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25.07.2020

Kostenexplosion beim Glasfaserausbau

Kostenexplosion beim Glasfaserausbau

Um die letzten drei Telefonkästen ans schnelle Internet anzubinden, werden 315.000 Euro fällig - Wurde bei der Planung geschlampt?

Unangenehme Überraschungen im Erdreich: Der Glasfaserausbau in Altenbach ist von der Stadt und dem Gemeinderat gewollt – jetzt wird er mit mindestens 800 000 Euro doch ziemlich teuer. Foto: Dorn

Von Micha Hörnle

Schriesheim-Altenbach. Der Glasfaserausbau in Altenbach hat das Zeug zu einer unendlichen und nicht immer erfreulichen Geschichte. Erst auf seiner Sitzung am Mittwochabend musste sich der Gemeinderat mit erheblich gestiegenen Kosten befassen, damit die letzten drei zunächst bei der Telekom verbliebenen Telefonkästen mit den schnellen Internetleitungen verbunden werden können. Und zugleich wurde am Rande bekannt, dass es in der vorletzten Woche eine nicht öffentliche Sitzung mit Gemeinde- und Ortschaftsräten in Altenbach gab, auf der offene Fragen geklärt werden sollten. Die RNZ trägt den Stand der neuen Entwicklungen zusammen.

Was ist in Altenbach passiert? Bekanntlich hat der Zweckverband des Kreises "Fibernet" in der Hauptstraße Glasfaserleitungen verlegt – und zwar nur dort. Die ersten fünf von insgesamt acht Telefonkästen der Telekom wurden bereits an das neue Netz angeschlossen. Die Kosten dafür, rund eine halbe Million Euro, trägt die Stadt – und natürlich auch die angeschlossenen Haushalte. Fehlten also noch die Verbindungen zu den drei restlichen Telefon-Kästen, die die Telekom erst widerstrebend hergegeben hat. Und die werden so richtig teuer: Schätzte man im November 2019 noch die Kosten für ihre Anbindung auf 135.000 Euro (wenn auch ohne 60.000 Euro Planungskosten), waren es im Mai schon 220.000 Euro (jetzt inklusive Planungskosten), momentan liegt "Fibernet" bei 315.000 Euro – ein Plus von 62 Prozent gegenüber der Ursprungsschätzung, die an der Stadt nun hängen bleiben. Christian Wolf (Grüne Liste) schätzte, dass nun die "Gesamtkosten für den Glasfaseranschluss zwischen 800.000 und einer Million Euro liegen werden".

Das Kuriose – und daran rieben sich auch die Stadträte: Die recht hohen Planungskosten waren irgendwie nicht gerechtfertigt. Da wurde von dem Sinsheimer Unternehmen "Fibernet" wohl für das ferne Altenbach der Leitungsverlauf per "Google Maps" geplant – ohne eine Ahnung zu haben, wie der Boden beschaffen ist, wie Renate Hörisch-Helligrath (SPD) berichtete – wahrscheinlich, weil sie es in der Altenbacher Info-Sitzung erfahren hatte. Karl Reidinger (CDU) wusste immerhin – wohl aus derselben Veranstaltung –, dass man längere Leitungen braucht und dass "wegen des steinigen Bodens kein Baggereinsatz möglich" sei. Für Hörisch-Helligrath "stärkt das nicht gerade das Vertrauen in ,Fibernet’" – dabei habe man immer den Beitritt Schriesheims zu diesem Zweckverband unterstützt.

Was war mit der Info-Veranstaltung in Altenbach? Eigentlich war ja längst angesichts der vielen offenen Fragen der Altenbacher eine öffentliche Veranstaltung fest terminiert, die aber coronabedingt abgesagt werden musste. Nun gab es am Mittwoch, 15. Juli, dann doch eine solche – aber nur die Ortschafts- und Gemeinderäte durften hin. Der Grund dafür, so erklärte Bürgermeister Hansjörg Höfer, sei, dass den anwesenden Vertretern von "Fibernet" und des Anbieters "Netcom.BW" von ihren Arbeitgebern untersagt worden war, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, um sie vor einer möglichen Ansteckung zu schützen. Nun veröffentlichte Ortschaftsrätin Suzanne Epp (Grüne Liste) an diesem Mittwoch im Mitteilungsblatt eine erste Zusammenfassung über diese Sitzung – was ihr den geharnischten Vorwurf ihres Ortschaftsratskollegen Carsten Junghans (Freie Wähler) einbrachte, sie berichte aus einer nicht-öffentlichen Sitzung. Das ließ Höfer nicht gelten: "Die Bürger müssen ja informiert werden, die Ortsräte sind Multiplikatoren. Es gibt keine Verschwiegenheitspflicht." Warum andere Multiplikatoren, wie beispielsweise die RNZ, die seit zwei Jahren intensiv über dieses Thema berichtet, nicht eingeladen worden waren, dazu äußerte sich Höfer nicht. Immerhin will "Fibernet" ab Januar, so berichtete Hörisch-Helligrath, eine Bürgersprechstunde vor Ort einrichten.

Wie offen ist das neue Netz? Für Wolf ist es "ärgerlich, dass es kein Open Access", also ein für alle Telekommunikationsanbieter offenes Netz, geben wird. Offenbar müssen die Altenbacher jetzt Kunden von "Netcom.BW" werden, dabei wollten wohl "die meisten nicht von der Telekom weg". Im Rat gab es eine muntere Debatte, ob nun "Netcom.BW" die Telekom vom neuen Glasfasernetz ausschließe – was laut Wolf diese Firma in einem Brief geschrieben habe –, oder ob der Quasi-Telefonmonopolist kein Interesse daran habe, für die Nutzung fremder Leitungen Gebühren zu zahlen. Zumindest erklärt "Fibernet" immer wieder, dass die Glasfaser auch für die Telekom offen sei, sie wolle nur nicht. Übrigens, und darauf verwies Reidinger: Mit "Overdrive Technologies" gibt es immerhin einen zweiten Anbieter in Altenbach.

Wie reagierte der Gemeinderat? Er stimmte zwar den Mehrausgaben für "Fibernet" zu, aber es gab Nuancen: "Die Kostenerhöhung hat uns verwundert, ist aber erklärbar. Denn mehr schnelles Internet für Altenbach ist auch eine Leistungserhöhung", so Wolf. Ähnlich sah es auch Hans Beckenbach (Freie Wähler): "Ärgerlich, aber nachvollziehbar", während Hörisch-Helligrath dem Ganzen nur "zähneknirschend" zustimmte. Wolfgang Renkenberger (FDP) fand nach wie vor "die Entscheidung für ,Fibernet’ richtig", man solle aber "klären, ob sich nicht andere Anbieter einklinken können".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung