Schriesheim im Bild 2023

18.11.2020

Bürgerbeauftragte träumt von Veranstaltung mit Samuel Koch

Bürgerbeauftragte träumt von Veranstaltung mit Samuel Koch

Die Bürgerbeauftragte Barbara Schenk-Zitsch bei ihrer Mittwochssprechstunde im Rathaus. Aber die Bürger bringen ihre Anliegen auch auf der Straße oder im Supermarkt vor. Foto: Dorn
Seit eineinhalb Jahren ist Barbara Schenk-Zitsch Bürgerbeauftragte: Im Gespräch mit der RNZ berichtet sie über ihre Arbeit und ihre Ziele

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Barbara Schenk-Zitsch ist seit gut eineinhalb Jahren die erste Bürgerbeauftragte in Schriesheim, jeden Mittwoch hat sie von 10.15 bis 12 Uhr Sprechstunde im Rathaus. Die 68-Jährige ist nicht nur als Zahnärztin (und natürlich auch als waschechte Schriesheimerin) bekannt: Von 1999 bis 2019 war sie Stadträtin für die Grüne Liste, die letzten fünf Jahre Bürgermeisterstellvertreterin. Fast nahtlos wechselte sie dann ins Amt der Bürgerbeauftragten – und blieb dabei Ihrem Hauptthema, der Barrierefreiheit, weiter treu. Einen Namen machte sich Schenk-Zitsch auch durch ihr Engagement bei der Stolpersteine-Initiative, mit der seit acht Jahren an das Schicksal Schriesheimer NS-Opfer erinnert wird.

Frau Schenk-Zitsch, was macht eigentlich eine Bürgerbeauftragte?
Es heißt ja "Bürgerbeauftragte für Soziales, Inklusion, Integration und Ehrenamt", wobei Soziales und Inklusion im Grunde meine Haupttätigkeiten sind – aus diesen Bereichen bekomme ich die meisten Anfragen und Anregungen.

Und wer kommt in Ihre mittwöchliche Sprechstunde?
Zu mir kommen öfters Wohnungssuchende. Ich gebe dann ihre Anliegen an das Sozialamt weiter und bleibe mit ihnen in Verbindung. Oft ist es aber auch so, dass Mitbürger sich nur einmal aussprechen und ihre Nöte darlegen wollen. Inzwischen hat die Stadt das Projekt "Fairmieten" initiiert, weil es in Schriesheim weiterhin zu wenige bezahlbare Wohnungen gibt. Andere Anfragen betreffen aktuelle Situationen: Kürzlich, als die Branichzufahrt gesperrt wurde, wurde ich angerufen, weil Erkrankte befürchteten, dass der Arzt nicht mehr hinkommen könnte. Aber zum Glück wurde dann doch eine Lösung gefunden.

Sie haben das Sozialamt erwähnt. Geht man lieber zur Bürgerbeauftragten als auf ein Amt?
Das würde ich so nicht sagen. Die Sozialamtsleiterin Frau Söllner ist ja sehr bekannt. Dieses Feld ist gut bestellt. Die Anfragen an mich direkt gehen eher in Richtung Barrierefreiheit, sind also eher ein Thema fürs Bauamt. Generell muss ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit allen Ämtern und dem Bürgermeister hervorragend läuft. Man nimmt sich immer Zeit für Anliegen, die ich bearbeite.

Was sind denn die häufigsten Anliegen, die vorgebracht werden?
Das hat vielleicht mit meinem Ruf zu tun, dass ich mich schon viel um die Barrierefreiheit gekümmert habe. Also kommen Menschen mit Behinderungen zu mir. Da geht es zum Beispiel um einen entsprechenden Parkplatz vor dem Haus oder um finanzielle Hilfen für einen Außenlift, den ein behindertes Kind braucht.

Barrierefreiheit ist ja Ihr Leib- und Magenthema. Was haben Sie für Pläne?
Wir arbeiten gerade an einem Leitfaden für Barrierefreiheit für Bauämter, den ich zusammen mit dem Behindertenbeauftragten des Rhein-Neckar-Kreises, Herrn Alberti, erstellen werde. Auch setzen sich die Integrationsbeauftragte Frau Reichel und ich für seniorengerechte Bänke, die etwas höher sind und eine aufrechte Lehne und Griffe haben, ein. Der Verkehrsverein will zwei solcher Bänke am Bauhof spenden, aber generell ist es schwierig, dafür Plätze zu finden. Das Thema "Barrierefreiheit" ist sehr vielschichtig und komplex, man muss immer auf dem Laufenden bleiben. Kürzlich haben Frau Reichel, Herr Rudolph vom Bauamt und ich eine Fortbildung über Barrierefreiheit in Stuttgart besucht.

Mir ist aufgefallen, dass es in der ganzen Heidelberger Straße nur eine öffentliche Sitzmöglichkeit gibt. Wäre das nicht auch ein Standort für eine solche seniorengerechte Bank?
Ich nehme das mal auf und schaue mir die Situation vor Ort an, ob es geeignete Plätze gibt. Einen Traum hätte ich auch.

Und der wäre?
Eine Veranstaltung in Schriesheim mit Samuel Koch. Das ist der junge Mann, der seit seinem Unfall bei "Wetten dass..?" querschnittsgelähmt ist und jetzt als Schauspieler arbeitet. Eine beeindruckende und ermutigende Biografie.

Man hört, gerade aus großen Städten, dass Vereinsamung ein großes Thema ist. Gilt das auch für Schriesheim?
Ja, in Teilen, gerade Ältere und/oder Alleinstehende leiden am meisten – das liegt momentan auch an der Pandemie. Daher ist ein wichtiges Anliegen von mir, den Aufbau der "Zeitspender"-Kartei voranzutreiben, in der Leute aufgelistet werden, die anderen Zeit zur Verfügung stellen wollen, zum Beispiel Fahrdienste anbieten, Gesellschaft leisten oder bei der Büroarbeit helfen. Allerdings ist es nicht immer einfach, Personen zu finden, die zueinander passen.

Wie viele "Zeitspender" gibt es denn schon?
In der Kartei stehen etwa 15 Namen, die allerdings nicht alle immer aktiv sind.

Aber überschneidet sich nicht das mit dem bisherigen Angebot des ASS?
Wir stehen diesbezüglich wirklich nicht in Konkurrenz. Langfristig wäre es gut, alle Angebote zu bündeln. Aber es sollen ja nicht nur Senioren angesprochen werden. Auch wäre mir ein Anliegen, in Altenheimen einen Besuchsdienst aufzubauen. Hierfür suchen wir weitere "Zeitspender". Damit sie sich ausweisen können, haben wir "Zeitspender-Ausweise" entworfen.

Was wäre für Sie ein Erfolg der "Zeitspender"?
Wenn es im Jahr nach Corona wirklich einen Besuchsdienst der Stadt in den Altenheimen gäbe.

Da Sie es ansprechen: Inwiefern bremst die Pandemie die Bereitschaft, anderen Zeit zu spenden?
Sie behindert alles, was mit Begegnung zu tun hat. Und viele der "Zeitspender" oder der "Zeitempfänger" gehören zu den Risikogruppen.

Hat Corona sonst noch Auswirkungen?
Ja, Armut ist schon ein Thema, das dringlicher wird. Hungern muss niemand, aber es gibt durchaus Bedürftigkeit, momentan verstärkt bei Menschen, die ihren Job verloren haben oder in Kurzarbeit sind.

Da liegt die Frage nahe, wie es mit der Schriesheimer Tafel weitergeht.
Ich glaube, wir haben jetzt eine gute Lösung gefunden. Die Details geben wir in Kürze bekannt.

Sind Sie eigentlich nur in der Sprechstunde ansprechbar?
Nein, mir werden die Anliegen überall vorgebracht: auf der Straße, im Supermarkt, in der Praxis. Eigentlich eher außerhalb dieser Sprechstunde.

Wie zeitaufwändig ist denn Ihr Ehrenamt?
Ich würde mal schätzen, so etwa zehn Stunden jede Woche. Da mittwochs meine Kinder in der Praxis behandeln, kann ich meine Sprechstunde an diesem Tag im Rathaus abhalten.

Sie waren ja auch lange Kommunalpolitikerin. Wie läuft da die Zusammenarbeit mit Ihren ehemaligen Ratskollegen?
Ich hatte schon immer mit allen anderen Fraktionen einen guten Kontakt, es bestand ein gegenseitiges Grundvertrauen schon während meiner Gemeinderatstätigkeit, und das ist erhalten geblieben. Es ist gut, dass ich die alten Verbindungen nicht verloren habe. So bearbeite ich zum Beispiel mit der SPD-Fraktion naturgemäß eher soziale Themen, wie beispielsweise letztes Jahr die Wunschbaumaktion. Bei der Zusammenarbeit mit den Fraktionen der CDU und der Freien Wähler steht eher die Barrierefreiheit im Vordergrund. Der Unterschied zu früher ist, dass ich nicht mehr so oft in der Zeitung stehe. Die Bearbeitung von Projekten macht viel Freude, denn bei der Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Verwaltung gibt es kein Konkurrenzdenken. Hier geht es wirklich um die Sache. Was mir auch immer wichtig war und ist, einzelnen Menschen zu helfen, die ein schweres Schicksal haben.

Wie kamen Sie auf die Idee, Bürgerbeauftragte zu werden?
Ich wollte meine Erfahrung und meine guten Kontakte einbringen. Und ich hatte das Gefühl, dass ich mit meiner Arbeit für Schriesheim noch nicht zu Ende bin.

Was sind oder waren Sie lieber? Stadträtin oder Bürgerbeauftragte?
Als Bürgerbeauftragte bin ich freier in der Wahl meiner Themen – und ich kann mich tiefer einarbeiten.

Ihre Amtszeit dauert fünf Jahre. Sie sind nun 68 Jahre alt. Lust auf eine Verlängerung in diesem Amt?
Das hängt dann vom neuen Bürgermeister ab – und natürlich, ob es mir noch Spaß macht. Ich hoffe, dass dieses Amt auf jeden Fall bestehen bleibt.

Woher nehmen Sie eigentlich diese Energie – in einem Alter, in dem andere längst im Ruhestand sind?
Ich weiß es nicht, ich mache diese Arbeit einfach gern, ebenso wie meine Tätigkeit als Zahnärztin. Sowohl im Rathaus, als auch in meiner Praxis läuft die Zusammenarbeit einfach sehr gut. Das macht Spaß. Aber vielleicht liegt es am Ende doch vor allem an einem: Mich interessieren halt die Menschen.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung