Schriesheim im Bild 2023

26.07.2004

Neun Bands und 400 Zuschauer "Rock(en) im Busch"

"Four Sided Cube" feiern auf dem Gelände am Sportzentrum als Hauptact eine Riesenparty - "Lo Dost" überzeugen durch extrem dichten Sound und hervorragenden Gesang

Von Martin Wehner und Steffen Blatt

Schriesheim. Neun Bands in gut neun Stunden - diejenigen, die am Samstag von Anfang an beim "Rock im Busch" waren, erwartet ein Mammutprogramm. Den Anfang machen vier Newcomer, die den Beweis für die Lebendigkeit der Musikszene an der Bergstraße antreten.

Die Newcomer. Der undankbaren Part des Openers fällt "Fishkopp Tillmann", die klassische Rockelemente mit Einflüssen von Jazz und Pop verbinden. Eine interessante Mischung, aber noch deutlich ausbaufähig. Etwas frischer präsentieren sich "Potterblanc". Sie spielen größtenteils eigene Lieder mit deutschen Texten, die Frontfrau Constanze Lotter mit sichtlich viel Spaß intoniert. Das Zusammenspiel funktioniert sehr gut, auch wenn sich Lotters männliche Kollegen etwas zu wenig auf der Bühne bewegen. Insgesamt aber Daumen hoch für "Potterblanc". Wie lebendig die Szene an der Bergstraße ist, beweisen die erst acht Wochen alten Rocker der "Hurt Infants". Constantin Weber, gerade noch bei "Potterblanc" im Einsatz, schnallt auch bei den "verletzten Kindern die Gitarre um. Dass die keine Anfänger mehr sind, beweist ihre an Soundgarden und Pearl Jam erinnernde Darbietung. Sänger und Gitarrist Armin Paech klingt dabei wie Scott Weiland, wenn er in einer Hard Rock Band gesungen hätte und nicht bei den Stone Temple Pilots - der erste richtige Knaller des Tages. Zuhören lohnt sich auch bei dem Karlsruher Trio "Locomono". Die Mischung aus Funk und Rock macht Laune, selbst oder gerade weil die Musik selbst schwer irgendwo einzuordnen ist. Lässiger Gesang, der unvermeidlich mal an Pearl Jam erinnert, auch wenn der Sänger äußerlich mehr Francis Healy von Travis ähnelt und ein Bass, der genug Platz hat, um sich auszutoben Wer die drei verpasst hat, kann am 28. Juli im Heidelberger Schwimmbadclub vorbeischauen, da spielen die Jungs mit "Il Canto". Und allein ihre äußerst lässige Version von "Smells like Teen Spirit ist da die Fahrt schon wert.

Lo Dost. Schade! Diese amerikanisch-tschechische Co-Produktion hätte weiß Gott mehr Zuschauer verdient. Immerhin merken die wenigen Anwesenden, dass da etwas Großes passiert. Obwohl nur zu dritt, erzeugen Lo Dost einen extrem dichten Sound, der gerade deshalb sehr weit klingt. Augen zu machen und sich vorstellen, man sei gerade auf einem der großen, internationalen Festivals; denn da gehört die Band hin. Ian Kelosky, Sänger, Gitarrist und Kopf der Gruppe kann mit seiner Stimme wirklich alles anstellen, bis hin zum Falsett, und gehört wohl zu den Wenigen, die "I believe in a thing called love" von The Darkness covern dürfen. Selten sind 40 Minuten so schnell vorüber gegangen. "We're gonna get drunk now" verabschiedet sich die Band. Das haben sie sich auch verdient.

Variety. Kaum mal Mitte zwanzig gehören die Hemsbacher bereits zu den "Dinosauriern" der regionalen Szene. Seit acht Jahren halten sie durch und noch immer gibt es Poppunk für ein scheinbar nicht älter werdendes Publikum. Daran, dass so mancher jugendliche, weibliche Fan auf ihre Konzerte kommt, weil "der eine da doch so süß ist", sind sie selbst schuld. Textlich und musikalisch jedes Teenie-Klischee musikalisch bedienend, stößt so manchem Älteren in Sachen Stageacting die penetrante Animation sauer auf. "It's not a love song, it's a punk song" heisst es im letzten Refrain. Leider trifft das Gegenteil zu.

Schwarz auf Weiss. Ska-Punk aus Bremen. Mit einem Orgler und zwei Blechbläsern sind sieben Live-erfahrene Musiker auf der Bühne und trotzdem ist der Sound zum einzigen Mal an diesem Abend eine Katastrophe. Und die Band leidet darunter. Trotz wirklich charmanter Aufforderung zum Tanz wollen nur wenige Hartgesottene sich vor der Bühne bewegen. Dabei sind die deutschen Texte alles andere als belanglos und sowohl musikalisch als auch visuell können die Nordlichter überzeugen. Wenn man sie nur ordentlich hören könnte. 800 Kilometer Fahrt hätten wirklich mehr honoriert werden müssen.

Il Canto. Sicher, die vier Musiker können was. Sind ja alle auch schon ein bisschen älter und haben wohl Vorbilder, die sich sehen lassen können. Stone Temple Pilots fallen da unweigerlich ein. Die Frage, ob ihr Sound an dieser Stelle des Festivals richtig platziert war lässt sich beantworten, wenn man einen Blick über das Gelände wirft. Im hinteren Bereich gepflegte Unterhaltungen in größeren Gruppen, vor der Bühne gähnende Leere. Und auch wenn man es als Band verabscheut, sich gezwungen in Publikums-Animation zu üben, so ist keine Ansage auch eine Aussage. Zu selbstverliebt!

Four Sided Cube. Wo haben sich die Leute die ganze Zeit über versteckt? Kraft holen für das, was jetzt kommt? Nicht dass vorher niemand da war, aber nun versammelt sich wirklich alles vor der Bühne, um das zu zelebrieren, was die Organisatoren des Festivals sich wünschten und was sich die Band verdient hat: Ein Fest! Four Sided Cube rocken. Sorry, zwei Euro in die Phrasenkasse, aber: sie rocken! Und sie tun es mit einer Brillanz, Hingabe und Selbstverständlichkeit, die einen vor Vergnügen schaudern lässt. Selten klangen vier Musiker aus der Region so international. Und sie bewegen das Publikum: körperlich und emotional. Es gibt nur wenige Augenblicke, in denen Wunderkerzen auf Konzerten unpeinlich wirken! Heute Abend ist so ein Moment. Die (Fan-)Gemeinde feiert mit der Band eine Messe und besonders tut sie das für Gitarrist Niki, der vor der bösen, alten Musikerfrage steht: Band oder Beruf? Sie haben heute alles versucht, ihm die Entscheidung so schwer wie möglich zu machen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung