Schriesheim im Bild 2023

26.08.2020

Es fehlt der Strahlenberger Grundschule an Lehrern und digitalen Möglichkeiten

Stellvertretender Leiter der Strahlenberger-Grundschule spricht im RNZ-Interview über die Zeit des Lockdowns und seine Lehren daraus

Von Maren Schenk

Schriesheim. Sieben Wochen war die Strahlenberger Grundschule ohne Schüler, dann durften die Kinder nach und nach wieder in die Schule kommen. Was die Corona-Krise für die Schule bedeutete und immer noch bedeutet und was der Lehrermangel damit zu tun hat, berichtet Konrektor Hubert Strehle im RNZ-Gespräch.

Wie verabschiedeten Sie die Viertklässler in Corona-Zeiten?
Die Zeugnisse haben die 39 Viertklässler alle zusammen am letzten Schul-Freitag erhalten: in der Strahlenberger Turnhalle, leider ohne Eltern, aber mit den jeweiligen Klassenlehrerinnen. Nach einer Ansprache von mir haben die Schüler ihre Zeugnisse in Empfang genommen und wurden von Pfarrerin Suse Best gesegnet – einen Abschlussgottesdienst gab es ja dieses Jahr nicht. Und am letzten Schultag haben wir noch etwas vorbereitet: Zweitklässler malten für jeden Viertklässler einen Kreis in den Hof mit Namen und Grüßen, darauf durften sich dann die Schüler stellen. Diesmal waren die Eltern dabei, sie standen mit Abstand und Masken am Rand. Es gab kurze Ansprachen, eine Plakataktion mit Wünschen von dem gesamten Kollegium und zum Schluss einen Luftballon-Parcours für die Schüler. So konnten wir den Viertklässlern doch noch etwas Besonderes bieten – auch wenn es nicht so festlich wie sonst war.

Wie hat der Fernunterricht, das Homeschooling, nach der Schulschließung im März geklappt?
Den Unterrichtsstoff in Form von Wochenplänen mussten sich die Schüler beziehungsweise Eltern herunterladen, oder er kam per E-Mail, alle Materialien wurden auch auf Papier zum Abholen bereitgestellt oder wurden auch mal nach Hause gebracht. Es fanden auch Telefon- und Videokonferenzen statt: Letztere klappten einigermaßen, am besten mit wenigen Schülern – allerdings mussten dafür die Geräte der Eltern genutzt werden. Am besten funktionierte das Verteilen und Wieder-Zurückbringen der Aufgaben auf Papier. In den ersten Klassen war der Unterrichtsstoff allerdings schwieriger zu vermitteln als in den vierten Klassen, denn die Erstklässler waren gerade im Schreiblernprozess, als die Schule schließen musste. Manche Kinder beziehungsweise Eltern waren schwierig zu erreichen.

Welche Rückmeldungen kamen von Eltern?
Es gab große Unterschiede, wie stark Schüler und Eltern durch das Homeschooling belastet waren. Je länger das Homeschooling dauerte, umso mehr litt die Motivation der Kinder. Und auch das Zusammenlernen fehlte den Kindern sehr. Zwei bis drei Stunden alleine Aufgaben zu machen, das klappte, aber dann fehlten die persönlichen Kontakte, die Zusammenarbeit in Kleingruppen – das ist wichtig, auch für die Lernmotivation. Die fehlende soziale Komponente war das größte Problem während der Homeschooling-Zeit! Am meisten wurden übrigens die Schulfreunde vermisst, dann die Lehrer.

Wie hat der Unterricht seit dem 29. Juni geklappt, als alle Schüler wieder "normal" die Schule besuchen durften?
Die bisherigen Abstandsregeln untereinander bei den Grundschülern wurden aufgehoben, normale Klassengrößen waren wieder erlaubt. Die Schüler hatten dann wieder fünf Stunden Unterricht am Tag, inklusive einer Stunde Förderunterricht für Schüler, die wir schlecht erreicht hatten. Es durfte wieder Gruppenarbeit stattfinden, das war gut. Kindern macht das Zusammenlernen mehr Spaß! Bei den Übergabeprotokollen am Ende des Schuljahres für das nächste stellten wir fest, dass gar nicht so viel Stoff fehlte – allerdings wurden manche Themen nicht so ausführlich behandelt. Mathe und Deutsch war gut, nur Übungszeit und das Vertiefen fehlte. Bei den Viertklässlern konnten wir alles Wichtige für den Übergang in weiterführende Schulen vermitteln. Den künftigen Erstklässlern fehlten allerdings die vorbereitenden Schulbesuche, die wegen Corona nicht möglich waren. Auch der Kontakt zu den Paten – Dritt-/Viertklässlern – wird den neuen Schülern fehlen. Als wieder alle Schüler in die Schule gehen durften, mussten wir mehr Kinder als sonst mit Erkältungssymptomen nach Hause schicken und es gab mehr Abwesenheitsmeldungen als normal.

Schulen erhalten Geld für Digitalisierung: Wie setzen Sie es ein?
Wir sind in Gesprächen mit der Stadt. Voraussichtlich bekommen wir acht mobile Endgeräte, die Schüler und Lehrer bei Bedarf nutzen können. Wir hatten bisher vier Notebooks, die Lehrer im Unterricht nutzen konnten. Im Bestand der Schule befinden sich 30 iPads, die allerdings bisher nur in der Schule verwendet werden konnten, aber demnächst auch für den Einsatz außerhalb der Schule nutzbar gemacht werden. Videokonferenzen mit Schülern konnten Lehrer nur von zuhause aus durchführen, da die Bandbreite des WLAN im Schulhaus zu gering ist. Aber in den Ferien wird sich die Stadt die Infrastruktur anschauen. Wir haben positive Signale von der Stadt, dass bei uns die Bandbreite des Netzes erhöht wird. Auch die Lernplattform Moodle-BelWü wird in den Ferien beziehungsweise Anfang des Schuljahres eingerichtet. Damit können wir Lehrer, Schüler und Eltern einbinden und mit Material versorgen. Im nächsten Schuljahr werden wir mit den Schülern den Umgang mit den Geräten üben – diese können im Unterricht genutzt werden, bei Bedarf aber auch zuhause.

Was fand im letzten Schuljahr wegen der Corona-Krise nicht statt?
Es durften keine AGs stattfinden. Auch der Tag der offenen Tür, der normalerweise alle zwei Jahre stattfindet, musste leider ausfallen – und auch die Projektwoche davor. Wir hatten ein Musiktheaterstück geplant, das die Theater-AG mit dem Schulchor der Dritt- und Viertklässler aufführen wollte. Das wurde nun um ein Jahr verschoben.

Was haben Sie aus der Corona-Krise gelernt oder mitgenommen?
Erstens: Das soziale Lernen ist immens wichtig für Kinder. Schule bedeutet nicht nur, Stoff abarbeiten, sondern auch gemeinsames Leben und Erleben. Dass dies fehlte, darunter haben alle Kinder gelitten. Zweitens: Was sich deutlich zeigte: die jahrelange Unterversorgung mit Lehrern. Grundschulen sind schon lange knapp versorgt mit Lehrern. Wenn eine neue Situation kommt wie Corona, klaffen die Lücken richtig auf. Außerdem: Die Kinder sind immer "heterogener", sodass mehr Betreuung nötig ist. Auch Kinder mit erhöhtem Förderbedarf gibt es immer häufiger. Ich plädiere schon lange dafür, den Klassenteiler zu verringern und damit kleinere Klassen zu ermöglichen. Man könnte auch Teamteaching stärker fördern, das heißt zeitweise zwei Lehrer gleichzeitig im Unterricht, die zum Beispiel einzelne Kinder oder eine kleine Gruppe betreuen und motivieren. Fällt eine Lehrerin wegen Krankheit aus, teilen wir normalerweise die Klasse auf und schicken die Kinder in andere Klassen – aber das geht zurzeit nicht, da die Schüler in gleichen Gruppen bleiben müssen. Im schlimmsten Fall müssen wir dann Kinder heimschicken. Aber einfach wird das "Lehrerproblem" nicht zu lösen sein, denn es gibt zu wenige Lehrer auf dem Markt, denn es wurden in den letzten Jahren zu wenige ausgebildet. Drittens: Die mangelnde Digitalisierung!

Wie geht es nach den Ferien weiter?
Wir haben wieder einen Regelstundenplan von der ersten bis zur fünften beziehungsweise sechsten Stunde. Alle Fächer werden unterrichtet. Bei Ausfällen von Kolleginnen haben wir einen Notplan vorgesehen. Jede Klasse erhält eine Förderstunde am Tag – aus dem normalen Stundenpool, wir haben keine Zusatzstunden dafür bekommen (denn es gibt nicht genug Lehrer). Musik wird ohne Singen stattfinden - oder draußen mit Abstand. Auch der Sportunterricht ist vorerst draußen geplant. Weiterhin wird es keine AGs geben, um die Gruppen nicht zu mischen und die Stunden für den Unterricht zu nutzen. Ich mache mir Sorgen wegen der Unterrichtsversorgung – die meisten unserer Lehrerinnen haben selbst Kinder im Grundschulalter: Wenn ihre Kinder zuhause bleiben müssen wegen Symptomen, bleiben auch die Mütter zuhause.

Was sollte sich ändern nach den Ferien – und wer sollte etwas dafür tun?
Der Schulträger, also die Stadt, sollte für Infrastruktur sorgen – Stichwort Digitalisierung. Wir als Schulleitung müssen für die Fortbildung der Lehrer sorgen und dafür, dass die Infrastruktur funktioniert, der Workflow Spaß macht und nicht frustriert. Und das Land sollte für datenschutzkonforme Plattformen sorgen und über Medienzentren Unterstützung stellen.

Wie viele neue Erstklässler kommen nach den Ferien?
Es werden 51 neue Schüler die erste Klasse besuchen – das sind mehr als letztes Jahr: Da waren es 43. Es werden zwei große Klassen. Das liegt zum einen daran, dass die Jahrgänge größer werden, zum anderen haben wir im nächsten Schuljahr mehr Kinder als sonst, die den Schulbezirk wechseln. Vielleicht liegt das daran, dass wir eine flexible Hortbetreuung haben: Ab 14 Uhr können Kinder bei uns im Hort Pfiffikus neben der VHS betreut werden, flexibel an bestimmten Tagen.

Strahlenberger Grundschule

> Rektorin der Strahlenberger Grundschule: Stefanie Zschätzsch (derzeit krank), Konrektor: Hubert Strehle (ab nächstem Schuljahr Leiter einer Mannheimer Schule).
> Schülerzahl im nächsten Schuljahr: 185
> Davon neue Erstklässler: 51 (in zwei Klassen)
> Zahl der Lehrkräfte: 15
> Weitere Informationen: www.strahlenbergergrundschule.de

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung