollständig zerstört, und der Ausweichstandort, das Schülerheim am Friedrichsring, wurde im Januar 1945 dem Erdboden gleichgemacht.

Doch Schulleiter Karl Metzger hatte ein Wochenendhaus auf dem Branich, wo er bis zum Einmarsch der US-amerikanischen Truppen einen Interims-Schulbetrieb aufzog. 1948 wurde das "Institut Sigmund" wiedereröffnet, mit neun Klassen und Unterricht unter freiem Himmel, in Nebenzimmern von Gasthäusern und kirchlichen Gemeindehäusern. Doch die Einrichtung wuchs: Im Schuljahr 1953/54 waren dort bereits 328 Schüler angemeldet. Und das Institut baute - in der Hoffnung, in der Peripherie Mannheims künftig keinen Bombenangriffen mehr zum Opfer zu fallen.

Das "Institut Sigmund" blieb auf dem Branich und erhielt 1994, zu seinem 100. Jubiläum, seinen heutigen Namen: Heinrich Sigmund Gymnasium. (fjm).

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung