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22.02.2019

Stadt und SPD-Ortsverband erinnern an Anton Geiß

Stadt und SPD-Ortsverband erinnern an Anton Geiß

Veranstaltung am 3. März für den vergessener Vorreiter der Demokratie

Anton Geiß wurde 1918 erster badischer Staatspräsident, 1944 starb er verarmt in Schriesheim. Foto: Von Unbekannt - http://www.landesarchiv-bw.de/plink/?f=4-1384743-1, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=57741866

Von Stefan Kern

Schriesheim. Vielleicht kommt die Gedenkveranstaltung am Sonntag, 3. März, auf dem Friedhof und im Zehntkeller genau zur richtigen Zeit: Nicht ganz acht Wochen vor der Kommunal- und Europawahl ehrt die Weinstadt mit dem ersten badischen Staatspräsidenten Anton Geiß einen großen Demokraten.

Ein Mann, so Bürgermeister Hansjörg Höfer und Historiker Bernd Braun, der die für eine gelingende Demokratie so wichtigen Attribute wie Konsenssuche und Kompromissfähigkeit geradezu mustergültig vertrat. Der politische Gegner sei für Geiß kein Feind gewesen, der besiegt werden müsse, sondern ein Mensch mit anderen Ansichten, die ihre Berechtigung haben - und sich, wenn Frieden und Freiheit die höchsten Ziele seien, nur in Kompromissen lösen ließen. Alles andere würde unweigerlich Unfreiheit und Blutvergießen zur Folge haben. In Zeiten, in denen Abgrenzung, Maximalforderungen und Nationalismus wieder zunehmend en vogue würden, seien Geiß und das Gedenken an ihn keine ganz unwichtige Sache.

Geboren am 11. August 1858 in Rettenbach im bayerischen Allgäu, wandte sich der gelernte Schreiner und Gastwirt schon früh der Politik zu. 1887 trat er in Ludwigshafen der SPD bei und wurde schnell zu einem hell leuchtenden Stern am deutschen Politikhimmel. Seine außerordentlichen rhetorischen Fähigkeiten und sein Leitfaden des stets anständigen Umgangs verschafften ihm weit über die SPD hinaus Respekt und Anerkennung. In der badischen Revolution 1918 wurde Geiß zum badischen Staatspräsidenten (heute Ministerpräsident).

Dabei trug er maßgeblich dazu bei, so Bauer, dass in der badischen Revolution kein Blut vergossen wurde. Seine Fähigkeit, widerstreitende Interessen auszugleichen und einzubinden, dürfte hier der entscheidende Unterschied gewesen sein. Historiker und Biograf Martin Furtwängler unterstellte dem Mann mit "ganz ohne Eitelkeiten und Machtgier" gar Eigenschaften, die der Politik zu widersprechen scheinen. Genau das schien das Geheimnis seines Erfolges zu sein.

Er war ein wegweisender Politiker, der auch für die deutsch-französische Aussöhnung entscheidende Akzente setzte. Legendär sein Bonmot, dass es mit Deutschland erst wieder aufwärtsgehe, wenn an der Somme die Bäume blühten. Hier tobte 1916 eine der größten Schlachten zwischen Deutschen und Franzosen des Ersten Weltkrieges.

Im Amt war er bis 1920. Die Nationalsozialisten entzogen dem Politiker 1933 die Pension, sodass er auf die Unterstützung seiner Söhne angewiesen war. In diesem Jahr zog er auch nach Schriesheim und starb hier 1944 verarmt sowie weitgehend vergessen.

Seine Verdienste wollen Braun, Höfer und der SPD-Ortsverband mit der Gedenkveranstaltung zum 75. Todestag würdigen. Dieser Mann erinnere daran, so Höfer, dass Demokratie erkämpft und immer wieder verteidigt werden müsse: "Ein Gedanke, den wir uns alle wieder viel stärker ins Bewusstsein rufen müssen." Demokratie sei nicht selbstverständlich, und genau das solle mit dieser Veranstaltung wieder in den Vordergrund gerückt werden.

Nach einer Kranzniederlegung am 3. März, ab 14 Uhr, mit Höfer und einer Ansprache des SPD-Ortsvorsitzenden Axel Breinlinger startet um 15.15 Uhr in Anwesenheit von Wissenschaftsministerin Theresia Bauer sowie der beiden Wissenschaftler Martin Furtwängler und Bernd Braun die Gedenkveranstaltung zum 75. Todestag des vergessenen Ausnahmepolitikers Geiß.

Sieht in Geiß einen Verfechter von Kompromissen: Historiker Bernd Braun. Foto: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung