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16.01.2020

Schriesheimer Streitgespräch: Fridays for Future trifft Junge Union (plus Klima-Quiz)

Schriesheimer Streitgespräch: Fridays for Future trifft Junge Union (plus Klima-Quiz)

Marieke Wölfer hat mit 14 ihre erste Demo organisiert, Niklas Binder (21) ist in die CDU eingetreten. Aber warum eigentlich?

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Die eine würde für den Protest auf der Straße Klassenbucheinträge in Kauf nehmen, der andere hat sich mit 20 um einen Sitz im Gemeinderat beworben: Marieke Wölfer, 14, und Niklas Binder, 21, wohnen beide in der gleichen Kleinstadt. Er ist auf dieselbe Schule gegangen wie sie und beide engagieren sich in der Politik – aber auf entgegengesetzten Seiten.

Marieke hat im Sommer die erste "Fridays for Future"-Demo in Schriesheim organisiert, Niklas ist seit Oktober Vorsitzender der Jungen Union in Schriesheim. Wir haben mit ihnen über Klimaschutz, Vorurteile und den Umgangston in der Politik gesprochen.

Niklas: Unabhängig vom Klimaschutz geht es uns im Moment gut in Deutschland. Wir sind im Vergleich zum Rest der Welt wohlhabend, deswegen müssen wir uns um die Zukunft eigentlich keine Sorgen machen. In Sachen Klimaschutz denke ich auch nicht, dass es schon kurz vor Zwölf ist. Wenn wir so weitermachen, könnte das passieren. Aber Panik hilft keinem weiter.

Marieke: Das mit der Panik war natürlich sehr medienwirksam. Aber es geht darum, dass wir uns wirklich darum sorgen und jetzt handeln. Es wird in Zukunft durch den Klimawandel für uns schwieriger, auf diesem Planeten zu leben. Wir machen uns unseren eigenen Lebensraum kaputt. Da kommen Probleme auf uns zu, von denen wir jetzt noch gar nichts wissen.

Marieke, Du gehst deswegen seit März 2019 freitags regelmäßig auf die Straße. Bist Du in der Schule dafür bestraft worden?

Marieke: Unsere Klassenlehrerin hatte nichts dagegen. Aber andere Lehrer finden das nicht gut, eine Freundin von mir hat auch schon Konsequenzen angedroht bekommen. Wir schauen jetzt mal, wie das in diesem Jahr weitergeht.

Würdest Du bei einer Strafe in der Schule denn nicht mehr demonstrieren gehen?

Marieke: Ein Klassenbuch-Eintrag wäre nicht schlimm. Meiner Freundin wurden härtere Strafen angedroht, da würde ich mir dann schon ernsthaft Gedanken machen. Aber ganz aufhören würde ich mit dem Demonstrieren nicht.

Niklas, für welches Thema würdest Du auf die Straße gehen?

Niklas: Wenn unsere Freiheiten oder Werte wie Gleichberechtigung in Gefahr wären. Ich würde wahrscheinlich auch für Klima- und Umweltschutz auf die Straße gehen – aber nur, wenn ich das Gefühl hätte, dass sich in der Politik nichts mehr tut. Aber das sehe ich nicht so. Die Situation ist meiner Meinung nach auch noch nicht so dramatisch, wie das oft von "Fridays for Future" behauptet wird.

Marieke:Ich denke schon, dass wir ziemlich unter Zeitdruck stehen. Wir müssen ja nicht darauf hinarbeiten, dass dieser Druck noch größer wird. Deshalb will ich jetzt auf die Straße gehen. Dass das Thema jetzt in der Politik so wichtig geworden ist, liegt ja gerade daran, dass so viele Menschen auf die Straße gehen.

Niklas, wieso hast Du Dich denn mit 19 entschieden, in eine Partei einzutreten?

Niklas:Ich bin im Alter von 14 Jahren in den Jugendgemeinderat gewählt worden und habe mich dort vier Jahre lang engagiert. Das hat mir Spaß gemacht: Anträge an den Gemeinderat zu verfassen, dort vorzutragen und die Umsetzung von Projekten zu begleiten. Wir haben zum Beispiel Fitnessgeräte am Sportzentrum aufstellen können. Als ich älter geworden bin, wollte ich mich weiter in der Kommunalpolitik einbringen und bin in die CDU eingetreten.

Habt Ihr das Gefühl, dass Ihr mit Euren jeweiligen Forderungen in der Politik ernstgenommen werdet?

Marieke: "Fridays for Future" als Bewegung wird schon ernstgenommen. Aber ich als Demonstrantin werde oft komisch von Passanten angeguckt.

Niklas: Es wird immer ältere Leute geben, die denken, dass wir nicht genug Lebenserfahrung haben, um mitzubestimmen. Am Anfang muss man sich oft erst einmal Aufmerksamkeit verschaffen. Aber auch in den Parteien haben viele gemerkt, dass man jungen Leuten zuhören muss, um Nachwuchs zu gewinnen. Ob das dann umgesetzt wird, ist natürlich wieder eine andere Frage.

Wie reagieren Eure Freunde und Bekannte, wenn Ihr von Eurem politischen Engagement erzählt?

Niklas: Ich habe mir vor allem als Jugendgemeinderat dumme Sprüche anhören müssen. "Ihr macht doch eigentlich gar nix", kam oft. Oder: "Ihr verschwendet nur Steuergelder." Vorher hatte der Jugendgemeinderat auch lange zu wenig in der Öffentlichkeit getan. Aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt. Und meine Parteimitgliedschaft wird meistens zur Kenntnis genommen und dann nicht weiter darüber geredet.

Marieke: Einige sagen: "Ihr geht da doch nur zum Schwänzen hin." Aber viele in meiner Schule wissen inzwischen, dass es mir einfach wichtig ist, für unsere Zukunft zu kämpfen. In Schriesheim haben wir ja zum Beispiel auch nachmittags demonstriert, also außerhalb der Unterrichtszeit.

Habt Ihr Vorbilder in der Politik?

Niklas:Nein. Ich verfolge die Bundes- und Landespolitik schon lange, und irgendwann habe ich mich selbst einbringen wollen. Aber eine konkrete Person als Vorbild gab es da nie.

Marieke: Greta Thunberg hat diese Bewegung ja gestartet. Und ich bin darauf gekommen, auch zu demonstrieren, weil ich sie so oft in der Zeitung gesehen und dann die Artikel gelesen habe. Insofern ist sie schon ein Vorbild. Ich will aber nicht genau so werden wie sie – und ich mache das nicht wegen ihr. Ich demonstriere, weil mir das Thema wichtig ist.

Was nervt Euch an der Diskussion um den Klimaschutz am meisten?

Niklas: Das Thema polarisiert und spaltet die Gesellschaft. Dazu hat Greta Thunberg mit Sätzen wie "Ihr habt mir meine Kindheit gestohlen" auch beigetragen. Wenn man zu sehr von dieser Haltung abweicht, wird man schnell von irgendjemandem in eine Ecke gestellt. Es gibt nur dafür oder dagegen, sonst nichts. Das hilft doch niemandem.

Marieke: Ich finde es schlimm, dass wir über den Klimawandel an sich überhaupt noch diskutieren. Es gibt diesen Klimawandel, das wurde schon so oft nachgewiesen! Ich kann verstehen, dass es Niklas stört, wenn dieses Thema so emotional und vielleicht auch übertrieben dargestellt wird. Aber es muss auch klar werden: Wir müssen jetzt handeln.

Niklas: Aber dafür brauchen wir doch vernünftige Lösungen! Und das habe ich von Greta Thunberg noch nie gehört. Wir brauchen da Kompromisse. Dass es Klimaschutz nicht umsonst gibt, ist klar. Aber von Heute auf Morgen fossile Brennstoffe im Energiemix wegzulassen, geht einfach nicht.

Marieke: Das fordern wir ja auch gar nicht. Wir wollen den Ausstieg aus der Kohle bis 2030. Aber wir kämpfen dafür, dass die Politik in allen Bereichen auf das Ziel der Klimaverträglichkeit ausgerichtet wird.

Niklas: Aber dafür brauchen wir auch andere Lösungen. Dass Donald Trump zum Beispiel einfach das Pariser Klima-Abkommen aufkündigen kann und es dafür keine Strafe gibt, geht eigentlich gar nicht. Ich will die deutsche Rolle nicht kleinreden, aber wir müssen auch andere Länder dazu bringen, mitzumachen.

„Wenn man nur motzt, ändert sich nichts“, sagt Niklas Binder. „Das ist zwar eine Standard-Antwort, stimmt aber.“ Foto: Dorn

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung