Schriesheim im Bild 2023

20.10.2020

Herrscht bei Schottergärten zweierlei Maß?

Die Stadt hat selbst einen an der Branichauffahrt, findet ihn aber ökologisch in Ordnung. Privateigentümer werden nicht kontrolliert.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Es hatte etwas von einem Sommerlochaufreger, die Debatte um das Verbot von Schottergärten in Baden-Württemberg. Eine andere Frage ist, wieso ausgerechnet die Stadt Schriesheim selbst einen angelegt hat – und zwar an der Branichauffahrt. Gilt da also zweierlei Maß?

Das Bauamt findet: nein. Denn das Verbot gelte ja nur für private Flächen, so Bauamtsleiter Markus Schäfer: "In Rücksprache mit höher gestellten Behörden ist eine Ausführung im öffentlichen Bereich immer noch als machbar anzusehen, wenn auf einen entsprechenden pflanzlichen Bedeckungsgrad geachtet wird." Mit "Bedeckungsgrad" ist der Anteil von Pflanzen gemeint. Und der soll längerfristig an der Branichzufahrt 70 bis 80 Prozent betragen. Und schon von daher sieht Schäfer jetzt erst einmal keinen Handlungsbedarf. Denn angesichts "der Tatsache, dass diese Fläche einen hohen insektenfreundlichen Aspekt aufweist und mit extrem wenig Wässerungen pro Jahr auskommt, ist die Grünfläche als Erfolg zu betrachten".

Allerdings sieht das nicht jeder so, zumindest warf vor einiger Zeit die Grüne Liste die Frage auf, wieso erstens der "Arbeitskreis Grünflächen" seit 2015 nicht mehr getagt habe (RNZ vom 22. November 2019), und ob sich nicht zweitens die Stadt Schriesheim selbst dazu verpflichten solle, ihre Anlagen insektenfreundlich zu bewirtschaften und deren Status zu überprüfen (RNZ vom 18. Mai 2019). Dieser Antrag der Grünen Liste war im Gemeinderat gescheitert, weil das insbesondere CDU, Freie Wähler und FDP für Wahlkampfgetöse kurz vor der Kommunalwahl hielten.

Stattdessen setzte sich damals der Antrag von Bürgermeister Höfer durch, den alten Grünflächen-Arbeitskreis des Gemeinderates wiederzubeleben; der sollte viermal im Jahr tagen. In ihm würde auch über eine insektenfreundliche Bewirtschaftung der städtischen Grünflächen gesprochen. Auf dieser Sitzung gab Höfer durchaus Fehler beim Anlegen von städtischem Grün zu, man habe zu wenig investiert. Allerdings hat es mit der Wiederbelebung dieses Arbeitskreises bisher noch nicht so gut geklappt. Er tagte seitdem nur einmal, am 6. Februar. Allerdings, so erinnert sich Lissy Breitenreicher (Bürgergemeinschaft), sei es da kaum um Schottergärten und städtische Grünflächen gegangen. Die nächste Gelegenheit für eine solche Debatte wäre der letzte Donnerstag gewesen, zumindest war da eine Sitzung dieses Arbeitskreises angesetzt. Aber seitens der Verwaltung war niemand gekommen.

Ansonsten gilt, zumindest für Privatleute, weiter das Schottergartenverbot, wie Bauamtsleiter Schäfer mit Verweis auf die landesrechtliche Regelung bestätigt – zumindest theoretisch. Eigene Satzungen, "die Anlage eines Schottergartens verbieten, hat die Stadt Schriesheim bisher nicht erlassen, sodass die Zuständigkeit hierfür dem Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises obliegt". Allerdings gibt es eine kleine Ausnahme: Die Stadt hat in einem Fall ein einziges Mal die Anlage eines Schottergartens ausdrücklich verboten – und zwar beim geplanten Umbau des Hauses in der Landstraße 56, für den ein Vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt wurde.

Müssen denn nun Privatleute damit rechnen, dass jemand in ihren Gärten nachschaut, ob da zu viele Steine liegen? Eher nicht. Denn erstens sei zu prüfen, ob nicht eventuell Bestandsschutz besteht, wie ein Sprecher des Landratsamtes auf RNZ-Anfrage erklärte. Und weiter: "Eine Verpflichtung zur Überprüfung sämtlicher nicht überbauter Flächen resultiert aus dem Gesetz nicht." Auch die Stadt Schriesheim hat nicht vor, so bestätigt Ordnungsamtsleiter Achim Weitz, die Gärten – auch nicht die neuangelegten – zu kontrollieren.

Und wer kümmert sich dann darum, ob das Schottergartenverbot des Landes eingehalten wird? Offenbar keiner. Es sei denn, die Baurechtsbehörde des Landratsamtes erfährt davon. Dann werde, so der Sprecher, geprüft, "ob, wie und gegen wen sie wegen eines Verstoßes einschreitet".

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung