Schriesheim im Bild 2023

12.10.2019

Weinlese an der Bergstraße: "Das ist eine Laune der Natur"

Weinlese an der Bergstraße: "Das ist eine Laune der Natur"

Die Winzer der Region müssen in diesem Herbst mit geringeren Erntemengen leben - Regen zwang zu Flexibilität bei der Lese

Die Trauben sind geerntet: Der Jahrgang 2019 könnte vor allem fruchtige Weißweine hervorbringen, schätzen die Winzer. Foto: Dorn

Von Carsten Blaue

Schriesheim/Heppenheim. Harald Weiss seufzt am Telefon: "Der Regen hat uns einen Streich gespielt." Der Geschäftsführer der Schriesheimer Winzergenossenschaft (WG) war noch nie ein Freund davon, über gute Jahrgänge zu reden, bevor man die Ernte im Keller hat. Die diesjährige Lese hat gezeigt, dass er Recht hat.

Die Winzer mussten bei enormen Witterungsschwankungen besonders flexibel sein. Aber es ist noch mal gut gegangen. Am gestrigen Freitag fuhr der letzte Lkw mit Erträgen zum Badischen Winzerkeller nach Breisach, wo die Weine der WG ausgebaut werden. Bei der Bergsträßer Winzer eG in Heppenheim an der hessischen Bergstraße sind sie noch nicht ganz fertig. Doch eines ist jetzt schon absehbar für Geschäftsführer Patrick Staub: "Wir werden etwa 30 Prozent weniger Menge haben als vergangenes Jahr." Damit würden die Südhessen am Ende des Herbstes zwischen fünf und zehn Prozent unter dem mehrjährigen Mittelwert liegen. Staub nimmt es gelassen: "Das ist ja nicht ungewöhnlich. Es gibt immer Ertragsschwankungen. Das ist eben eine Laune der Natur."

Die bekamen auch die Schriesheimer Genossenschaftswinzer zu spüren. "Bei uns fiel ein Drittel des Jahresniederschlags während der Lese", sagt Weiss. Das brachte den Leseplan an den 25 Ernte-Tagen mehr als ein Mal durcheinander. Eigentlich hatte die WG am 16. September ganz entspannt anfangen wollen, um am 23. September durchzustarten: "Aber dann ging es sofort volles Rohr los, und am 21. September hatten wir schon den kompletten Müller-Thurgau gelesen." Ordentlich gesund, mit schöner Reife und 85 Grad Öchsle Mostgewicht. Überhaupt wird sich im WG-Jahrgang 2019 viel in den Kabinett-Qualitäten abspielen: "Wir haben weniger Spätlesen", sagt Weiss. Etwas Enttäuschung ist ihm dabei schon anzuhören: "Am Ende haben uns einfach die Sonnentage gefehlt. Die Potenziale hätten wir im Weinberg gehabt." Zum Glück, sagt er, würden aber noch genug tolle Reserven vom Jahrgang 2018 im Keller liegen. Die Natur habe also auch das über die beiden Herbste hinweg geregelt. So steht am Ende eine durchschnittliche Lese, mit der Weiss ganz froh ist.

Zumal die WG wenig Probleme hatte mit der Gesundheit der Trauben. Hier und da gab es Sonnenbrandschäden und etwas Befall mit Oidium, also Mehltau. Ein Problem hätte laut Weiss die Kirschessigfliege werden können. Vor allem beim Dornfelder. Doch bevor die fiese Fliege die Trauben anfressen konnte, waren diese schon komplett geerntet worden. Anders als 2016 schlug auch die Essigfäule dieses Jahr an den Hängen nach Leutershausen hin und rund um die Strahlenburg nicht zu. So ist Weiss jetzt gespannt, was aus den Mosten wird. Besonders auch von den weißen Burgundersorten und dem Riesling verspricht er sich Einiges.

"Ich glaube, nach dem Rotweinjahrgang 2018 haben wir jetzt ein Weißweinjahr", vermutet Staub. Er prognostiziert fruchtige Tropfen. Seine Winzer waren in diesem Herbst noch mal vier Tage früher dran als ihre Schriesheimer Kollegen - und doch später als im vergangenen Jahr mit seinen Hitzerekorden. Die Heppenheimer zockten noch ein wenig mit der Reife, setzten auf weitere warme Tage, um dann genau wie die Winzer aus der badischen Nachbarschaft zur Monatsmitte die Erntemengen zu steigern. Doch auch sie mussten sich anpassen: "Anfangs war bei uns alles sehr gesund, doch durch die Feuchtigkeit hatten wir schon etwas Fäulnis", so Staub.

Und auch die Aussichten auf Regentage erzwangen nicht selten ein hohes Lesetempo: "Das war schon eine Herausforderung", so der Heppenheimer Geschäftsführer. Gerade für die Winzer, die ihre Weinberge in den Hanglagen im Schatten der Starkenburg haben. Wenn dort schwere Schauer niedergingen, war es für den Vollernter schwer, durch die Reihen zu fahren. Werner Bauer hat so eine Erntemaschine. Der Vorstandschef der "Winzer von Baden" eG in Wiesloch und Winzer vom Heidelberger Dachsbuckel klingt in seiner Herbstbilanz etws anders als seine Kollegen von der Bergstraße. Was daran liegen mag, dass seine Genossenschaft erst viel später, nämlich Anfang Oktober in die Lese einstieg - gemäß der Faustregel 100 Tage nach der Rebblüte: "Wir hatten anfangs wunderschöne Tage." Und bis zuletzt keine Probleme mit der Traubengesundheit: "Wir hatten ja kühle Nächte." Doch auch die "Winzer von Baden" müssen mit bis zu 20 Prozent Ertragseinbuße leben - je nach Sorte. Dafür erwartet Bauer einen unproblematischen Ausbau und am Ende Weine mit schöner Säure und kräftiger Struktur. Dass im Kraichgau anders als unweit an der Bergstraße auch reichlich Spätlesen mit hohen Mostgewichten gelesen wurden, mag auch so eine Laune der Natur sein.

Gestern jedenfalls hat Bauer mit seinem Vollernter in Hirschberg-Großsachsen noch Gewürztraminer eingebracht. Jetzt fehlt nur noch Sulzfeld. Hier hängt noch der letzte Spätburgunder. Doch an diesem Wochenende soll auch dieser gelesen werden. Dann ist der Herbst auch für die "Winzer von Baden" zu Ende. "Das Wetter soll ja schön werden", sagt Bauer.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung