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06.09.2020

Wie die VHS-Leiterin Zwangspause und Einstieg in die "neue Normalität" meisterte

Wie die VHS-Leiterin Zwangspause und Einstieg in die "neue Normalität" meisterte

"Selten so viel gearbeitet wie bei Corona" – Neues Semester beginnt am 21. September

Sonja Althoff, die Leiterin der Volkshochschule Schriesheim/Wilhelmsfeld, mit dem neuen Semesterprogramm, bei dem die Pandemie durchaus seine Spuren hinterlassen hat. Fotos: Dorn

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Sonja Althoff leitet seit ziemlich genau zwei Jahren die Volkshochschule Schriesheim/Wilhelmsfeld, sie folgte Frank Röger nach, der im November 2018 nach Dossenheim als Hauptamtsleiter wechselte. Die Volljuristin aus Heidelberg hat turbulente Monate hinter sich, denn Corona schüttelte auch ihre Einrichtung durch. Und auf Althoff wartete zusammen mit Sekretärin Sabine Stumpe – die beiden sind die einzigen Festangestellten der VHS – viel Arbeit. Aber nun beginnt ab dem 21. September das neue Kursprogramm.

Frau Althoff, wie sehr hat Corona die VHS betroffen?
Sehr. Es gab ja für alle den kompletten Lockdown, und so mussten auch wir zunächst alle Kurse stoppen. Wir haben dann direkt einige neue Onlinekurse zu coronaspezifischen Themen aufgelegt und parallel die gestoppten Präsenzkurse nach und nach online angeboten. Das wurde zum Glück sehr gut angenommen, das hätte ich nicht erwartet. Man spürte förmlich, wie sich die Teilnehmer danach sehnten, wieder etwas zu machen und etwas Gesellschaft zu haben – auch wenn es nur am Bildschirm war. Aber natürlich konnten wir nicht unser gesamtes Kursangebot online stellen.

Und was wurde aus den Dozenten? Die sind ja nicht angestellt …
Das ist richtig, unsere Dozenten sind alle freiberuflich tätig. Teilweise beantragten sie Gelder aus dem Soforthilfefonds, einige machten dann online mit ihren Kursen weiter, wenn auch teilweise zu anderen Konditionen, denn wir haben die Gebühren natürlich für die Onlinekurse angepasst. Trotzdem gab es auch Teilnehmer, die zunächst nicht verstanden haben, dass auch Internetkurse etwas kosten – auf Youtube sind ähnliche Angebote ja kostenfrei. Wir haben in dieser Zeit an den Gebühren rein gar nichts verdient, sondern alles eins zu eins auf die Dozenten umgelegt. Trotzdem haben sie teilweise weniger verdient, und natürlich gab es auch einige, deren Kurse nicht online gingen und die somit in dieser Zeit gar nichts bei uns verdient haben.

Waren Sie selbst in Kurzarbeit?
Nein, im Gegenteil, tatsächlich habe ich selten so viel gearbeitet wie in dieser Zeit. Wir sind ja nur zu zweit und mussten alles organisieren, zunächst allen Teilnehmern die gestoppten Kurse absagen, dann die Onlinekurse ans Laufen bringen, die Dozenten ins Boot holen, technische Hürden überwinden, wieder alle Teilnehmer informieren … Und als die ersten Lockerungen kamen und wir langsam zu den Präsenzkursen zurückkehren konnten, ging das Ganze wieder von vorne los, dabei gab es gefühlt täglich neue Regularien von Bund und Ländern, die wir umsetzen mussten …

War denn die VHS in ihrer Existenz gefährdet? Bei der Musikschule hörte man von herben Einbußen …
Nein. Bei uns sind die Dozenten ja auch nicht fest angestellt, das heißt: Den ausgefallenen Gebühren standen keine zu zahlenden Honorare oder Gehälter gegenüber. Trotzdem haben wir natürlich große Verluste gemacht, wie hoch die sind, können wir noch nicht beziffern. Wir bekamen zwar auch die Soforthilfe des Landes, die an alle Volkshochschulen ausgezahlt wurde, aber wir müssen jetzt trotzdem für jeden Kurs einzeln ausrechnen, was uns an Einnahmen entgangen ist – das ist ziemlich aufwändig.

Wie geht es nun ab September weiter?
Wir gehen mit einem reduzierten Programm an den Start, wobei alle Kurse zunächst als Präsenzkurse angelegt sind – immer mit der Maßgabe sie, wo möglich, in ein Onlineangebot umzugestalten. Das machen wir zum einen natürlich von den behördlichen Vorgaben abhängig, aber vor allem orientieren wir uns auch an den Wünschen unserer Teilnehmer. Es gibt ja zwei Strömungen: Die einen können sich ausschließlich Präsenzkurse vorstellen, die anderen möchten angesichts Corona weiterhin nur online teilnehmen.

Und welche Sparten betrifft das?
Kunst oder Fotografieren, das funktioniert nur in Präsenz, bei Sprachen und Sport läuft es teilweise online erstaunlich gut, das hätte ich nie gedacht. Aber wir haben auch sehr engagierte DozentInnen, die sich tolle virtuelle Formate ausgedacht haben. Jetzt warten wir mal die Resonanz ab, wir haben alle Teilnehmer angeschrieben und müssen nun sehen, wer in die VHS kommen möchte und wer nicht, beispielsweise weil er einer Risikogruppe angehört.

Welche Anmeldezahlen erwarten Sie?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt sicher etliche, die erst dann wieder zu uns kommen, wenn es einen Impfstoff gegen Corona gibt.

Wie unterscheidet sich dieses Kursprogramm vom vorherigen?
Wir haben bestimmt ein Viertel weniger Kurse. Das liegt auch daran, dass wir in diesem Semester alle Kurse im VHS-Haus abhalten, auch die, die sonst im Schulzentrum stattgefunden haben. Wir wollen uns nicht wieder von behördlichen Regularien abhängig machen, die uns unter Umständen die Räumlichkeiten dort verwehren. Auch unsere Fahrten sind ausgesetzt, bis auf die an Weihnachten und nach Salzburg.

Was sind die Schwerpunkte?
Wir reagieren auf Corona, also gibt es zum Beispiel Kurse, wie man sich online vernetzen kann, an Videokonferenzen oder Onlinekursen teilnimmt. Oder Gesundheitsthemen, etwa wie man sein Immunsystem stärkt. Themen, die sich nur mit den Auswirkungen der Pandemie beschäftigen, wie das Thema Homeschooling oder auch "Gemeinsam einsam", die wir während des Lockdowns getestet haben, haben wir hingegen wieder aus dem Programm genommen, da lag die Resonanz bei null.

Und die Sprachkurse?
Die mussten wir, allein wegen der Raumfrage, abspecken, wobei wir auch einige Kurse zusammenlegen konnten und somit trotzdem fast alles abdecken. Aber klar, mit dem kompletten Angebot werden wir wohl erst wieder nächstes oder übernächstes Semester voll einsteigen. Die meisten Teilnehmer werden dennoch "ihren" Kurs wieder finden und auch belegen können, wenn sie sich rechtzeitig anmelden. Denn eins ist natürlich klar: Die Kurse fassen in diesem Semester weniger Teilnehmer – allein schon, um den geltenden Abstandsregelungen gerecht zu werden. Ich kann daher jedem nur raten, sich möglichst schnell anzumelden, damit der Wunsch-Kurs nicht schon ausgebucht ist.

Gibt es für Sie so etwas wie Höhepunkte im Programm?
Wenn Sie mit "Höhepunkten" spannende neue Themen oder Kursformen meinen, die wir erstmals ausprobieren, muss ich das verneinen; wir machen das, was unter diesen Umständen möglich ist. Aber es gibt zum Beispiel in den Herbstferien neben unserem bewährten Maschineschreiben-Ferienkurs auch ein neues Ferienprogramm aus dem Bereich Kunst für Kinder. Falls also Homeschooling doch wieder ein Thema werden sollte, sind dann wenigstens die Ferien abgedeckt – und die Eltern ein bisschen entlastet.

Wofür gibt es am meisten Resonanz?
Im Grunde findet alles Interesse. Es gibt auch nicht den einen typischen VHS-Teilnehmer. Natürlich ist unser Stammpublikum teilweise etwas älter, das merken wir schon daran, dass nicht alle Teilnehmer eine E-Mail-Adresse haben, aber in den letzten Jahren sind auch immer wieder Kurse für Kinder und Jugendliche dazugekommen. Und auch bei den Sprachkursen ist vom Teenager bis zum Rentner alles dabei …

Mir ist aufgefallen, dass es weniger Vorträge gibt.
Ja, die Nachfrage ist rückläufig, zumindest, was die Abende angeht. Dagegen ist unser Vormittagsprogramm, sei es die Montagsrunde oder unsere Frauenarbeitskreise, der Renner. Da kommen so viele Leute, dass wir dieses Semester teilweise in den großen Saal der katholischen Kirche ausweichen müssen, damit wir die Abstandsregeln einhalten können.

Angenommen, ich bin neu in Schriesheim, was könnten Sie empfehlen?
Bei der eben genannten Montagsrunde oder den Frauen-Arbeitskreisen findet man immer sehr schnell Anschluss. Gerade, wenn man etwas älter ist. Aber eigentlich ist jeder Kurs geeignet, um Schriesheimer jeden Alters kennenzulernen!

Wie würde die VHS auf einen zweiten Lockdown reagieren?
Wir würden sofort alle Kurse online stellen. Zumindest die, bei denen es möglich ist.

Was lernten Sie aus dem Lockdown?
Wie schnell und flexibel man sein muss, wenn es darum geht, einen laufenden Präsenzkurs von einem Termin auf den nächsten virtuell anzubieten. Aber auch wie engagiert unsere Dozenten sind, welche Ideen sie einbringen und wie viele unterschiedliche Kursformen es neben dem klassischen Präsenzunterricht geben kann. Und dass viele Leute bereit sind, sich auf Neues einzulassen, und einfach mal etwas ausprobieren. Insofern würde uns ein zweiter Lockdown nicht mehr so kalt erwischen.

Macht es Ihnen denn nach zwei Jahren noch Spaß?
Ja, sogar großen Spaß. In Schriesheim bin ich auf offene, freundliche Menschen gestoßen, für die es einfach Spaß macht, jedes Semester aufs Neue ein möglichst vielfältiges Angebot auf die Beine zu stellen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrem Vorgänger Frank Röger. Haben Sie Kontakt?
Ja, er wohnt ja neben der VHS, schon deshalb ist er noch stark mit der VHS verbunden. Wir sehen uns regelmäßig, und ich kann ihn jederzeit anrufen, wenn ich eine Frage habe. Wir hatten von Anfang an ein gutes Verhältnis, und er war immer bereit, mit mir alles an Erfahrung zu teilen. Ich bin ihm nach wie vor sehr dankbar, wie er mir den Start geebnet hat.

Erstmals finden in diesem Semester alle Kurse ausschließlich im VHS-Haus statt. An seiner Rückseite wird momentan aus Brandschutzgründen eine Fluchttreppe gebaut. Foto: Dorn

Hintergrund: Die Volkshochschule Schriesheim/Wilhelmsfeld gibt es in dieser Form seit 1989. Ihre Anfänge reichen in die fünfziger Jahre als "Volksbildungswerk" zurück, in dem rein ehrenamtlich gearbeitet wurde. Anfang der achtziger Jahre entstand die VHS Lobdengau als Zusammenschluss von sieben Kommunen (Schriesheim, Wilhelmsfeld, Dossenheim, Ladenburg, Edingen-Neckarhausen, Heddesheim und Ilvesheim) mit Sitz in Ladenburg, doch gegen Ende des Jahrzehnts zerfiel das Konstrukt wieder, 1989 wurde die Volkshochschule Schriesheim/Wilhelmsfeld gegründet. Beate Keppel, die bereits seit 1985 die Schriesheimer Außenstelle ehrenamtlich übernommen hatte, wurde ihre Leiterin. 1995 zog die VHS vom Rathaus in ihr eigenes Gebäude. Keppel ging 2001 in den Ruhestand (sie starb 2013), ihr Nachfolger war, 18 Jahre lang, Frank Röger. hö

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung