Schriesheim im Bild 2023

11.09.2020

Viele Sirenen blieben beim Warntag stumm

Die Feuerwehrverantwortlichen aus Weinheim und Schriesheim können die Kritik zwar verstehen, aber im Ernstfall hätten sie die Bürger warnen können.

Von Philipp Weber

Weinheim/Schriesheim. Ralf Mittelbach, stellvertretender Kommandant der Weinheimer Feuerwehr, redet nicht lange um den heißen Brei herum: "Die Kritik ist berechtigt." Beim Katastrophenschutz gebe es noch Luft nach oben, räumt er ein. Das gelte vor allem dann, wenn die Alarmierung "von oben" kommt, sprich von der Rettungsleitstelle. Dennoch könnten sich die Bürger auf die Feuerwehren in Weinheim und Hemsbach (die Kooperationskommune bei Alarmübungen) verlassen, so Mittelbach. Dasselbe reklamiert auch Kommandant Oliver Scherer für "seine" Freiwillige Feuerwehr in Schriesheim.

Was war passiert?
Nachdem für den gestrigen Donnerstag für die Zeit von 11 bis 11.20 Uhr ein bundesweiter Probealarm angekündigt worden war, hatten sich die Bürger auf heulende Sirenen und fiepende Handys eingestellt. Ersteres gilt zumindest für diejenigen Kommunen, die ihre Sirenen nach der Zeit des "Kalten Kriegs" nicht abgebaut hatten. Doch dann passierte in vielen Fällen: nichts. Weder die Warn-Apps noch die Sirenen sprangen an. Auf Facebook häuften sich entsprechende Kommentare, laut Mittelbach riefen einige Bürger auch beim Weinheimer Feuerwehrzentrum an.

Worin bestand das Problem?
Die Feuerwehrkommandanten konnten es am Donnerstag noch nicht mit letzter Sicherheit sagen. Was offenkundig nicht funktionierte, war die Aktivierung der Sirenen durch die Rettungsleitstelle in Ladenburg. Zunächst sei nichts passiert, so Mittelbach, weshalb seine Weinheimer Kameraden noch mal in der Leitstelle nachfragten. Aber auch danach blieben einige Sirenen stumm. Laut Schriesheims Wehrkommandant Scherer könnte es – jedenfalls in seinem Zuständigkeitsbereich – an einem Programmierfehler gelegen haben. "Es wird davon ausgegangen, dass das für den Katastrophenschutz erforderliche Programm nicht hinterlegt war und die Sirenen folglich nicht auslösten", erklärt er.

Der Weinheimer Mittelbach will seinen Kollegen in der Leitstelle aber ausdrücklich keinen Vorwurf machen. Die Alarmierung der Sirenenstandorte erfolge noch per Funk. Selbst wenn alles fehlerfrei funktioniert, sei es technisch gar nicht möglich, alle Sirenenstandorte gleichzeitig zu aktivieren: "Das ist im Grunde ein reines Rechenspiel."

Gab es auch "klassische" technische Defekte?
Die 28 Sirenen in Weinheim würden regelmäßig gewartet, "wir lassen sie dann kurz anheulen", so Mittelbach. Deshalb gehe er davon aus, dass die Geräte an sich in Ordnung sind. Der Schriesheimer Scherer dagegen hat einen technischen Defekt ausgemacht: in Altenbach. "Dafür funktionierte die Sirene in Ursenbach wie vorgesehen", sagt er. Der Grund: Das dortige Gerät ist neu und wird bereits digital ausgelöst. Das hat reibungslos funktioniert. Folglich waren hier auch die eigentlichen Katastrophenwarntöne zu hören.

Was wäre passiert, wenn die Lage wirklich ernst gewesen wäre?
In diesem Fall hätte die Bevölkerung durchaus mitbekommen, dass etwas nicht stimmt. Da ist sich nicht nur Mittelbach ziemlich sicher. Sinn der Übung sei ja gewesen, die systematische Alarmierung "von oben" zu testen. Im Falle einer wirklichen Katastrophenlage hätte die Weinheimer Feuerwehr sämtliche Sirenen auch noch selbst auslösen können. "Außerdem können wir in solchen Fällen durch das Stadtgebiet fahren und Lautsprecherdurchsagen machen", erklärt er.

In Schriesheim habe die Feuerwehr die Sirenen denn auch selber ausgelöst, nachdem sich erst mal nichts tat, so Scherer. Die Bürger hätten allerdings nicht das volle Repertoire zu hören bekommen, sondern nur den Feueralarm. Der wäre aber auch bei einer andersgearteten Katastrophe wohl besser als nichts. Immerhin wissen die Leute dann schon mal, dass etwas passiert ist und dass sie sich informieren müssen.

Wie sieht das vorläufige Fazit aus?
Auch hier sind sich die Feuerwehrleute weitgehend einig. Erstens hat sich die Übung gelohnt, weil es tatsächlich etwas zu verbessern gibt. Zweitens hat sich gezeigt, dass die Sirenen nach wie vor ihre Daseinsberechtigung haben – schließlich haben auch die Warnapps vielerorts nicht so funktioniert, wie sie sollten. Und drittens – und das gilt wohl besonders für Weinheim – müssen mehr und deutlich vernehmbarere Sirenen her. Bekanntlich hat sich die Zweiburgenstadt seit den 1990er Jahren ausgedehnt. Im Moment lasse man deshalb ein Gutachten erstellen, so Mittelbach. Damit soll unter anderem geklärt werden, wo weitere Geräte hinmüssen.

Ein weiteres Problem besteht darin, dass auch das Geheul der Sirenen nicht überall vernommen wird, selbst wenn welche vor Ort sind. "Häuser werden immer stärker gedämmt und immer effektiver isoliert", so Mittelbach. Bei geschlossenen Fenstern sei selbst ein Warnton nicht immer deutlich zu hören.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung