Schriesheim im Bild 2023

03.04.2020

Corona ist nun wirklich überall: Schriesheimer stranden in Neuseeland

Corona ist nun wirklich überall: Schriesheimer stranden in Neuseeland

Manfred Görk berichtet von seinem Zwangsaufenthalt, der eigentlich ein Traumurlaub werden sollte

Lange Schlangen vor, nicht im Supermarkt: Diese Eindrücke aus Auckland hat Manfred Görk der RNZ gesandt. Foto: zg

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Manfred Görk und seine Frau Yanping Ma gehören zu den 12.000 Deutschen, die gerade in Neuseeland gestrandet sind. Am Donnerstag hieß es, die Bundesregierung wolle sie nun endlich heimholen. Für die RNZ schreibt Görk, den man in Schriesheim als China-Experten kennt, wie es ihm in dem Inselstaat ergangen ist.

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"Meine Frau und ich brachen am 2. März zu einer sechswöchigen Reise nach Neuseeland auf. Als wir losfuhren, nahmen die Corona-Zahlen in Mitteleuropa deutlich zu, Neuseeland hatte vier Infizierte. So genossen wir herrliche drei Wochen mit dem Mietwagen auf der Südinsel. Die Zahl der Infizierten hier stieg leicht auf neun, dann auf zwölf. Das reichte der Regierung schon aus, um die Alarmstufe 2 (von 4) auszurufen. Erste Einschränkungen des öffentlichen Lebens gab es, waren aber für Touristen noch nicht zu spüren. Die Zahl der Infizierten war auf 75 gestiegen, da wurde plötzlich am 23. März Alarmstufe 3 und für den 26. März die höchste Stufe 4 (und damit auch der nationale Notstand) ausgerufen. Polizei und Militär haben weitreichende Kompetenzen, die Einhaltung der Restriktionen durchzusetzen. Das war das Ende des selbstbestimmten Reisens. ,Stay at Home’ (,Bleib’ zuhause’), hieß es. Oder: ,Verhalten Sie sich so, als seien Sie selber infiziert.’

Wir sind rechtzeitig vor der Ausgangssperre in einem Motel am Flughafen Auckland angekommen, wie viele andere auch. Im Landesinneren waren die meisten Hotels, Restaurants, Geschäfte bereits geschlossen. Viele andere Deutsche und andere Reisende aus dem Ausland sitzen seitdem irgendwo über die beiden Inseln verstreut fest, da Reisen im Land nicht mehr erlaubt sind. Acht Tage haben wir schon in dieser Isolation verbracht. Große Hoffnung kam auf, als von der Botschaft eine groß angelegte Rückholaktion angekündigt wurde. Jeder solle sich in eine Liste eintragen, damit die Botschaft die Flüge planen könne. Air New Zealand wurde als Partner dafür gewonnen. Bei Facebook bildeten sich Gruppen, in denen neue Informationen oft früher kommuniziert wurden als von der Botschaft selbst.

Als am Samstag, 28. März, tatsächlich eine Lufthansa-Maschine die ersten 400 Gestrandeten von Auckland über Tokio nach Frankfurt flog, war überall Zuversicht zu spüren, die jäh zunichtegemacht wurde, als Jacinda Ardern, Neuseelands Premierministerin, plötzlich die ganze Aktion stoppte. Offizielle Begründung: Seitens der Organisatoren müsse eine klare Strategie vorgelegt werden, mit der sichergestellt werde, dass bei der ganzen Aktion kein einziger neuseeländischer Bürger gefährdet werde. Bisher ist die Aktion nicht wieder aufgenommen worden. Über die wahren Motive kann man nur spekulieren.

Was können die Wartenden tun? Wir dürfen zum nächstgelegenen Supermarkt gehen. Dort sind ausreichend Waren vorhanden, und man fühlt sich sicher, da nur eine kleine Zahl von Einkaufenden gleichzeitig im Laden sein darf. Das Warten dauert dann schon mal 45 Minuten, macht aber nichts, denn wir haben Zeit. Im Motel haben wir eine Küche, wir können uns gut verpflegen. Kleine Spaziergänge in der unmittelbaren Umgebung sind auch erlaubt. Zum Glück gibt es gleich neben den Hotels hier ein großes Naturschutzgebiet, und wir machen jeden Tag einen langen Spaziergang. Dabei sieht man auch andere Ausländer, Familien, Paare oder Einzelpersonen, keine Gruppen. Man hält großen Abstand, geht sich aus dem Weg, aber wechselt doch ein paar Worte. Anfangs Worte der Hoffnung, jetzt Worte des Ärgers. Die Rückholung funktioniert aus allen anderen Ländern, warum nicht aus Neuseeland?

Im Motel ist es still. Die meisten schlafen lange und gehen erst um 10 Uhr vor die Tür. Ein kurzer Plausch mit dem Nachbarn: Unverständnis über das Missmanagement des Heimholens, das war’s. Auf Facebook liest man von Leuten, die echte Probleme haben. Chronisch Kranke, die keine Medikamente bekommen, junge Paare mit Säuglingen, die langsam verzweifeln, junge Reisende, denen das Geld ausgeht. Alle warten darauf, dass sich Frau Ardern wieder dazu äußert. Selbst wenn es demnächst losgehen sollte, wird es lange Zeit dauern, bis alle zuhause sind.

Ich selbst habe angefangen, Erlebnisse und Befindlichkeiten aufzuschreiben. Wenn wir zurück sind, werde ich ein kleines Buch darüber veröffentlichen."

Manfred Görk mit Maske. Foto: zg

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung