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27.03.2019

Mobbing: Wenn das Kind nicht mehr zur Schule will

Mobbing: Wenn das Kind nicht mehr zur Schule will

Im Kurpfalz-Gymnasium Schriesheim wurde informiert und diskutiert.

Die drei Schulsozialarbeiter Udo Heidrich (vorne), Julia Weber (hinten l.) und Denise Gehrig-Schmitt klärten am Montagabend über das Thema Mobbing auf. Foto: Peter Dorn

Von Günther Grosch

Schriesheim. Mit kleinen Sticheleien fängt es oft an. Die Stifte eines Mitschülers verschwinden. Seine Mütze, sein Pausenbrot oder der Inhalt seines Schulranzens finden sich im Papierkorb wieder. Mobbing an der Schule hat viele Facetten.

Entscheidend ist, dass die permanenten Schikanen viele Gesichter haben können: Verbale Attacken wie hässliche Bemerkungen über die zu große Nase, Lästereien über die uncoole No-name-Jeans oder das Verbreiten böser Gerüchte über die Eltern gehören ebenso dazu wie Treten, Schlagen und das Bekritzeln oder Zerreißen von Heften und Büchern.

"Mobbing ist das wiederholte und systematische Schikanieren vermeintlich Schwächerer mit dem Ziel, einen hohen sozialen Status innerhalb der Gruppe zu erlangen und aufrechtzuerhalten." So lautete die Definition der Schulsozialarbeiter Udo Heidrich, Denise Gehrig-Schmitt und Julia Weber im Rahmen einer Informations- und Diskussionsveranstaltung des Gesamtelternbeirats der Schriesheimer Schulen in der Aula des Kurpfalz-Gymnasiums. Mobbing kann jeden treffen. Keine Schule und keine Altersstufe ist davor gefeit. Obwohl das Thema in aller Munde ist, herrscht dennoch oft Unsicherheit, wie damit umzugehen ist, so der Elternbeiratsvorsitzende Patrick Schmidt-Kühnle, der als Moderator fungierte. Jedes dritte Kind an Haupt-, Gesamt- oder Sekundarschulen fürchtet sich davor, ausgegrenzt, gemobbt oder geschlagen zu werden. Dies geht aus einer kürzlich veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung hervor. Demnach ist Schülermobbing bis zu zehn Prozent für Betroffene sowie Mobber unter Schülern verbreitet. An Gymnasien wird weniger gemobbt als an anderen Schularten. Mobber sind besonders häufig zwischen der sechsten und der zehnten Klasse anzutreffen. Und: Mobber sind überwiegend männlich.

Zwar verdient nicht schon jede kleine Hänselei das Etikett Mobbing - dennoch ist die Dunkelziffer in diesem Bereich hoch. Hinzu kommt, dass Mobbing oft nicht ernst genommen wird. Und im schlimmsten Fall - wie kürzlich in Berlin geschehen - schließlich zum Selbstmord einer Schülerin führen kann. Weil die Betroffenen oftmals extrem unter den Taten leiden, nicht mehr gerne in die Schule gehen und erkranken können, muss nach Ansicht der Schriesheimer Schulsozialarbeiter das Problembewusstsein bei Eltern und Lehrern noch stärker wachsen. Man dürfe nicht wegschauen. Eltern und Lehrer sollten das Problem beim Namen nennen.

An drei Hauptkriterien sei Mobbing leicht auszumachen, so Gehrig-Schmitt: "Mobbing ist eine Wiederholungstat. Hinter Mobbing steckt eine Verletzungsabsicht. Und es besteht eine Machtungleichheit zwischen Tätern und von der Tat Betroffenen." Nicht immer sprechen die Kinder über die Dinge, die sie bedrücken. Eltern und Lehrer müssen deshalb feine Antennen für mögliche Alarmsignale entwickeln. Anzeichen dafür, dass ein Kind gemobbt wird, können plötzliche Verschlossenheit, Ängste, Unkonzentriertheit, ein Leistungsabfall oder der Rückzug in andere Gebiete sein. "Viele Mobbing-Opfer äußern plötzlich, dass sie nicht mehr in die Schule gehen wollen, oder sie klagen über Kopf- und Bauchschmerzen sowie Appetitlosigkeit oder Schlafprobleme. Nichts ist schlechter als nichts zu tun", so der Ratschlag von Julia Weber und Udo Heidrich. Eltern sollten die Warnsignale ernst nehmen und auf keinen Fall herunterspielen: "Nicht vor ihrem Kind und nicht vor der Schule."

Bei Verdacht auf Mobbing sollten Eltern die Vorfälle dokumentieren sowie das Gespräch mit der Klassenleitung, Lehrkräften und der Schulsozialarbeit suchen. Nicht anzuraten sei dagegen ein vorschnelles Kontaktieren der "Täter" oder ihrer Eltern: "Je nach Situation und Alter der Kinder kann dies noch zu einer Verschlimmerung der Lage führen." Oft zeige es bereits große Wirkung, wenn das Thema Mobbing von der Lehrkraft im Klassenverband angesprochen und bearbeitet wird. Denn meist falle der Großteil der "Täter" in die Kategorie "Mitläufer". Wenn die Mitläufer den Drahtziehern keine Bühne und keinen Rückhalt mehr bieten, verlieren diese das Interesse an weiteren Hänseleien und Gängeleien.

Kritisch äußerte sich eine Diskussionsteilnehmerin unter anderem gegenüber der Tatsache, dass eher dem "Tatbetroffenen" als dem "Täter" im schlimmsten Fall ein Schulwechsel angeraten wird.

Info: Mehr zum Thema gibt es in der Broschürenreihe "ElternWissen" unter www.agj-elternwissen.de

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung