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05.07.2019

Gedenkstätten: Sollte Schriesheim weiter der "Helden" gedenken?

Gedenkstätten: Sollte Schriesheim weiter der "Helden" gedenken?

Bürgermeister Hansjörg Höfer offen für eine Diskussion – Inschrift an Gedenkstätte stammt aus der Weimarer Republik

Die bewegte Geschichte der Kriegsopfergedenkstätte erläutert eine Tafel des historischen Stadtrundgangs. Ob die Verwendung des "Helden"-Begriffs dennoch einer weiteren Einordnung bedarf, soll bald im Gemeinderat diskutiert werden. Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Dass Passanten vor dem großen grauen Beton-Kubus in der Bismarckstraße innehalten, ist ein seltener Anblick. Doch Stefan Schewe machte die Inschrift an der Kriegsopfergedenkstätte stutzig, als er vor rund einem Jahr nach Schriesheim zog. "Den Helden des Weltkrieges 1914-1918" ist an der Frontseite zu lesen. Für Schewe, der im westfälischen Bökenförde aufgewachsen ist, ein problematischer Begriff. Also schrieb der Neu-Schriesheimer einen offenen Brief an Bürgermeister Hansjörg Höfer. Sein Anliegen: eine weitere größere Tafel an der Gedenkstätte aufzustellen, um den "Helden"-Begriff zu erweitern.

Bürgermeister Höfer zeigte sich auf Nachfrage offen für eine Diskussion über das Anliegen: "Ich finde das Anliegen inhaltlich gut und richtig", so der Verwaltungschef. "Noch einmal eine größere Tafel anzubringen, halte ich aber für unsinnig." Er habe das Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden im Gemeinderat weitergeleitet, nun warte er auf deren Rückmeldung. "Wir haben ja bereits eine Tafel dort zur Einordnung stehen", sagt Höfer. "Ein weiterer Hinweis müsste sich in das Umfeld einfügen und gleichzeitig für den Betrachter gut sichtbar sein."

Höfer hat Erfahrung mit der Umgestaltung der Gedenkstätte: Auf seine Initiative hin wurde das Denkmal durch Bronzetafeln mit den Namen der im Zweiten Weltkrieg gefallenen Schriesheimer, aber auch der Opfer von Widerstand, Holocaust und Euthanasie ergänzt.

Ob eine weitere Tafel an dieser Stelle überhaupt nötig wäre, ist aber umstritten. Denn der Beton-Kubus in der Mitte der Kriegsopfergedenkstätte stammt aus der Zeit der Weimarer Republik: Das Denkmal wurde 1927 errichtet, damals unter dem Namen "Denkmal für die gefallenen Brüder der Gemeinde Schriesheim".

"Auch der Duktus des ,Helden’ stammt aus dieser Zeit", erklärt Historiker und Stadtarchivar Dirk Hecht. "Damit wurde zum Ausdruck gebracht, dass die Männer nicht umsonst gefallen sein sollten - auch wenn das aus heutiger Sicht für manche nicht mehr angemessen erscheint."

Mit der Zeit des Nationalsozialismus habe dieses Denkmal nichts zu tun, sagt Hecht. Zwar wurden 1938 unter der Herrschaft des NS-Regimes das Johanniterkreuz durch ein "Eisernes Kreuz" ersetzt und die Widmungsurkunde ausgetauscht. Doch nur zwei Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden das "Eiserne Kreuz" wieder entfernt und die Widmungsurkunde abermals ausgetauscht.

Auch in den folgenden Jahrzehnten wurde die Gedenkstätte, damals noch "Kriegerdenkmal" genannt, mehrfach umgestaltet. 1958 wurde das Denkmal für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Kriegs 1870/71 in die Bismarckstraße verlegt, sechs Jahre später kam ein Granitblock mit der Aufschrift "Unseren Toten" für Opfer des Zweiten Weltkriegs hinzu. Die für die Erinnerungskultur wichtigsten Änderungen erfolgten aber ab dem Jahr 2000: Als es um eine Neugestaltung des Geländes geht, beantragt die Grüne Liste im Gemeinderat die Umbenennung in "Kriegsopferdenkstätte", das Gremium gibt dazu 2001 grünes Licht.

"Schriesheim hat in Sachen Erinnerungsarbeit viel getan", sagt Stadtarchivar Hecht. "Trotzdem darf man nicht damit aufhören, sondern man muss gerade für die jüngeren Generationen ständig am Ball bleiben."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung