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10.06.2019

Kirchenstreik "Maria 2.0": Darum schwanken die Bergsträßer Katholikinnen zwischen Hoffnung und Skepsis

Trotz positiver Reaktionen noch lange nicht am Ziel - Frauen wollen weiter kämpfen

Von Frederick Mersi und Nicoline Pilz

Bergstraße-Neckar. "Was daraus wird?" Brigitte Aurand zögert, atmet hörbar ein. "Da muss man wohl dem Heiligen Geist vertrauen", sagt die 64-Jährige und lacht kurz. Fast einen Monat ist es her, dass die Vorsitzende der Katholischen Frauengemeinschaft (kfd) in Schriesheim sich am Kirchenstreik "Maria 2.0" beteiligt hat. Viele Frauen und Männer solidarisierten sich, forderten einen besseren Umgang mit Missbrauchsfällen, die Abschaffung des Pflichtzölibats und die Öffnung aller Kirchenämter für Frauen. Jetzt schwanken die Initiatorinnen in Schriesheim, Dossenheim und Edingen-Neckarhausen zwischen Hoffnung auf echte Veränderung und Skepsis gegenüber den Bischöfen.

Aurand spricht lieber von "Aktionen" als von "Streik", schließlich richte sich "Maria 2.0" nicht gegen die Kirche selbst. "Die Menschen, die sich dort engagieren, sind ja die, denen die Kirche wichtig ist", sagt sie. "Wir wollen sie verändern und erneuern statt einfach zu gehen."

Deshalb sprachen die Frauen mit ihrem Pfarrer Ronny Baier, bevor sie sich an "Maria 2.0" beteiligten - und bekamen von ihm Rückendeckung. "Er sieht, was alles nicht laufen würde, wenn die Frauen sich zurückziehen", sagt Aurand. Dorothee Kuhn, kfd-Vorsitzende in Dossenheim, bestätigt das: "Er stand voll hinter uns."

Innerhalb der Kirchengemeinden seien die Reaktionen überwiegend positiv gewesen. "Wir waren überrascht, wie viele Menschen zu unseren Gottesdiensten kamen", sagt Kuhn. "Viele haben sich auch hinterher gemeldet und gefragt, wie es jetzt weitergeht."

Eine Frage, die in der Schriesheimer und Dossenheimer Seelsorgeeinheit noch offen ist. "Es soll weitergehen, wir sind da noch in Gesprächen", sagt Aurand. Ideen hat Dorothee Kuhn schon: "Wir könnten einmal im Monat einen eigenen Gottesdienst machen, obwohl wir die Menschen ja nicht dauerhaft dem Kirchengebäude entziehen wollen." Stattdessen könnten die Frauen auf liturgische Dienste wie Lesungen verzichten.

In der Seelsorgeeinheit St. Martin, zu der neben Edingen-Neckarhausen auch Friedrichsfeld und Seckenheim gehören, ist man da mit "Maria 2.0 im Gebet", "Maria 2.0 im Gespräch" und "Maria 2.0 in Aktion" schon weiter. Gebete um Veränderungen finden ab Juli jeweils am ersten Donnerstag im Monat immer um 19.30 Uhr in Neckarhausen statt.

Gespräche mit kirchlichen Vertretern und Vertreterinnen über die Forderungen der Bewegung sind geplant, ferner größere Aktionen und Vernetzungen mit anderen Gruppen in der Erzdiözese. Pfarrer Markus Miles und der dortige Pfarrgemeinderat stellten sich ebenfalls hinter das dortige Engagement für die Aktionswoche.

Im September plant die kfd bundesweit zudem eine Aktionswoche zum Thema Geschlechtergerechtigkeit, an der auch die Frauengemeinschaften vor Ort teilnehmen wollen. "Das Thema ist noch nicht eingeschlafen", sagt Kuhn, die sich seit sieben Jahren auf Dekanatsebene im Vorstand der kfd engagiert. "Wir bleiben am Ball."

Die Reaktionen der Bischöfe in Deutschland auf "Maria 2.0" reichten von Verständnis bis zu scharfer Kritik und kategorischer Ablehnung einer Priesterweihe für Frauen. Teilweise haben die Streikteilnehmer dafür sogar Verständnis: "Das ist eine tausendjährige Tradition", sagt Aurand. "Und über die Ablehnung von Papst Johannes Paul II. vor 25 Jahren kann sich Franziskus nicht einfach hinwegsetzen."

Die Weihe von Diakoninnen, einige Stufen unter dem Priesteramt, bleibe aber Ziel der Frauengemeinschaft. "Ich selbst möchte weder Pfarrerin noch Diakonin werden", sagt Kuhn zwar. "Aber ich möchte in der Kirche als gleichwertig wahrgenommen werden."

Erst im Februar hat das Erzbistum Freiburg eine Prognose veröffentlicht, laut der bis 2030 auch wegen Priestermangels noch größere Gemeindeeinheiten gebildet werden und Ehrenamtliche mehr Verantwortung übernehmen müssen. "Ich sehe das als Chance für uns", sagt Kuhn. "Vielleicht reicht die Zeit bis dahin, um die Kurve zu kriegen."

Dann dürfe es aber nicht nur bei Lippenbekenntnissen bleiben: "Die Diskussionen der vergangenen Wochen haben gezeigt, dass man die Schriften so auslegen kann, wie man es gern hätte", so Kuhn. "Wenn man es möchte, kann man dann auch etwas ändern."

Stattdessen wurde auch innerhalb der Seelsorgeeinheiten Kritik geäußert, die Streikenden würden Maria für eigene Zwecke instrumentalisieren. "Wir kennen diese Kritik und nehmen sie ernst", sagt Silvia Wehrle namens der siebenköpfigen Initiativgruppe in der Seelsorgeeinheit St. Martin.

Maria werde in den patriarchalischen Strukturen der Kirche aber als Beispiel für Gehorsamkeit und Demut überhöht. "Das Bild von Maria als Schwester und Freundin kommt unserem spirituellen Bild deutlich näher." In dieser Frage herrsche eine breite Vielfalt. Eine Zuspitzung sei für den gewünschten Dialog nicht förderlich.

Schon vor "Maria 2.0" hatten die deutschen Bischöfe auf ihrer Vollversammlung beschlossen, einen Erneuerungsprozess der Katholischen Kirche in Gang setzen zu wollen - den "synodalen Weg". Dabei sollen auch die Mitglieder eingebunden werden. Das Wie ist bisher aber nicht verbindlich geregelt.

Die Hoffnungen auf Veränderungen sind entsprechend verhalten. "Es steht zu befürchten, dass es sich um einen reinen Gesprächsprozess handeln wird, dem keine Konsequenzen und tatsächlichen Veränderungen folgen werden", sagt Silvia Wehrle. Formulierungen verantwortlicher Bischöfe ließen befürchten, dass es sich beim "synodalen Weg" um ein reines Beschäftigen mit dem Thema handele, um pressewirksam eine Reaktion zu demonstrieren. Das Geschehen werde man kritisch beobachten, im Rahmen der Möglichkeiten kommentieren und gegebenenfalls reagieren.

In Schriesheim fällt die Reaktion zwar etwas wohlwollender aus: "Es ist das Bemühen, sich der Gesellschaft zu öffnen", sagt Aurand, "und sicher ein Weg in die richtige Richtung." Ob der konsequent zu Ende gegangen wird, entscheiden am Ende - wie seit vielen Jahrhunderten in der Katholischen Kirche - die Männer.

Brigitte Aurand, Dorothee Kuhn und Silvia Wehrle bleibt in diesem Fall neben Protestaktionen, Unterschriftensammlungen und Kirchenstreiks wohl nur das Hoffen auf Leitung durch den Heiligen Geist.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung