Schriesheim im Bild 2023

14.02.2020

Stadt schloss erstmals ein Kind vom Kindergarten aus

Stadt schloss erstmals ein Kind vom Kindergarten aus

Vorgesehen ist dies nur im äußersten Notfall und bei "nachhaltiger Gefährdung anderer Kinder oder des Personals". Diesmal war es soweit.

Grundsätzlich haben Eltern einen Rechtsanspruch auf Betreuung ihrer Kinder. Bei einer nachhaltigen Gefährdung von anderen kann es aber zu einem Ausschluss kommen – wenn andere Mittel nicht greifen. Symbolbild: Dorn

Von Frederick Mersi

Schriesheim. Die Nachricht ereilte die Eltern wenige Wochen vor Weihnachten: Ihr Kind werde mit sofortiger Wirkung aus dem Kindergarten ausgeschlossen, teilte die Schriesheimer Stadtverwaltung in einem zweiseitigen Schreiben mit. Es ist das erste Mal, dass die Stadt zu diesem Mittel greift. "Das tun wir nur bei einer nachhaltigen Gefährdung der anderen Kinder oder des Personals", sagt Hauptamtsmitarbeiter Robert Eszterle. "Von jetzt auf nachher kann das nicht passieren."

Denn grundsätzlich haben Eltern einen Rechtsanspruch auf Betreuung ihrer Kinder, wie Silke Hartmann, Sprecherin des Landratsamtes Rhein-Neckar-Kreis, betont. Das gelte gerade auch für Kinder mit Krankheiten oder Einschränkungen. "Daher sollte ein Ausschluss auf jeden Fall vermieden werden und vorher in Gesprächen zwischen allen Beteiligten schwerwiegende Probleme erörtert und Lösungen gefunden werden."

Doch bei der gemeinsamen Betreuung von Kindern mit und ohne Förderbedarf kann es immer wieder zu Problemen kommen. Oft müssen Kindergärten zumindest eine Zeit lang den zusätzlichen Aufwand selbst stemmen. Zwar werden Eltern schon beim Antrag eines Platzes gefragt, ob das Kind wegen Einschränkungen zusätzliche Betreuung braucht. "Aber oft stellt sich dieser Bedarf auch erst in der Einrichtung selbst heraus", sagt Eszterle. Hinzu kommt: "Wir haben insgesamt einen Fachkräftemangel bei pädagogischem Personal in Kindergärten." Inzwischen hat die Stadt Schriesheim eine Kindergarten-Begleitung fest angestellt. "Weil wir immer irgendwo Bedarf haben", sagt Eszterle. Zudem gebe es eine Kooperation mit dem Luise-Scheppler-Heim in Heidelberg, das einen Personal-Pool stelle. "Aber das klappt nicht immer von jetzt auf gleich."

Wie viel zusätzliche Betreuung ein Kind mit Einschränkungen braucht, legt das Sozialamt des Kreises nach Rücksprache mit dem Kreisgesundheitsamt fest. "Die Eltern können dort auch Gutachten von Kinderärzten und medizinischen Einrichtungen vorlegen", so Eszterle. Im Schriesheimer Fall hatte das Kreissozialamt anteilig sowohl eine ungelernte als auch eine pädagogisch ausgebildete Begleitung für das Kind zugeteilt. "Wenn das nicht geleistet werden kann, müssen die Betreuungszeiten verkürzt werden", so Eszterle.

Gibt es dennoch Probleme, greifen die Träger von Kindergärten im Rhein-Neckar-Kreis auf einen seit 2007 gültigen Maßnahmenkatalog des Jugendamts zurück: Erst wird der Fall anonym einer erfahrenen Fachkraft geschildert, dann werden die Eltern miteinbezogen und Lösungsmöglichkeiten erarbeitet. Verbessert sich die Situation nicht, wird das Jugendamt verständigt.

All das sei auch im Schriesheimer Fall geschehen, betont Eszterle. Parallel habe man aber letztlich einen Ausschluss aus dem Kindergarten diskutiert, "auch wenn das die absolute Ausnahme bleiben sollte". Die Eltern haben beim Landratsamt schon Anfang Dezember Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt – mit der Begründung, dass dadurch die Zukunft ihres Kindes in Gefahr sei.

Direkte Konsequenzen habe ein Kindergarten-Ausschluss auf den Besuch einer Regelschule aber nicht, betont Kreissprecherin Silke Hartmann. "Gibt es bereits im Kindergarten Anhaltspunkte für einen besonderen Förderbedarf, dann wird dies von den Schulbehörden geprüft und geklärt, welches der geeignete Beschulungsort ist."

Was die unmittelbare Betreuung im Kindergartenalter angeht, seien aber grundsätzlich nur die Förderungen in Tageseinrichtungen vorgesehen, so Hartmann. "In Ausnahmefällen kann auch für diese Altersgruppe eine Betreuung in Tagespflege angedacht werden." Hilfe können sich Eltern bei sonderpädagogischen Beratungsstellen holen.

Einen Wegweiser hierzu gibt es im Internet unter www.rhein-neckar-kreis.de/start/landratsamt/aif.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung