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03.07.2019

"Poetry Sunset" Schriesheim: Poetry Slam unter dem Abendhimmel auf der Strahlenburg

"Poetry Sunset" Schriesheim: Poetry Slam unter dem Abendhimmel auf der Strahlenburg

Rund 180 Besucher bei Sommerwetter und modernem Minnesang auf der Strahlenburg Schriesheim

Kultur in der Natur: Paula Neu brauchte eine Sonnenbrille für ihren Auftritt. Foto: Dorn

Schriesheim. (mpt) Eine malerische Kulisse, sensible, surreale und satirische Gedichte, ein wunderschöner Sonnenuntergang und ein moderner Minnesang: "Poetry Sunset", die Open-Air-Premiere von "Word Up" und dem Kulturkreis, erweist sich als voller Erfolg. Der Hof der Strahlenburg bietet zur Abendstunde Urlaubsambiente: Die Sonne strahlt, die Gäste lachen und genießen die Weitsicht über die Rheinebene, ehe sie ihre Aufmerksamkeit den Künstlern widmen, um den vor Gefühlen, Metaphern und Humor strotzenden Versen zu lauschen.

Rund 180 Besucher pilgern am Montagabend hinauf zum Schriesheimer Hausberg. Viele von ihnen mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Und im Gasthof, der zum Wochenauftakt eigentlich geschlossen hat, brummt der Laden - wenn auch eher kleine Gerichte wie eine Portion Pommes bestellt werden. Vielmehr gilt es an diesem Abend, Wörter zu verschlingen. Die vier Poetry Slammer und der Liedermacher haben reichlich davon.

Ganz am Anfang aber sieht man sie sprechen, doch man hört sie nicht: Die digitalen Kopfhörer, die jeder Besucher am Eingang in die Hand gedrückt bekam, müssen aufgesetzt werden. Plötzlich hört man alles glasklar. Positiver Nebeneffekt: Das leise Tuscheln mit dem Sitznachbarn ist völlig verstummt. Moderator "Grohacke", Schriftsteller Karsten Hohage, zitiert zum Warm-up der "entspannten Sonnenuntergangs-Show" einen Dichter, der gar nicht eingeladen ist: Heinrich Heine. "Er war wohl nicht abkömmlich", scherzt er - und überlässt Stefan Ebert die Bühne. Der Liedermacher darf die Gelegenheit nutzen, Richtung Heimat, gen Mannheim zu singen.

Mit Paula Neu aus Hockenheim ist die erste Wortakrobatin an der Reihe. Da ihr die Abendsonne mitten ins Gesicht strahlt, muss sie eine Sonnenbrille tragen. Gerade hat sie ihr Studium abgeschlossen. Diese Aufbruchstimmung, der Beginn von etwas Neuem, bedeutet auch immer das Ende eines Lebensabschnitts. "Der Wind hat sich gedreht", beginnt sie ihr Gedicht "In Windeseile", das vom Abhandenkommen einer Freundschaft handelt. Eben noch im pubertären Gekicher unzertrennlich, scheint man sich plötzlich gar nicht mehr wiederzuerkennen - und nur die gemeinsam erlebte Vergangenheit zu teilen.

Von Optimismus handelt das erste Gedicht von Zoé Velten. Die 21-jährige Mannheimerin springt kurzfristig für die erkrankte Sylvie le Bonheur ein. Um "Friedrich", ein Menschwesen, das noch die Zeit erlebte, als nicht Quarz, sondern Sonnen und Mond den Rhythmus des Lebens bestimmte und Bäume die einzigen Wolkenkratzer waren, dreht sich alles in ihrer gesellschaftskritischen Erzählprosa. Moderator "Grohacke" kramt für den Abend dagegen ein etwas älteres Gedicht hervor. Aus einer Zeit, als Steffi Graf noch selbst zum Schläger griff. Dabei hat das Gedicht mit Tennis gar nichts zu tun. Vielmehr reist "Grohacke" vom Zebrastreifen in die Serengeti und wieder zurück. Nur, um am Ende in der Kneipe auf der anderen Straßenseite zu landen.

Fast verschwenderisch weiß "Andivalente" mit Metaphern umzugehen. Er gilt als ewiger Geheimtipp in der "Poetry Slam"-Szene. Der Mannheimer trägt einen modernen Minnesang vor. "Du bist so süß, ich bekomm’ von dir Karies und Diabetes. Wie Erdbeerbaiser, eingebacken in Schokoladenkuchen", steigert er sich bewusst von einer maßlosen Übertreibung zur nächsten, sehr zur Freude des Publikums. "Das war mal wirklich etwas total Neues. Ruhig, intensiv, sehr entspannt", findet Monika Oelrich-Wähling - und genießt die letzten Sonnenstrahlen des Tages.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung