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10.07.2019

Diese Lektionen hat die Grünen-Rätin in 20 Jahren gelernt

Diese Lektionen hat die Grünen-Rätin in 20 Jahren gelernt

Für Barbara Schenk-Zitsch endet am 17. Juli die Gemeinderatsarbeit - "Ums Gewinnen ging es mir nie"

"Ich bin mit der Bilanz ganz zufrieden", sagt Grünen-Stadträtin Barbara Schenk-Zitsch. "Nur das letzte Jahr war wegen Differenzen innerhalb der Fraktion nicht mehr so schön." Foto: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. 20 Jahre im Gemeinderat, davon fünf als Stellvertreterin von Bürgermeister Hansjörg Höfer: Wenn am Mittwoch, 17. Juli, kurz nach 18 Uhr die Gemeinderäte verabschiedet werden, die nicht wiedergewählt wurden, wird Barbara Schenk-Zitsch (Grüne Liste) fehlen. Im Urlaub sei sie da, sagt sie bei einem morgendlichen Treffen im Kaffeehaus.

Das sei aber schon vorher mit ihrer Familie so geplant gewesen. Warum sie nicht für fünf weitere Jahre kandidiert hat, wo sie sich nach der Zeit im Gemeinderat einbringen will und was sie als Stadträtin gelernt hat, erzählt die 67 Jahre alte Zahnärztin im RNZ-Interview.

Frau Schenk-Zitsch, wäre es Ihnen wichtiger, als gute Zahnärztin oder als beliebte Stadträtin in Erinnerung zu bleiben?
Barbara Schenk-Zitsch: Das ist schwierig. Eher als gute Zahnärztin, glaube ich. Das ist mein Hauptberuf, den liebe ich und übe ihn nach wie vor mit vollem Elan aus. Als Stadträtin habe ich mir immer Mühe gegeben und mich in dieses Amt hineingearbeitet. Aber Zahnärztin kann ich noch besser, das habe ich ja auch studiert.

Hatte in den vergangenen 20 Jahren tendenziell die Praxis oder das Rathaus Vorrang?
Die Praxis hatte immer Vorrang. Das muss auch so sein, ich habe da eine große Verantwortung für meine Patienten.

Sie haben mal gesagt, Sie seien in die Kommunalpolitik gegangen, um zu verstehen, wie deren Mechanismen funktionieren. Haben Sie das geschafft?
Ich verstehe es. Aber ich finde es immer noch befremdlich, wie manche Entscheidungen teilweise zustande kommen. Wir leben in einer Demokratie, da geht es um Mehrheiten, das muss man akzeptieren. Aber dass bei der Notunterkunft am Wiesenweg letztlich doch Container statt einer nachhaltigeren Holzvariante bevorzugt wurden, ergibt für mich zum Beispiel keinen Sinn. Die Entscheidung hat mir ein bisschen wehgetan. Nicht weil ich mit meiner Meinung verloren habe - ums Gewinnen ging es mir nie -, sondern wegen der Bewohner der Notunterkunft. Es gab lange Zeit keine Mehrheit für die weitere Bebauung des Wiesenwegs, und am Ende bekommen sie noch die schlechtere Lösung. Da haben manche Räte abgestimmt, ohne je gesehen zu haben, wie die Leute dort leben.

Was haben Sie als Stadträtin gelernt?
Ich habe viel über mich selbst gelernt. Zum Beispiel, wie ich auf bestimmte Dinge reagiere. Manches kann ich recht cool hinnehmen, andere Dinge bringen mich total auf die Palme: wenn falsche Zahlen oder Fakten immer wiederholt werden, zum Beispiel. Was man im Rat sagt, mussstimmen und gut recherchiert sein. Wenn man einfach irgendwas dauernd behauptet, wird es dadurch auch nicht richtiger. Nicht die Wahrheit zu sagen oder mit der eigenen Meinung taktieren, das ist gar nicht meine Art.

Was würden Sie heute anders machen?
Eigentlich nichts. Ich habe in den 20 Jahren viel angestoßen - zum Beispiel im Sozialen mit der Aktion "Helpi", bei Barrierefreiheit, Gesundheitsthemen, Vergangenheitsbewältigung und vielen anderen Dingen -, diese Themen dann auch bearbeitet und ich bin mit der Bilanz ganz zufrieden. Nur das letzte Jahr wurde jetzt durch Differenzen innerhalb der Fraktion überschattet.

Sie haben nie öffentlich darüber gesprochen, dennoch soll das Verhältnis zwischen Ihnen und Ihrer Fraktion gegen Ende, vor allem nach der Abstimmung über die KGS-Sanierung, in die Brüche gegangen sein. War das mit ein Grund, weshalb Sie nicht noch einmal angetreten sind?
Ja. Das kann man so sagen.

Jetzt gibt es Streit um Ihre Nachfolge. Viele bei der Grünen Liste sind empört, dass Michael Mittelstädt gegen Stimmenkönigin Fadime Tuncer antreten will. Sie haben stets die gute Zusammenarbeit mit dem CDU-Fraktionschef und Zweiten Bürgermeister-Stellvertreter betont. Hat Sie dieses Vorgehen überrascht?
(zögert) Nein, für mich kam das nicht überraschend. Aber Sie haben recht, die Zusammenarbeit mit Herrn Mittelstädt habe ich sehr geschätzt. Das lief aus meiner Sicht hervorragend. Er ist ein fairer, anständiger Mensch, zu dem ich immer ein gutes kollegiales Verhältnis hatte. Wir haben uns in der Stellvertretung hervorragend ergänzt und unterstützt.

Wen von beiden würden Sie sich als Nachfolger(in) wünschen?
(lacht) Das darf der künftige Gemeinderat entscheiden, dazu äußere ich mich nicht.

Nach dem Mord an Walter Lübcke durch einen Rechtsextremen wird momentan viel über Anfeindungen gegenüber Politikern gesprochen. Haben Sie das selbst mal erlebt?
Nein. Es gibt in Schriesheim schon einige Leserbriefschreiber, die einem dann auch meist schon bekannt sind und die nach Presseberichten mal ein paar böse E-Mails schreiben. Bedroht worden bin ich aber nie. Nur einer hat irgendwie mal Bezug auf eine Zahnbehandlung genommen - aber an den Wortlaut kann ich mich jetzt nicht mehr erinnern (lacht). Die Kommunikation mit den Schriesheimer Bürgern habe ich eigentlich nur positiv in Erinnerung.

Man soll bekanntlich aufhören, wenn es am schönsten ist. Sie sind jetzt 67 Jahre alt, die Grüne Liste ist stärkste Fraktion, Ihre Tochter Daniela und Ihr Sohn Maximilian arbeiten als Zahnärzte in der Familienpraxis. Haben Sie den besten Zeitpunkt zum Aufhören in der Politik gewählt?
Darüber habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht - aber ja, das könnte man schon so sagen. Ich bin ein Mensch, der immer alles hinterfragt und selten mit sich richtig zufrieden ist. Aber der Zeitpunkt ist in jedem Fall gut. Mit meinen Kindern in der Praxis zu arbeiten, macht auch wirklich Spaß.

Warum sollte man heute in die Kommunalpolitik gehen?
In der Kommunalpolitik kann man wirklich etwas unmittelbar erreichen, eigene Projekte starten und verwirklichen. Man ist direkt mit den Leuten in Kontakt - auch wenn heutzutage längst nicht mehr jeder in Schriesheim weiß, wer Stellvertreter des Bürgermeisters ist. Das Mitgestalten ist aber sehr interessant, es kostet nur wahnsinnig viel Freizeit. Da hat die Familie schon manchmal ein wenig protestiert.

Sie wollen sich weiterhin für wohltätige Zwecke engagieren, in Ihrer wie in anderen Stiftungen. Was ist erfüllender, Gemeinderats- oder Stiftungsarbeit?
Die Arbeit im Gemeinderat. Stiftungsarbeit ist auch nicht so aufwendig - abgesehen von der Überlegung, welche Projekte man fördern will. Da planen wir gerade, den Zweck unserer Stiftung zu erweitern, damit wir auch Organisationen außerhalb von Schriesheim fördern können.

Was steht bis zum 70. Geburtstag noch auf Ihrer To-Do-Liste?
Ich werde weiter in der Praxis mitarbeiten, weil es mir Spaß macht. Außerdem bleibe ich als Beirätin bei der Interessengemeinschaft zum Erhalt des Waldschwimmbads und im Verkehrsverein aktiv und will mich auch beim Thema Barrierefreiheit weiter einbringen. Dazu kommt noch die Stiftungsarbeit und das Engagement bei der Kinderinitiative Strahlenburg. Mehr Urlaub brauche ich eigentlich nicht. Bei der Juli-Sitzung des Gemeinderats bin ich allerdings wie jedes Jahr mit meiner Familie in den Niederlanden zum Segeln.

Was wünschen Sie Ihrer Heimatstadt für die Zukunft?
Dass der Gemeinderat gute Entscheidungen zum Wohl der Stadt trifft, vor allem bei sozialen Themen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung