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14.12.2019

So geht es im Solarpark-Streit weiter

Grüne drängten auf Fotovoltaikanlagen an A5 - Andere Fraktionen taten sich schwer - Jetzt sollen Landwirte gehört werden

Von Marco Partner

Schriesheim. Dass die Energiewende kommen muss und auch Schriesheim seinen Beitrag dazu zu leisten hat, darin ist sich die große Mehrheit im Gemeinderat einig. Nur über das Wie und vor allem über das Wann scheiden sich die Geister.

Ein Beispiel ist die geplante Fotovoltaik-Freiflächenanlage unweit der Autobahn A5: Ginge es nach der Grünen Liste, könnte man sofort mit dem Bürger-Solarpark beginnen. Die anderen Fraktionen fühlen sich hingegen noch im Unklaren. Schließlich legen viele Landwirte ihr Veto gegen das Projekt ein.

"Wir wollen die Energiewende. Und wie wollen sie nicht nur in Berlin oder Stuttgart, sondern hier. Irgendwo muss sie ja umgesetzt werden", erinnert Christian Wolf (Grüne Liste) an Windraddiskussionen und daran, dass die Vorhaben oft plausibel klingen, meist jedoch an der Praxis, am Aber-doch-nicht-vor-meiner-Haustür-Denken scheitern. Bereits im November 2018 stimmte das Gremium bei einer Gegenstimme für das Solar-Projekt. Dann protestierten die Landwirte und beklagten Ackerland-Verluste. Seitdem sei nichts passiert.

Laut Verwaltung wird das geplante Projekt bereits mit dem Nachbarschaftsverband Heidelberg-Mannheim abgestimmt, es sei von einer grundsätzlichen Genehmigung auszugehen. Aufgrund der Kritik des Bauernverbands seien für Fotovoltaik-Freiflächenprojekte in der Region jedoch zunächst allgemeingültige Regeln aufzustellen, sodass kein "Wildwuchs" betrieben werden könne.

Mit dieser Aufgabe sei der Nachbarschaftsverband allerdings schon seit Februar 2018 betraut, so Wolf. "Niemand unternimmt etwas. Wir könnten jetzt ein Zeichen setzen, ein beschleunigtes Verfahren fordern, dass es sich nicht um Jahre verzögert. Sonst machen wir mit denen gemeinsame Sache, die den Klimawandel leugnen", betont Wolf.

Denn die Standards für Freiflächenanlagen seien per Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eigentlich klar geregelt. Neben Konversions- und versiegelten Flächen könnten sie auf Bereichen längs der Autobahnen und Bahnschienen gebaut werden.

"Wir können dennoch nicht zustimmen", erklärt Frank Spingel (CDU). Denn bei einem Vor-Ort-Termin im vergangenen Jahr habe man von "falschen Vorzeichen" ausgehen müssen. "Wir dachten, die Fläche liege brach, aber es werden dort wohl landwirtschaftliche Erzeugnisse angebaut", so der Christdemokrat.

Das korrigiert Wolf: Die Fläche werde nicht mehr bewirtschaftet, der Grundstückseigentümer sei mit dem Vorhaben einverstanden, per Ringtausch hätten die Landwirte andere Ackerflächen gepachtet. "Die protestierenden Bauern sind nicht die Eigentümer. Sie beschweren sich eher darüber, dass durch den Flächenverlust EU-Zuschüsse und Anbaumöglichkeiten verloren gehen."

Dennoch will die CDU laut Spingel zunächst alle Betroffenen anhören, mit dem Naturschutzbund und dem Bauernverband sprechen, ehe sie sich entscheidet. "Gerade die Landwirte haben auf ihren Häusern, Scheunen und Lagerflächen Fotovoltaik-Anlagen errichtet. Sie sind Vorreiter in Sachen erneuerbare Energien", so der Christdemokrat. Ähnlich sehen es die anderen Fraktionen. "Wir wollen erneuerbare Energien, wo es möglich ist. Aber die Anlage muss auch auf breite Akzeptanz stoßen", so Gabriele Mohr-Nassauer (SPD).

"Die Fläche wäre ideal, auch eine Bepflanzung darunter scheint möglich. Es ist besser als Windräder im Odenwald", zeigt sich Ulrike von Eicke (FDP) grundsätzlich sehr angetan. Und will dennoch nichts überstürzen. Letztlich finden Grüne, CDU, SPD und FDP bei 21 Stimmen zum Konsens, dass man alle Beteiligten zu Wort kommen lassen, im Frühjahr aber schon einen großen Schritt weiter sein möchte.

Die anderen drei Fraktionen lehnen bei insgesamt acht Gegenstimmen den Solarpark ab. "Wir wollen keine Solaranlagen auf fruchtbarem Boden. Dieser ungebremste Flächenverbrauch darf so nicht weitergehen", betont Jutta Becker (Freie Wähler).

"Die Landwirte haben gerade genug Sorgen. Wir benötigen Solaranlagen auf Dächern und nicht auf Äckern, da müsste in Schriesheim noch viel möglich sein", findet Liselore Breitenreicher (Bürgergemeinschaft). Diese Meinung vertritt im Vorfeld der Sitzung auch Landwirt Matthias Heberle: "Warum muss es unbedingt eine Freiflächenanlage sein?", wirft er in die Runde. Zunächst könnte man auf den Dächern im Gewerbegebiet nach Alternativen suchen.

Eine ganz andere Meinung vertritt hingegen AfD-Sprecher Thomas Kröber. "Die Fläche unter der Fotovoltaik-Anlage wird kaum nutzbar, sondern ökologisch tot sein. Eine Energiewende, ob Windrad oder Solaranlage, ist rechnerisch gar nicht möglich", befürchtet der Stadtrat.

HINTERGRUND
> Ein emotionaler Streit hat sich im Verlauf der Solar-Park-Debatte zwischen Jutta Becker (Freie Wähler) und Christian Wolf (Grüne Liste) entfacht. Man dürfe "unter dem Deckmantel von Klima- und Artenschutz keine Eigeninteressen unterstützen", erklärt Becker in der Ansprache. Zumindest versteht es Wolf so. Er reagiert gereizt. "Eine bodenlose Unverschämtheit. Du müsstest wissen, dass es uns Grünen als unverbesserliche Idealisten wirklich um die Energiewende und nicht um eine persönliche Bereicherung geht", echauffiert sich Wolf. Bei der Solaranlage handelt es sich um ein sogenanntes Crowdfunding-Projekt. Bürger haben die Möglichkeit, den Bau der Anlage mitzufinanzieren, im Umkehrschluss werden sie nach Inbetriebnahme an den Einnahmen beteiligt. Viele Bürger würden bereits Interesse am Finanzierungsprojekt zeigen, daher kämen die Grünen gar nicht auf die Idee, persönlich mitzuwirken, so Wolf. Becker nimmt der Debatte im Anschluss den Wind aus den Segeln. "Ich habe Einzelinteressen und nicht Eigeninteressen gesagt und die Interessen des Investors gemeint", betont sie. mpt

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung