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08.02.2019

Mathaisemarkt Schriesheim: Ärger um Auflagen für Mathaisemarkt-Festzug

Stadt will Vorgaben im neuen Sicherheitskonzept strikter umsetzen - Vereine kritisieren steigenden Aufwand und fordern Runden Tisch

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Keine Süßigkeiten mehr von den Wagen werfen, keinen Wein mehr von der Ladefläche ausschenken und sogenannte "Wagenengel" mit Warnwesten als Begleitpersonal bereitstellen: Die Sicherheitsvorgaben für den diesjährigen Mathaisemarkt-Festzug am Sonntag, 10. März, sind bei einigen Schriesheimer Vereinsvertretern auf scharfe Kritik gestoßen. Das Ordnungsamt betont, man setze nur geltende Richtlinien um. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

> Was müssen die Vereine beachten? Wer mit einem Wagen am Festzug teilnimmt, darf keine Süßigkeiten mehr von der Ladefläche werfen oder von dort Getränke ausschenken. Fußgruppen dürfen aber weiterhin beides an die Zuschauer ausgeben. Ebenso müssen die Teilnehmer mindestens zwei, meist vier sogenannte "Wagenengel" bereitstellen, die darauf achten, dass niemand unter die Räder kommt. Deren Anzahl hängt von der Zahl der Achsen und der Verkleidung des Gespanns ab. Die "Wagenengel" müssen volljährig sein, dürfen während des Zuges keinen Alkohol trinken und sollen zudem durch eine optische Barriere, zum Beispiel ein Band oder ein Seil, verbunden sein. Zudem müssen die Fahrzeuge, also Traktoren und Anhänger, nach den polizeilichen Vorgaben verkehrssicher sein.

> Welche Konsequenzen hat ein Verstoß? Am Tag des Festzugs wird das Ordnungsamt gemeinsam mit der Polizei die Wagen der Teilnehmer kontrollieren. Bei groben Verstößen dürfen diese nicht beim Festzug mitmachen. "Damit die Teilnehmer auf der sicheren Seite sind, haben wir am Samstag eine Kontrolle der Gespanne auf dem Bauhof angeboten", sagt Achim Weitz, Leiter des Ordnungsamts. "Dass jemand nicht am Festzug teilnehmen kann, ist das Letzte, was wir wollen." Die Kosten der Überprüfung übernimmt die Stadt. Bei Fragen können sich Vereinsvertreter ans Ordnungsamt wenden.

> Woher kommen die Vorschriften? Grundlage ist eine Richtlinie der Landespolizei Baden-Württemberg zur "straßenverkehrs- und zulassungsrechtlichen Behandlung von Umzugsfahrzeugen bei örtlichen Brauchtumsveranstaltungen", die in dieser Form seit 2013 gilt. "Diese orientiert sich an der Straßenverkehrsordnung, die bundesweit gültig ist", sagt Michael Schwenk von der Verkehrspolizeidirektion Mannheim. Bei größeren Umzügen seien diese Vorschriften der Standard - "umgesetzt mit dem nötigen Fingerspitzengefühl", so Schwenk. Auch Ordnungsamtsleiter Weitz betont, dass die Richtlinien nicht neu seien: "In anderen Städten und Gemeinden ist das schon normal." Auch in den vergangenen beiden Jahren habe man die Regeln den Vereinsvertretern zugeschickt. Die Verkehrspolizei habe bei der Ausarbeitung des neuen Sicherheitskonzeptes nun noch einmal auf diese Vorschriften hingewiesen und deren Umsetzung empfohlen.

> Was sind die Kritikpunkte? Einige Vorsitzende der teilnehmenden Vereine halten die Vorgaben für überzogen, schwer umsetzbar und vor allem für zu kurzfristig angekündigt. Am Dienstag habe er erfahren, dass am Samstag die Wagen kontrolliert werden sollten, sagt zum Beispiel Werner Morast vom SV Schriesheim. "Wir hatten keine Vorlaufzeit." Zwar habe die Verwaltung im Vorfeld immer wieder durchklingen lassen, dass dieses Thema noch einmal wichtig werden könnte, sagt Klaus Urban, Vorsitzender des Gesangvereins Liederkranz. "Aber es wurde lange nichts Konkretes gesagt." Wie Urban betont auch Tobias Heising, Zweiter Vorsitzender des Baseballclubs Raubritter, die Vorschriften an sich seien kein großes Problem: "80 Prozent dieser Auflagen haben wir sowieso schon erfüllt." Morast meint dagegen: "Die Stadt übertreibt es da."

> Wie reagiert die Stadt? "Der Termin für die Überprüfung war ein bisschen kurzfristig", gibt Ordnungsamtsleiter Weitz zu. "Aber die Vereine wollten auch mit dem Aufbau beginnen. In den nächsten Jahren soll das früher stattfinden." Der Stadt sei bewusst, dass die Vereinsmitglieder viel Herzblut in den Festzug stecken. "Wir wollen einen schönen Festzug", sagt Weitz. "Aber wir wollen eben auch, dass er sicher ist." Die Angst vor Unfällen sei nicht abstrakt oder aus der Luft gegriffen: "Leider gab es in den vergangenen Jahren bei anderen Umzügen immer wieder solche Vorfälle." Wie auch in Schriesheim: 2008 wurde eine Jugendliche während des Zuges von einem Traktor angefahren und erlitt mehrere Knochenbrüche im Fuß.

> Haben Vereine ihre Teilnahme am Festzug abgesagt? Offiziell nicht. Nach RNZ-Informationen wurde ein Boykott zwar diskutiert, aber schnell wieder ad acta gelegt. Stattdessen wollen sich einige Vereine nun gegenseitig bei der Umsetzung der Vorschriften unterstützen. Der Geflügelzuchtverein "Bergstraß’" wird zwar nicht teilnehmen, laut Vorsitzendem Gerhard Bodach allerdings nur, weil die nötigen "Mitläufer" fehlen.

> Wie geht es jetzt weiter? Nach RNZ-Informationen fordern Vereinsvertreter einen Runden Tisch mit der Stadtverwaltung innerhalb von zwei Wochen nach Ende des Mathaisemarkts, um Lösungen für künftige Festzüge zu erörtern. Wie diese aussehen könnten, ist noch unklar.

HINTERGRUND
Nur Hirschberg hat einen Katalog mit Kriterien

Auch wenn die Verkehrspolizei betont, dass die in Schriesheim angewandten Richtlinien bundesweit Standard für Festzüge sind: In den umliegenden Kommunen gibt es mit Ausnahme von Hirschberg keine festen Kataloge mit Sicherheitsvorschriften für die Wagen von Zugteilnehmern.

Zwar ist der Umzug zur "Storchekerwe" in Leutershausen wesentlich kleiner als der Mathaisemarkt-Festzug, dennoch gelten dort für Umzugswagen laut Bauamtsleiter Rolf Pflästerer Auflagen vom Straßenverkehrsamt des Rhein-Neckar-Kreises.

Dazu gehören sogenannte "Zugbegleiter", die mit Armbinden gekennzeichnet sein und sich 30 Minuten vor Beginn des Umzugs bei der Polizei melden sollen. "Insbesondere Pferdegespanne und Motivwagen sind rechts und links mindestens von einem Ordner zu begleiten", heißt es in den Richtlinien.

Wie in Schriesheim soll auch bei der Verkleidung der Fahrzeuge auf die Sicherheit geachtet werden: Soweit es irgendwie möglich ist, müssen die Wagen und Traktoren bis nahe an den Boden verkleidet werden, damit niemand zwischen die Achsen oder unter ein Fahrzeug geraten kann. "Generell ist eine Rundum-Verkleidung anzustreben, damit Kinder nicht unter die Räder geraten können", heißt es weiter. Dabei muss aber auch gewährleistet sein, dass der Fahrer nach vorne ausreichend viel sehen kann.

Das Straßenverkehrsamt weist auch darauf hin, dass die Polizei Festwagen, die nicht den Vorschriften entsprechen, vom Umzug ausschließen kann - und verweist dafür auf das gleiche Merkblatt, das auch die Grundlage für die Auflagen in Schriesheim bildet.

Ein Wurfverbot für Süßigkeiten gibt es in Hirschberg nicht. Stattdessen fordert das Straßenverkehrsamt lediglich, die Teilnehmer auf den Festwagen darauf hinzuweisen, Bonbons und Vergleichbares möglichst weit vom Wagen wegzuwerfen.

"Bei unserem Sommertagszug gibt es solche Auflagen nicht", sagt Weinheims Stadtsprecher Roland Kern. "Allerdings ist er auch nicht mit dem Mathaisemarkt-Festzug vergleichbar." In der Zweiburgenstadt seien kaum Wagen an dem Zug beteiligt, stattdessen seien dort vor allem Fußgruppen mit Kindern unterwegs.

Auch in Ladenburg gibt es keine verbindlichen Kriterien seitens der Stadt für den dortigen Sommertagszug. Allerdings ist dort der Heimatbund der Veranstalter und damit für die Sicherheit zuständig. Laut Nicole Hoffmann, Referentin von Bürgermeister Stefan Schmutz, steht die Stadtverwaltung im engen Austausch mit den Veranstaltern. "Einen festen Kriterienkatalog gibt es nicht", sagt sie. "Aber der Sommertagszug ist auch nicht so groß wie der Mathaisemarkt-Festzug." (fjm)

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung