Schriesheim im Bild 2023

16.11.2020

Im Schlamm des Rückhaltebeckens wurde Arsen und Sulfat gefunden

Schadstoffe, die aus dem Wald kommen - Das weckt Erinnerungen an die Ereignisse vor 20 Jahren rund ums Bergwerk

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die Sanierung des Hochwasserrückhaltebeckens am Abzweig nach Altenbach kommt teurer als gedacht: Waren zunächst knapp 900.000 Euro angesetzt, rechnet die Stadtverwaltung nun mit über 1,2 Millionen Euro, wie Bürgermeister Hansjörg Höfer am Mittwochabend im Gemeinderat berichtete. Fast die Hälfte der Kostensteigerung, rund 150.000 Euro, kommt vom ausgebaggerten Schlamm, der nun teuer auf einer Deponie entsorgt werden muss, weil er schadstoffbelastet ist.

Das verwundert auf den ersten Blick, denn die ausgebaggerte Erde kommt ja aus dem Wald. Bürgermeister Hansjörg Höfer erklärte, dass man sich keine Sorgen machen müsse, da ja die Schadstoffe ganz natürlich vorkommen. Einzig ärgerlich sei die Entsorgung: "Wir müssen eine Deponie finden, die uns das abnimmt – was aber schwer ist. Jetzt haben wir eine gefunden. Wir haben keine andere Möglichkeit."

Denn der Schlamm aus dem Becken ist laut Beschlussvorlage "nach Z1.2, DK1 einzustufen". "Z1.2" bezeichnet den Belastungsgrad des Aushubs, "DK1" die Art der Deponie. Das bedeutet, dass die Erde relativ schwach mit Schadstoffen belastet ist (und möglichst nicht in die Nähe von Grundwasser kommen sollte), aber auf eine Deponie gehört, auf der nicht-gefährliche Abfälle gelagert werden. Um welche Schadstoffe es genau ging, darüber sagten weder Höfer noch die Vorlage etwas.

Die Ursenbacher Stadträtin Gerlinde Edelmann (Grüne Liste) brachte etwas Licht in diese merkwürdige Angelegenheit – zumal sie ja als Verantwortliche für Klärschlamm bei der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Rheinland-Pfalz gewissermaßen Expertin für solch ein Thema ist. Denn auch Edelmann bestätigte das, was Laien denken mögen: Wenn der Schlamm im Hochwasserrückhaltebecken aus dem Wald kommt, müsste man ihn doch dorthin zurückbringen können. Wie Edelmann berichtete, wurden im Aushub, der neben dem Becken gelagert ist, drei Proben gezogen, eine enthielt Arsen und Sulfat – für sie keine Umweltbelastung im eigentlichen Sinne, denn: "Die Erde kommt ja aus dem Wald und wurde in Folge der Erosion ins Rückhaltebecken gespült."

Ihr Vorschlag: Die Erde sollte wieder zurück in den Wald. Das sei grundsätzlich möglich, aber dafür müsse man bei den zuständigen Behörden "dicke Bretter bohren". Edelmann ist sich sicher: "Dieses Material hat nicht die Schädlichkeit wie anderes, was auf die Deponie muss. Abgesehen davon, dass es immer weniger Deponien gibt." Und sie weiß auch: "Das Problem wird sich eher verschärfen."

Denn gerade durch den Starkregen, der in Zeiten des Klimawandels häufiger als früher vorkommt, erodiert der Waldboden immer mehr – und landet dann eben im Rückhaltebecken. Das konnte Edelmann auch mit Zahlen belegen: Es gibt jetzt schon deutlich mehr Schlamm im Becken als eigentlich gedacht: statt 1280 Kubikmeter rund 1500 Kubikmeter. Dessen Beseitigung kostet noch einmal 77.000 Euro extra.

Höfer versprach, Edelmanns Vorschlag zu prüfen: "Ich sehe es genauso, aber wir dürfen es nicht – so war es auch schon beim Aushub am Besucherbergwerk. Wir werden uns deswegen ans Landratsamt oder gleich an den Gemeindetag wenden."

Gerade beim Besucherbergwerk kennt man diese Problematik. Zwischen 1997 und 2000 fand das Regierungspräsidium Karlsruhe bei Bodenproben in der Talstraße um die ehemalige Grube "Anna-Elisabeth" herum erhöhte Arsen-, Blei-, Thallium- und Kadmium-Werte – wobei Arsen noch am unproblematischsten war. Daraufhin empfahlen die Behörden vor genau 20 Jahren den Eigentümern der betroffenen 20 Grundstücke, bestimmte Obst- und Gemüsesorten nicht weiter anzubauen; ihr Verkauf wurde sogar verboten – was damals zu erheblicher Unruhe unter den Bürgern führte. Zudem sollte es möglichst wenig offene Stellen mit Erde geben: Die Behörde riet, dass Rasen gesät und Kinder am besten in Sandkästen spielen sollten. Von 1997 bis 1999 war der Abraum aus dem Bergwerk, das von mindestens 1291 bis 1817 in Betrieb war und in dem erst Silber und dann Eisenvitriol abgebaut wurde, in den ehemaligen Steinbruch Leferenz nach Dossenheim gebracht worden. Wegen der Belastung mit Arsen hätte das Material dort aber nicht gelagert werden dürfen, deswegen ermittelte sogar die Staatsanwaltschaft Heidelberg.

Gefahr für das Grundwasser bestand im Steinbruch allerdings nicht, da die auswaschbare Menge an Arsen unbedenklich war. Seit dem Jahr 2000 wurde aller anfallender Abraum aus der Grube analysiert – und das ergab die Klassifizierung als Sonderabfall. Der kam dann in die Untertagedeponie in Bad Friedrichshall. Das Material wurde in "Big Bags", also großen Plastiksäcken, verpackt und im Stollen gelagert. Doch bis 2025 ist die Kapazitätsgrenze in dem ehemaligen Salzstollen bei Heilbronn erreicht. Zwar ist eine neue Untertagedeponie geplant, allerdings laufen dagegen die Umweltschützer Sturm.

Für das Besucherbergwerk ergab sich daraus die einzig mögliche Konsequenz, so die Vereinsvorsitzende Jutta Machatschek: "Es wird jetzt gar nichts mehr bei uns gegraben – leider." Und ohne Aushub entfällt auch die teure Entsorgung.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung