Schriesheim im Bild 2023

16.06.2020

Familie Krämer bewirtschaftet den Weinberg direkt über der Branichtunnel-Einfahrt

Premium-Reben für eine Premium-Lage- Hier gedeiht seit 2017 Gewürztraminer

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Dieser Weinberg ist besonders, denn unter ihm rauschen jeden Tag gut 11.000 Fahrzeuge durch: der Wingert direkt am Eingang zum Branichtunnel. Mögen auch andere Lagen dem Namen nach bekannter sein, aber diese 16 Terrassen, die Winfried Krämer vor drei Jahren angelegt hat, kennen die meisten Autofahrer – auch wenn der Weinberg zum Kuhberg zählt.

Kurz nach der Eröffnung des Tunnels vor vier Jahren wurde die Fläche neu zugeteilt, Krämer hatte hier schon zwei Weinberge, dann pachtete er noch etwas dazu und rodete erst einmal die rund 30 alten Spätburgunder-Stöcke, die durch den edelsüßen Gewürztraminer ersetzt wurden. Für seine Tochter Christina Krämer ist das "ein Liebhabergrundstück": Hier können keine Maschinen eingesetzt werden, alles muss per Hand gelesen werden. Und ziemlich trocken ist es unterhalb vom Branich auch noch.

Aber Christina Krämer hadert noch mit etwas anderem: Hier wurden als Ausgleichsmaßnahme für den Tunnelneubau ausgerechnet Kirschbäume gepflanzt: "Das ist unverständlich, denn diese Bäume haben am Weinberg nichts verloren. Da hätte man sich vorher mit den Winzern mal absprechen sollen, was aber nicht geschehen ist." Das liegt vor allem an dem momentan für die Weinbauern wohl übelsten Schädling, der Kirschessigfliege. Die fiel 2014 zum ersten Mal über die Weinstöcke her und wütete besonders in den Dornfelder-Lagen.

Dieses Insekt ist auch der Hauptgrund, weswegen die Krämers, die auch Obstbauern sind, den Kirschanbau aufgegeben haben und sich nun auf Mirabellen und Zwetschgen konzentrieren, die sie in der Handschuhsheimer Außenstelle des Bruchsaler Obstgroßmarktes abliefern. Aber immerhin: Den "Branich­tunnel-Wingert" traf es bei den Kirschessigfliegen nicht so schlimm: "Er ist gut durchlüftet", weiß Christina Krämer.

Und so findet Winfried Krämer: "Das ist eine gute Lage", auch erste Resultate machten ihn zufrieden, immerhin bekam er für seinen Gewürztraminer, den er bei der Winzergenossenschaft abliefert eine Goldmedaille – und auch die Trauben vom Tunnel-Wingert hatten da ihren Anteil am Erfolg. Allerdings sind die Erträge noch nicht ganz so berauschend: Bei der ersten Lese waren es 30 Kilo pro Ar, im Jahr drauf 60 Kilo: "Das lag auch an den vielen Bienen, dass wir nicht so viel ernten konnten", sagt seine Tochter Christina. Denn im Gegensatz zum uneingeschränkt positiven Bild in der Öffentlichkeit haben die Winzer zu dieser Spezies ein zwiespältiges Verhältnis: Die Bienen lieben den zuckerhaltigen Saft der Trauben, und da sie deren Haut nicht durchbeißen können, nutzen sie die Fraßlöcher von Wespen oder Vögeln.

Und doch ist Winfried Krämer ein großer Freund dieser Tiere: Er säte auf vielen seiner Weinberge Blumen aus, aber auch auf einigen Brachflächen seiner Felder: "Wir Landwirte brauchen die Insekten und die Bienen", ist er überzeugt. Allein sieben seiner 30 Hektar Ackerland, die vor allem in der nördlichen Gemarkung Schriesheims liegen, hat er für die von der Europäischen Union subventionierten Blütenmischungen reserviert. Damit ist aber Krämers Engagement für die Umwelt noch nicht zu Ende: Auf die Dächer seiner Scheunen am Aussiedlerhof hat er seit dem letzten Jahr flächendeckend Solarzellen angebracht – und spart so stolze 500.000 Kilo des Klimakillers CO2 im Jahr.

Krämer bewirtschaftet als WG-Winzer 35 Hektar Weinberge vom Sandrocken bei Leutershausen bis zum Ölberg, und hat dabei das typische Schriesheimer Sortiment von Spätburgunder, St. Laurent und Dornfelder im Programm, neuerdings auch die pilzresistenten Sorten Cabernet und Souvignier Gris, Letztere wurde erstmals am Mittwoch bei der öffentlichen Weinprobe bei Krämers Nachbar, dem Obsthof von Karlheinz Spieß, präsentiert. Diese Neuzüchtungen haben den Vorteil, dass man sie weniger spritzen muss – wobei gerade Christina Krämer dieses Wort gar nicht mag und es konsequent durch "Pflanzenschutz" ersetzt. Aber auch ihr Vater Winfried weiß: "Ganz ohne Pflanzenschutz wird es im Weinberg nicht gehen."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung