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26.08.2019

Schriesheim-Altenbach: Das sagt Diakon Klaus Nagel zum Abschied

63-Jähriger geht in den vorzeitigen Ruhestand - Er zeiht in die Nähe von Stuttgart

Von Marco Partner

Schriesheim-Altenbach. Die Kartonkisten sind gepackt, die Wände kahl. Neun Jahre war Klaus Nagel als Gemeindediakon in Schriesheim und Altenbach tätig. Nun geht er im Alter von 63 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand.

Am Sonntag wird er seine letzten Predigten halten, ehe er mit seiner Frau in die Nähe der Landeshauptstadt Stuttgart zieht. Im Gespräch mit der RNZ erklärt der gebürtige Bremer, was er vermissen wird, welche Aufgaben in Zukunft auf ihn warten und er verrät, was eine gute Predigt ausmacht.

Herr Nagel, nach fast einer Dekade als Diakon hier in der Bergstraße: Bleibt da in den letzten Tagen Zeit, die doch sehr intensiven Jahre Revue passieren zu lassen?
Um ehrlich zu sein, verlangt das Liegenschafts-Projekt bis zum Schluss meine volle Aufmerksamkeit. Aber es sieht sehr gut aus für unser Gemeindehaus, zur Finanzierung ist zum Beispiel ein Club der Tausender angedacht, der Rückhalt aus der Bevölkerung ist groß. Statt das Gebäude verkaufen und uns irgendwo einmieten zu müssen, gibt es nun auch den Gedanken, dass wir Räume an die Altenbacher Verwaltungsstelle vermieten. Und dann denke ich natürlich an den Umbau der Kirche mit der ungewöhnlichen Glaskonstruktion. Ich bin sehr dankbar, dass ich das miterleben durfte.

Das sind die materiellen Baustellen: Wie sieht es mit den menschlichen Beziehungen aus?
Da ist in den letzten Jahren viel gewachsen. Es hat sich ein Netzwerk an Beziehungen aufgebaut, das unheimlich wertvoll und kostbar ist. Durch runde Geburtstage, Taufen, aber auch Beerdigungen haben sich viele Türen geöffnet. Als Seelsorger durfte ich viele Menschen in schwierigen Situationen begleiten. Es haben sich über die berufliche Ebene hinaus Freundschaften entwickelt.

Dabei war Ihr Einstieg in Altenbach kein leichter …
Nein, an meinen Typus musste man sich erst gewöhnen. Ich wurde kritisch beäugt, da kommt einer aus Norddeutschland, der eine andere Sprache spricht und schnoddrig wirkt. Aber mit der Zeit konnte man mich immer besser einordnen. Ich glaube heute weiß man, wie ich ticke.

Ihre erste Predigt soll gleich legendär gewesen sein. Es hieß, Sie fielen gleich mit der Tür ins Haus. Können Sie sich noch daran erinnern?
Ja, das hängt mir wohl ewig nach (lacht). Es ging um die Frage nach Sexualität, dass gelebte Sexualität Raum benötigt. Ich war gleich als ‚Skandal-Nagel‘ bekannt, dabei ist der Skandal doch eher, dass solche Themen in der Kirche immer noch tabuisiert und nicht benannt werden.

Was macht eine gute Predigt aus?
Sie muss zunächst einmal theologisch fundiert sein. Aber wichtig ist auch, die alte Botschaft ins Hier und Jetzt zu übertragen. Ich sehe mich dabei als Brückenbauer, der genau diesen Fluss überquert. Es geht darum, einen Zugang zu den Menschen zu finden, sie sollen sich angesprochen fühlen, was nicht bedeutet, dass sie mit mir übereinstimmen müssen. Sie dürfen die Ecken und Kanten ruhig fühlen, wo gerieben wird, entsteht Wärme. Genau diese Reibungsfläche kann die Bibel einem bieten. Sie setzt sich mit unangenehmen Fragen auseinander, auf die früher oder später jeder eine Antwort finden muss.

In jungen Jahren brachten Sie zunächst Kaffeemaschinen statt das Wort Gottes an den Mann. Wie kam es, dass Sie sich vom Kaufmann zum Kirchenvertreter wandelten?
Durch den Zivildienst. Ich habe mir schon während meiner kaufmännischen Ausbildung die Frage gestellt, ob ich mein Leben lang Kaffeeprodukte vertreiben will. Dann hat es mich gereizt, einfach mal hinter den Vorhang der Kirche zu blicken. Und ich fand es sofort sehr wertvoll, ernsthaft mit Menschen zusammenzuarbeiten. Oft fragt man den anderen nur oberflächlich: Wie geht’s dir? In meinem Beruf aber hat es eine andere Tiefe.

Was glauben Sie, welche Spuren wird Ihre Arbeit hinterlassen?
Mir geht es darum, etwas Bleibendes zu hinterlassen, was danach nicht in sich zusammenfällt, da niemand dahintersteht. Die Jugendfreizeiten in Frankreich und Spanien haben sich etabliert. Und auch meine Frau Monika hat zum Beispiel durch den Frauenkreis viel bewegt. Es sind oft die kleinen Projekte, wie die Boule-Gruppe, die zeigen, dass Kirche nicht nur sonntagmorgens stattfindet, sondern von Menschen tagtäglich gelebt wird. Gerne hätte ich auch noch einen Frühstücks-Gottesdienst initiiert.

Was werden Sie aus Ihrer Zeit hier vermissen?
Gerade das Predigen (lacht), aber auch viele liebgewonnene Menschen. Mit Sicherheit aber auch dieses Privileg, als Diakon die öffentliche Aufmerksamkeit zu genießen und schon dank des Berufes wegen viele soziale Beziehungen zu pflegen. Da wird der Ruhestand nun eine neue, große Herausforderung, vor der ich großen Respekt habe. Aber auch den Odenwald und sogar mein Fitnessstudio werde ich vermissen.

Sie ziehen in die Nähe von Stuttgart, welche Aufgaben warten jetzt auf Sie?
Meine drei Töchter sind allesamt junge Mütter geworden. In einem Mehrgenerationenhaus leben ich und meine Frau künftig mit zwei Töchtern sozusagen unter einem Dach. Aber mit eigenem Eingang, Küche und Wohnzimmer. Mein ganzes Berufsleben stand bei mir die Kinder- und Jugendarbeit stark im Fokus. Aber mich jetzt mit der Opa-Rolle zurechtzufinden, in diese Schublade will ich eigentlich noch nicht kriechen. Aber doch, im Grunde freue ich mich sehr darauf.

Wird es ein Wiedersehen mit Schriesheim und Altenbach geben?
Für April bin ich bereits zu einer Goldenen Hochzeit eingeladen, aber eigentlich bin ich nicht der Typ, der groß alte Arbeitsstätten aufsucht. Ich bin guter Dinge, dass es hier gut weitergeht. Es gibt ein fittes Team, dass nicht nur ausführt, sondern selbst agiert.

Klaus Nagel wurde 1956 in Bremen geboren. Nach der Mittleren Reife, einer kaufmännischen Lehre und dem Zivildienst besuchte er von 1978 bis 1982 die Evangelische Missionsschule der Bahnauer Bruderschaft bei Backnang. Unter anderem war er im CVJM-Landesverband Baden als Regionalsekretär für Südbaden und von 1997 bis 2010 als Gemeindediakon in Schiltach tätig, eher er nach Schriesheim wechselte. Am Sonntag, 25. August hält er seine letzten beiden Predigen: um 9 Uhr in Altenbach und um 11 Uhr in Schriesheim. mpt

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung