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17.07.2020

"Sprühattacke" in Dossenheim: Junge Landwirtin erhält (zu) viel Zuspruch

"Sprühattacke" in Dossenheim: Junge Landwirtin erhält (zu) viel Zuspruch

Attacke zieht weite Kreise - Große Resonanz in den Medien - Polizei startet Zeugenaufruf

Ann-Kathrin Haas in dem Wingert, in dem der Unbekannte sie angriff. Foto: Dorn

Von Micha Hörnle

Schriesheim/Dossenheim. Das Wichtigste zuerst: Ann-Kathrin Haas, die am Montagmittag von einem Unbekannten in einem Weinberg bei Dossenheim mit einer Flüssigkeit attackiert wurde, geht es wieder gut. Nur: Seit dem RNZ-Bericht am Mittwoch steht das Handy der Schriesheimerin nicht mehr still. "Ja, der Schock ist verdaut, aber die vielen Reaktionen überfordern mich schon ein bisschen." Der RNZ-Artikel wurde seither über 32.000 Mal geklickt und zieht weite Kreise.

Auch die Chefin der Auszubildenden, Christina Krämer, ist "überrascht, dass der Vorfall so einen Wirbel macht": Ständig melden sich bei ihr Berufskollegen aus der Pfalz, Südbaden oder dem Heilbronner Raum. Einer hat sogar vor, sich für die Arbeit im Feld extra ein T-Shirt mit der Aufschrift "Spritzschlampe" zu drucken.

Mit diesem Wort hatte der Fremde bereits am Montagmorgen die 20-Jährige im Weinberg zunächst nur verbal angegriffen. Sogar die Landesschau des SWR will am Samstag vorbeikommen, um sich mit Krämer über Probleme zu unterhalten, mit denen die Landwirtschaft zu kämpfen hat. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl A. Lamers hat beide noch am Mittwoch angerufen und dabei den Angriff scharf verurteilt – und er hoffte zugleich, dass der Täter bald gefunden wird.

Tatsächlich liegt der Polizei nun die Anzeige vor. Die Beamten ermitteln wegen des Verdachts auf Körperverletzung und Beleidigung. Zugleich ruft die Polizei Zeugen auf, sich beim Polizeirevier Heidelberg-Nord (Telefon 0 62 21 / 45.690) zu melden. Gesucht wird ein etwa 60 Jahre alter Mann mit grauen Haaren. Auffällig an ihm waren seine runde Nase und ein ausgefranster Strohhut. Zur Tatzeit im Dossenheimer Gewann Neuewingert/Augustenbühl trug er ein blau-weiß-rot-gestreiftes Polohemd, Bermudashorts und Sandalen mit Socken.

Auch Ariane Amstutz vom Landesbauernverband in Stuttgart hatte längst von dem Vorfall in der Kurpfalz gehört: "Ich bin maximal schockiert." Für sie war es das erste Mal, dass sie von einem tätlichen Angriff auf einen Landwirt gehört hat. Es gebe immer wieder kritische Bemerkungen oder Kopfschütteln, wenn Bauern ihre Felder oder Weinberge spritzen – wobei Haas am Montagmorgen ja gar nicht spritzte, sondern junge Rebstöcke festband. "Da ist eindeutig das Verständnis weniger geworden. Selbst wenn jemand nur Blattstärkungsmittel anwendet, denken viele, er spritze gleich Gift." Die meisten empörten sich nur, fragten aber sehr selten nach, warum die Landwirte das tun: "Da gibt es kaum Gesprächsbereitschaft."

Die Konflikte mit Fußgängern und Freizeitsportlern hätten sich gerade in der Coronazeit spürbar verschärft, weil die Leute mehr draußen seien: "Die meisten Konflikte gibt es auf den Feldwegen, wenn die von den Bauern blockiert werden. Dabei handelt es sich eindeutig um Arbeitswege, die Fußgänger und Radfahrer mitbenutzen dürfen." Deswegen hat der Bauernverband auch einen Handzettel vorbereitet, was hier alles zu beachten ist.

Der, so meint Amstutz, könnte auch hin und wieder in den Mitteilungsblättern der Gemeinden abgedruckt werden, damit die Bürger wissen, dass Feldwege mitnichten allein den Fußgängern und Radlern dienen. Überhaupt sieht sie auch die Kommunen in der Pflicht: "Die Einhaltung der Regeln wird nicht mehr durchgesetzt. Früher gab es oft einen Feldschütz bei den Gemeinden, aber der wurde in den letzten Jahren meist eingespart."

Und so sieht sie die Landwirte oft alleingelassen bei ihren Problemen: beim Felddiebstahl ("Da regen sich die meisten schon nicht mehr auf"), beim unbefugten Betreten der Felder ("Moutainbiker fahren völlig schamlos durch") illegalen Müllablagerungen bis hin zum Mobbing ihrer Kinder ("Da heißt es manchmal ,Tierquäler, Wasser- und Umweltvergifter’"). Immerhin können Bauern jetzt beim Landesbauernverband Schilder mit Verhaltenstipps bestellen, die sie dann auf ihren Flächen aufstellen können.

Und was rät die Expertin gerade jungen Frauen, die allein in Flur und Feld jetzt um ihre Sicherheit fürchten? "Ehrlich gesagt, habe ich keine Antwort, ich bin das erste Mal mit solch einem Vorfall konfrontiert. Spontan würde ich sagen: möglichst eine zweite Person mitnehmen, auch um einen Zeugen zu haben."

Bisher ist Gewalt gegen Frauen in der Landwirtschaft kein Thema, berichtet Birgit Rinklef vom Landfrauenverein Mannheim. Aber meist seien es auch nicht sie, die spritzen, das machten meist die Männer. Aber die ernten oft kritische Blicke von Bürgern. Deswegen hofft auch Christina Krämer: "Wenn der ganze Wirbel einen Sinn gehabt haben soll, dann den: Dass die Leute uns einfach mal fragen, was und warum wir das tun."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung