Schriesheim im Bild 2023

21.08.2004

Nur die Sprossenfenster sind noch brauchbar

Heinz Hölzel lässt sein Anwesen in der Talstraße sanieren - Der vordere Teil soll abgerissen werden und einem Neubau Platz machen.

Von Silvia Rothenburger

Schriesheim. Das Haus in der Talstraße 54 sieht nicht unbedingt nobel aus, es ist ein altes Fachwerkhäuschen, wie sie in Schriesheim vor 200 bis 300 Jahren gebaut wurden. Es ist eines der "Arbeiterhäuser", in denen sich Handwerker und Werktätige nach der Decke streckten. Nun soll das Haus ein neues Gesicht bekommen. Das Gebäude soll demnächst zur Straßenfront hin abgerissen und neu gebaut werden.

Vor einiger Zeit war im Untergeschoss noch eine Eisdiele untergebracht, oben wohnten die Betreiber. Geht man durch die Passage, den Durchgang zum Schulhof der Strahlenberg-Grundschule, macht der größere hintere Teil nach einer einigermaßen fachgerechten Sanierung einen durchaus ansprechenden Eindruck. Das noch gut erhaltene Fachwerk gegenüber dem Kerg-Museum mit seinem hübschen Balkon, gibt eine richtig romantische Ecke ab. Im Innenhof lässt sich auch die Hinteransicht mit dem Fachwerk zur Talstraße noch gut anschauen. "Das bleibt auch stehen", macht Bauherr Karl-Heinz Hölzel deutlich. Er ist der Besitzer des Hauses und Inhaber der gleichnamigen Spenglerei in der Schmalen Seite 2 .

Das Alter des Gebäudes schätzt Hölzel auf etwa 300 Jahre. Es ist nun schon in vierter Generation im Besitz der Familie. Das vordere Drittel des Hauses soll komplett abgerissen werden, etwa 100 der insgesamt 400 Quadratmeter Gesamtfläche. Dass hier ein solch radikales Vorgehen durchaus gerechtfertigt ist, erschließt sich dem Betrachter vor allem im Innern des Gebäudeteils. Die alten, teils von Schimmel bereits stark angegriffenen Balken sind kaum mehr tragfähig und lassen sich nicht mehr sanieren, das Dachgebälk sieht nicht besser aus. Auch die Wände, vom Verputz befreit, bröckeln langsam ab, von Fachwerkromantik ist da nichts mehr zu spüren. Eine Sanierung ginge hier auch von der Kostenseite her "voll ins Leere", erklärt der Bauherr.

Anfang September soll es losgehen
Einzig verwertbar für Liebhaber sind die alten Sprossenfenster, die Hölzel auf mindestens 100 Jahre schätzt. Das "Glasbläserloch" sei auch ein Hinweis auf die damalige Handwerkskunst. Ludwig Jäck hat bereits Interesse gezeigt und will die Sprossenfenster mit den alten Griffen in seinem Hof einbauen - natürlich nicht zum Kälteschutz sondern einfach als originelles Inventar.

Der vordere Teil ist auch ein Zeitdokument für die falsch verstandene Modernisierung wie sie in den Sechziger und Siebziger Jahren oft betrieben wurde. Mittels Putz, Farbe, Gipsplatten und Tapete wurde das Fachwerk in alten Häusern überdeckt. Das Gebälk unter den modernen "Weißmachern" konnte nicht atmen und nahm so den Lauf alles Irdischen, es moderte und verfiel. Dabei war es keineswegs böser Wille, der die alten Balken zerstörte. Oft war es auch Unkenntnis oder einfach Geldmangel, der zu halbherzigen "Renovierungskünsten" führte.

Ein Weinheimer Architekt hat die Neubau-Pläne mittlerweile genehmigungsfähig gemacht und nun wartet Hölzel täglich auf den "roten Punkt", die Nachricht, dass es endlich losgehen kann. Für Anfang September rechnet er mit dem Beginn der Abrissarbeiten. Bei dem ganzen Unternehmen ärgert er sich nicht schlecht über die vielen behördlichen Auflagen, die bei einem Neubau fällig werden. Eine davon ist die Forderung nach einem Notausgang zur Talstraße, der aus Sicherheitsgründen verlangt wird. Nach der Fertigstellung wird Hölzel den Gebäudetrakt wieder vermieten.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung