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29.10.2019

"Ich will mir nicht allein eine Meinung bilden"

Erst 2014 trat Ulrike von Eicke (58) in die FDP ein - Im RNZ-Interview spricht die Chefin des Stadtverbands über Wünsche und Aufgaben

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Die Mitgliederzahl stabil halten, nicht allein Entscheidungen treffen: Die Ziele von Ulrike von Eicke, 58 Jahre alt, dreifache Mutter und Wirtschaftspädagogin als neue Vorsitzende des FDP-Stadtverbands wirken unspektakulär. Was Sie dennoch anders machen will als ihr Vorgänger, erklärt sie im RNZ-Interview.

Frau von Eicke, die Liberalen Frauen gegründet, zur Stadträtin gewählt, jetzt an die Spitze des FDP-Ortsverbands. Was kommt als Nächstes?
Dieses Aufgabenpaket fordert mich jetzt schon sehr heraus. Wenn ich das alles gut machen will, muss ich mich darauf konzentrieren, das auf sichere Füße zu stellen. Die Personaldecke bei der FDP ist ja nicht allzu üppig. Wenn ich diesbezüglich ein gutes Gefühl habe, werde ich mir Gedanken darüber machen, wie ich den zweiten Ratssitz für unsere Partei verteidigen kann.

Hätten Sie denn selbst damit gerechnet, dass das alles innerhalb von fünf Jahren Parteizugehörigkeit klappen kann?
Vom Ergebnis der Kommunalwahl bin ich überrascht worden. Am Abend der Bekanntgabe war ich gerade dabei, unsere Plakate abzuhängen, damit das keinen schlechten Eindruck macht. Dabei hat mir jemand gratuliert, dass ich es in den Rat geschafft habe. Die Gründung der Liberalen Frauen war aber ein bewusster Schritt - weil wir als Frauen eine eigene Plattform wollten. Das gibt uns immer noch viel Freiheit, Veranstaltungen anzubieten, zu denen nicht nur eigene Anhänger kommen. Vielleicht geht das alles aber auch deshalb schnell, weil wir als FDP so eine kleine Partei sind. Da bekommt man schnell Aufgaben, wenn man sich engagiert.

Die jüngste Veranstaltung der Liberalen Frauen war ein Filmabend zu unbekannten Heldinnen. Gehören Kommunalpolitikerinnen in diese Kategorie?
Das glaube ich nicht. Der Fokus der Öffentlichkeit liegt schon sehr auf den Frauen, wenn sie denn mal da sind und Verantwortung übernehmen. Aber wir müssen auch bereit sein zu sagen: Ich mache den Job. Wir haben bei Kandidaturen zum Beispiel das Problem, dass wir fast schon eine Beißhemmung entwickeln, wenn sich auch ein Mann bewirbt. Dann sagen Frauen schnell: Der kann das ja machen.

Kam der Impuls für den Stabwechsel von Ihnen oder von Ihrem Vorgänger Ingo Kuntermann?
Das kommt darauf an, wie Sie Impuls definieren. Herr Kuntermann war zehn Jahre und zehn Tage Vorsitzender der Schriesheimer FDP und hatte schon angekündigt, dass er langfristig nicht mehr zur Verfügung steht. Als dann klar war, dass er sich zurückzieht, habe ich mich beworben. Ich hatte schon im Wahlkampf Ideen, wie wir uns als FDP vielleicht noch verbessern könnten. Und dann habe ich gedacht, ich versuche das mal. Aber allein kann ich das nicht leisten. Das hat auch mein Vorgänger bei seinem Amtsantritt 2009 schon so gesagt.

Wo kann sich die FDP verbessern?
Zum Beispiel bei so einfachen Dingen wie der Homepage. Wir können nicht die Partei der Digitalisierung sein und gleichzeitig im Internet einen Auftritt aus der Steinzeit haben. Glücklicherweise hat dazu der FDP-Landesverband eine Art Baukastensystem zur Verfügung gestellt, das wir nur mit Inhalten füllen müssen. Außerdem wollen wir uns vor den Gemeinderatssitzungen mit interessierten Bürgern treffen und über die Themen auf der Tagesordnung diskutieren. Ich will mir nicht allein eine Meinung bilden. Außerdem wünsche ich mir bei der FDP mehr Gemeinschaftsgefühl, zum Beispiel auch durch gemeinsames Feiern. Es soll Spaß machen, sich bei uns einzubringen.

Wer hätte denn Spaß daran, künftig im Mitteilungsblatt zu schreiben?
Wenn es genügend Mitglieder gibt, die Lust haben, könnte ich mir ein Redaktionsteam vorstellen. Das muss ich nicht selbst machen oder kontrollieren, solange es nicht in Pamphleten ausartet, die ich nicht verantworten kann.

Welches Thema würden Sie im Gemeinderat gern auf der Tagesordnung sehen?
Herr Kuntermann hat sich sehr für einen Bürgersaal stark gemacht, den Wunsch teile ich. Renate Hörisch-Helligrath von der SPD hat sich auch dafür ausgesprochen. Um die KGS-Aula entsprechend auszubauen, müssten wir aber Spenden sammeln - und dazu ganz Schriesheim aktivieren. Das ist eine einmalige Chance im Zuge der Sanierung. Betteln mag niemand, aber das wäre unsere Aufgabe. Darüber hinaus würde ich mir eine Überarbeitung der Bebauungspläne aus den 60ern und 70ern wünschen.

Bei der jüngsten Gemeinderatssitzung haben Sie zu Anfang Ihres Redebeitrags zunächst die Grußformeln vergessen. Ein Versprecher oder typisch für Sie?
(lacht) Das passt schon zu meiner Persönlichkeit, ich komme gern direkt zum Thema. Aber mit zunehmender Routine werde ich das verinnerlichen. Nur drei Seiten Manuskript werde ich nie vorlesen. Vielleicht sollten wir stattdessen mal über eine Sanduhr für Redebeiträge im Rat nachdenken. Es muss sich ja nicht jeder profilieren. Vier Stunden für eine Sitzung am Mittwochabend - da ist es schwierig, Frauen, vor allem Mütter, für politisches Engagement zu gewinnen.

Was hat Sie an der Arbeit im Rat überrascht?
Wie viel Sachkenntnis nötig ist. Ich besuche jetzt Kurse zu Bau- und Haushaltsrecht, damit ich eine Ahnung habe. Und auch, wie viel wir nicht mitgestalten können: Für einen großen Teil der Themen sind Landkreis oder Regierungspräsidium zuständig.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung