Schriesheim im Bild 2023

27.06.2004

Die Jungen gingen wie die Wilden zur Wahl

Rathaus-Spitze hat die Kommunalwahl analysiert - Viel panaschiert

Schriesheim. (ron) Die Schriesheimer haben die Vorzüge der Kommunalwahl so richtig ausgenutzt. "Die Panaschierung war voll im Gange", freute sich jetzt Bürgermeister Peter Riehl über das aufgeklärte Wahlverhalten seiner Bürger am vorletzten Sonntag. Die Rathaus-Spitze hat das Wahlverhalten sehr genau ausgewertet.

Peter Riehl ist ein Mann der bildhaften Komplimente, die man erst auf den zweiten Blick als wirklich liebenswürdig versteht: "Meine Leute", beschrieb er, "sind wie Zahnpastatuben, man braucht nur einmal anzudrücken, schon kommt alles raus". Sie seien "spitze", lobt der Rathauschef und meint damit seine Amtsleiter Edwin Schmitt, Willy Philipp und Volker Arras. Die drei haben den Bürgermeister mitterweile mit kiloweise Papier überhäuft, mit dem sie genau sagen können, wie Schriesheim gewählt hat. Riehl hat daraus einige Schlüsse gezogen, die er bei einer Pressekonferenz bewertete:

Die Jungwähler. Mit fast 60 Prozent ist die Wahlbeteiligung bei den Jung- und Erstwählern (also den etwa 20-Jährigen) enorm hoch (s. Grafik). Riehl schließt daraus, dass besonders die jungen Kandidaten der Listen ihre Wähler besonders gut mobilisieren konnten. Interessanterweise liegt der Spitzenwert der Wahlbeteiligung bei den etwa 70-jährigen Wählern (fast 70 Prozent), erschreckend wenig 25- bis 40-Jährige sind zu den Urnen gegangen, nämlich teilweise weniger als 40 Prozent. Riehls Schluss: "Da hat man sich am wenigsten gekümmert."

Das Panaschieren. Kaum ein Wahlzettel wurde unverändert abgegeben, fast alle Wähler haben Kandidaten mehrerer oder aller Listen gewählt. Das führte zum Beispiel dazu, dass die FDP-Stadträtin Dr. Birgit Arnold von Wählern anderer Parteien mehr Stimmen erhalten hat als von den Liberalen selbst.Übrigens fanden Wählerwanderungen in allen Richtungen statt, das hat Kämmerer und Computerfreak Volker Arras herausgefunden. Selbst auf den CDU-Wahlscheinen tauchten somit zahlreiche Grüne auf.

Die Knappheit. "Jede Stimme hat bei dieser Wahl gezählt", hat Riehl festgestellt. Sein Paradebeispiel Altenbach: Wenn der nicht mehr wiedergewählte SPD-Stadtrat dort nur 30 Stimmen mehr bekommen hätte, wäre er wieder am Ratstisch vertreten. Dann hätte die FWV/AL in Altenbach keine zwei Sitze bekommen - und dann hätte es wiederum im Gemeinderat keine Ausgleichssitze gegeben. Freie Wähler und Grüne hätten dann jetzt sechs Sitze statt sieben: kleine Ursache, große Wirkung. Riehl verhehlt im Übrigen nicht: "Es ist für mich eine ganz schlimme Tendenz, dass die Leute aus den Vereinen so wenig Stimmen auf den Listen bekommen haben."

Die Zukunft. "Ich habe null Probleme damit, wenn junge Leute und neue Stadträte von einem frischen Wind reden", sagt Riehl und demonstriert, dass er sich "auf die Zusammenarbeit mit dem neuen Gemeinderat freut". Die neuen Leute müssten sich freilich "mit ihren neuen Ideen im Gremium integrieren". Als beleidigend habe er allerdings die Aussage empfunden, im jetzigen Gemeinderat seien "Strukturen verkrustet". Riehl: "So eine Einstellung ist überheblich." Er appellierte an die Räte, auf Parteipolitik zu verzichten und das "Regierungs- und Oppositionsdenken abzulegen, das hat nämlich in einem Gemeinderat nichts zu suchen". In Anspielung auf einen Ratschlag von CDU-Chef Georg Wacker entgegnete Riehl: "Ich werde auch nach wie vor nicht moderieren, sondern versuchen, Ergebnisse zu erzielen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung