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15.07.2020

"Sprühschlampe": Spritz-Attacke auf junge Landwirtin bei Dossenheim

"Sprühschlampe": Spritz-Attacke auf junge Landwirtin bei Dossenheim

Mit einer unbekannten Flüssigkeit bespritzt - "So fühlen sich die Pflanzen, wenn sie vergiftet werden"

In diesem neu angelegten Weinberg bei Dossenheim wurde am Montag die Auszubildende Ann-Kathrin Haas (l.) von einem Fremden angegriffen. Auch ihre Chefin, die Winzerin und Obstbäuerin Christina Krämer (r.), ist fassungslos von der Tat. Foto: Peter Dorn

Von Micha Hörnle

Schriesheim/Dossenheim. Eine junge Auszubildende eines Schriesheimer Obst- und Weinbaubetriebs wurde am Ortsrand von Dossenheim von einem Unbekannten mit einer Flüssigkeit besprüht – um so gegen "Umweltgifte" im Weinberg zu protestieren.

Am Montagmorgen stand Ann-Kathrin Haas in einem neu angelegten Wingert in der Nähe der letzten Dossenheimer Häuser und heftete junge Rebstöcke an Stäbe an. Sie spritzte also an jenem Tag keineswegs irgendein Mittel. Dann kam ein älterer Mann auf sie zu, und sie fragte freundlich, ob sie ihm weiterhelfen könne. Der aber sagte nur: "Sie sind auch so eine Spritzschlampe und vergiften die Umwelt!" Sie wollte ihm gerade noch sagen, dass man im Weinbau sowieso keine Gifte, sondern nur Pflanzenschutzmittel verwendet und bot noch an, dass der Mann mit ihrem Chef telefonieren könnte, worauf der sagte: "Sie brauchen ihn nicht anrufen, der lügt auch nur." Weil der Unbekannte aggressiv und auch ein bisschen verwirrt wirkte, bat ihn Haas, die allein im Wingert war, darum, das Grundstück zu verlassen.

Nach dem Mittagessen stand sie wieder an derselben Stelle, hörte Musik per Ohrstöpsel und merkte nicht, wie sich derselbe Fremde ihr wieder näherte. Er tippte ihr auf die Schulter und sprühte ihr mit einer Plastik-Zerstäubungsflasche ins Gesicht. Die völlig überrumpelte Auszubildende fragte nur: "Was haben Sie mir da ins Gesicht gespritzt?", doch der antwortete knapp: "So fühlen sich die Pflanzen, wenn Sie sie vergiften."

Sie drohte, nun die Polizei zu rufen, worauf er nur sagte: "Dazu sind Sie zu feige. Ich war heute viermal am Weinberg, und da waren Sie nicht da und auch keine Polizei." Völlig aufgelöst flüchtete sich Haas in ihr Auto und rief ihre Chefin Christina Krämer an. Unterdessen flüchtete der Unbekannte in Richtung Schriesheim. Christina Krämers Vater, Winfried Krämer, fuhr sofort noch einmal die Strecke ab, entdeckte aber niemanden.

Ann-Kathrin Haas blieb nach der Sprühattacke äußerlich unverletzt: "Ich vermute mal, dass es nur Wasser war." Aber mitgenommen wirkt die 20-Jährige dann doch. Dabei ist sie eher eine robuste Person, die für ihren Landwirtschaftsberuf lebt und auch alles andere als scheu ist – schließlich amtierte sie im letzten Jahr als Schriesheimer Weinprinzessin.

Ihre Chefin, Christina Krämer, die mit ihrer Familie einen alteingesessenen Betrieb mit Wein- und Obstbau führt, ist entsetzt: "Das war das erste Mal, dass jemand wirklich tätlich angegangen wurde." Sie berichtet zwar davon, dass es immer mal wieder ein paar böse Worte gegeben habe, wenn sie mit ihrem Traktor oder dem Anhänger mal Feldwege blockierte ("Das ist ein Radweg!") oder verschmutzte ("Ihr dreckigen Landwirte!").

Auch wurde sie schon mehrfach fotografiert, wenn sie mit der Pflanzenspritze im Weinberg zugange war. Was sie aber besonders ärgert: Keiner frage mal nach, was da im Weinberg gespritzt werde und warum. "Die Leute verstehen einfach nicht, was wir tun, und verrennen sich lieber in komische Theorien. Dabei informieren wir gerne", ärgert sie sich. "Kein Landwirt spritzt mehr als notwendig, das ist ja auch ein Kostenfaktor."

Und vor allem setzen viele Pflanzenschutzmittel mit "Umweltgiften" gleich. Im Wesentlichen werden die Früchte mit "Chemie" – oft ist es aber nur gewöhnliches Backpulver – nur gegen Pilze, vor allem den Mehltau und den falschen Mehltau, geschützt: "Gegen den Fäulnispilz machen wir schon gar nichts mehr", erklärt Christina Krämer. Tendenziell würde im Weinbau etwas mehr gespritzt als auf den Feldern, etwa achtmal im Jahr. Da sei man völlig offen und habe nichts zu verheimlichen.

Was Krämer besonders an dem Vorfall stört, ist die Respektlosigkeit und der offene Hass. Vor allem fürchtet sie um die Sicherheit von Frauen, die alleine im Weinberg oder auf den Feldern arbeiten.

Gegen den Unbekannten, der Ann-Kathrin Haas am Montagmittag attackiert hat, wurde mittlerweile Anzeige erstattet. Er ist etwa Anfang 60, 1,80 Meter groß, hat eine kräftige Statur und graue Haare. Am Tattag trug er ein blau-weiß-rotes Polohemd, Bermudashorts und Sandalen mit Socken. Auffällig waren seine runde Nase und ein ausgefranster Strohhut. Wahrscheinlich wohnt er in der Nähe des Weinbergs, also in Dossenheim oder Schriesheim. Vorher gesehen hat die junge Frau ihn noch nie: "Ich bin so oft im Weinberg, da kennt man eigentlich irgendwann alle Fußgänger."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung