Schriesheim im Bild 2023

05.01.2021

Kindergärten und Spielplätze stehen für die Grüne Liste an oberster Stelle

Kindergärten und Spielplätze stehen für die Grüne Liste an oberster Stelle

Christian Wolf im RNZ-Jahresgespräch bei ihm zuhause in Altenbach. Der 65-Jährige ist momentan der dienstälteste Kommunalpolitiker Schriesheims – und seit 20 Jahren Fraktionssprecher der Grünen Liste, die seit 2019 größte Gruppierung im Gemeinderat ist. Foto: Dorn
Welche Prioritäten der Fraktionssprecher der Grünen Liste, Christian Wolf, im neuen Jahr hat - Klar gegen weiteres Neubaugebiet

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Seit dem vorletzten Jahr ist die Grüne Liste die größte Fraktion im Stadtrat. Seit 20 Jahren steht ihr Christian Wolf vor. Der 65-Jährige ist damit nicht nur der dienstälteste Fraktionssprecher, sondern auch dienstältester Stadtrat: Er hat dort seit 1984 ein Mandat. Im RNZ-Jahresgespräch setzt Wolf klare Akzente: für einen Kindergarten oberhalb der B3 und gegen ein Neubaugebiet südlich vom Schlittweg.

Das Jahr 2020 wurde von Corona dominiert. Gab es dennoch einen Höhepunkt für Sie?

Ja, die schönen Konzerte im Sommer unter der Linde, die von uns und vom Kulturkreis veranstaltet wurden, sowie das Altstadt-Varieté. Nach solchen Veranstaltungen sehnt man sich doch gerade jetzt.

Und was war für Sie der Tiefpunkt dieses Jahres?

Sicherlich der zweite Lockdown jetzt im Winter, in der dunklen Jahreszeit.

Wie sehr beunruhigt es Sie, dass der Einzelhandel und die Gastronomie auch ganz ohne Lockdown schwere Zeiten durchmachen? Und was würde Ihrer Meinung nach helfen?

Wir müssen die Rahmenbedingungen in der Innenstadt verbessern: großzügige Außenbestuhlung, wenn es die Witterung zulässt, Erweiterung des verkehrsberuhigten Bereichs bis zur Bahnhofstraße, Fahrradfahren entgegen der Einbahnstraße in der Heidelberger Straße erlauben und weiter mit kreativen Ideen an der Umsetzung des Einzelhandelskonzepts arbeiten. Wenn der neue Kindergarten nahe der Altstadt gebaut würde, hätte das auch positive Effekte auf den Einzelhandel.

Im Moment scheint ja Ruhe beim Thema "Gymnasiumsanierung" eingekehrt zu sein. Hat denn die Grüne Liste ihren Frieden damit gemacht?

Es ist schön, dass Sie uns die Gelegenheit geben, noch mal zu wiederholen, dass wir immer für Sanierungsmaßnahmen aller Schriesheimer Schulen, nicht nur des Gymnasiums, eingetreten sind. Die finanzielle Belastung der beschlossenen Maßnahme ist für die Stadt ein Problem. Deshalb hätten wir das gern anders gemacht. Nachdem der Gemeinderat die Maßnahmen beschlossen hatte, stand für uns außer Frage, dass wir an einem guten Gelingen der Sanierung, vor allem ohne Sprengen des Kostenrahmens, interessiert sind. Bislang läuft alles im Rahmen. Toi, toi, toi.

Wird die Diskussion um das Neubaugebiet Süd der nächste Aufreger sein? Die Grüne Liste ist ja offensichtlich dagegen.

Wir bewegen uns in dem Spannungsfeld zwischen Wohnraumbedarf und weiterer Flächenversiegelung. Beides sind wichtige Aspekte, auf die wir Antworten haben müssen. Das Gebiet südlich vom Schlittweg ist ökologisch die wertvollste Fläche, die direkt an die Wohnbebauung in Schriesheim grenzt. Täglich nutzen hunderte Anwohner dieses Areal als klassisches, gewachsenes Naherholungsgebiet. Man geht spazieren oder fährt Fahrrad inmitten von altem Obstbaumbestand, der zudem auch vielen Insekten eine wichtige Heimat bietet.

Wenn so viele Einheimische in Schriesheim keinen Wohnraum finden, lässt das die Grüne Liste nicht kalt?

Natürlich sehen und bedauern wir das. Da muss unbedingt gegengesteuert werden. Es ist allerdings die Frage, ob in der Innenverdichtung nicht genauso viel Potenzial steckt wie in einem Neubaugebiet.

Unlängst warnte der Kämmerer davor, dass Schriesheim sich seine Investitionen nicht leisten kann und die Überschuldung droht. Spräche da, aus rein finanzieller Sicht, nicht doch eine Menge für ein Neubaugebiet?

Vor der Überschuldung haben wir ja immer gewarnt! Deshalb waren wir so kritisch bei den hohen Sanierungskosten des Gymnasiums, weil wir genau das vorausgesehen haben. Ein Neubaugebiet, das der Stadt maximale Einnahmen bringt, entspräche niemals unseren Vorstellungen – und es wäre für junge Familien derart teuer, dass sich die meisten das gar nicht leisten könnten.

Aber ist es nicht paradox: Gerade in den Neubaugebieten, die Ihre Partei ja immer verhindern wollte, wohnen mittlerweile Ihre treuesten Wähler ...

Woher haben Sie Ihre Informationen? Wir waren in der Vergangenheit nicht gegen die Neubaugebiete, sondern wir wollten sie besser gestalten. Das Neubaugebiet Nord hat genauso wie Fensenbäume Defizite, die bei der Aufstellung nicht gut durchdacht wurden. Ich denke da nur an die Parksituation. Heute stellt sich aber tatsächlich die Frage, ob ein weiteres Neubaugebiet die richtige Antwort zum Beispiel auf die Klimaerwärmung oder den Verlust von Ackerflächen ist.

Im RNZ-Jahresgespräch sagte der Bürgermeister, das nächste Bauprojekt werde der Kindergarten sein. Wo soll der hin?

Der soll dorthin, wo die Kinder kurze Wege haben und wo optimalerweise auch noch andere Synergieeffekte etwa für den Einzelhandel entstehen. Jeder Kindergarten, der in der Nähe der Altstadt liegt, ist auch für die Geschäfte von Vorteil, weil die Eltern dann eher dort einkaufen. Drei Fünftel der Kinder wohnen oberhalb der B3. Da macht es für uns keinen Sinn, wenn drei von fünf Kindergärten unterhalb der B3 liegen. Zumal der Verkehr um das Schulzentrum in den Stoßzeiten sowieso schon viel zu viel ist. Es ist niemandem damit gedient, wenn Eltern, die östlich der B3 wohnen, ihre Kinder in die Conradstraße fahren müssen. Ein neuer Kindergarten sollte also oberhalb der B3 gebaut werden.

Deutet sich in der Standortfrage nicht ein Konflikt mit dem Bürgermeister an? Denn Höfer will ja den Standort Conradstraße, weil dort die Infrastruktur vorhanden ist und es billiger wäre.

Ja, das ist ein Thema, das wir kommunalpolitisch austragen müssen. Es gibt ab und zu unterschiedliche Meinungen. Das ist in einer Demokratie so. Wir sehen die besseren Argumente auf unserer Seite.

Der Kämmerer hat eine Prioritätenliste für Investitionen gefordert. Was wäre Ihnen am wichtigsten?

Die Kindergärten stehen für uns an oberster Stelle, genauso wie die Spielplätze. Außerdem muss Schriesheim eine fahrradfreundlichere Stadt werden, und der Fokus sollte mehr auf klimafreundliche Investitionen gelegt werden.

Würden Sie sagen, dass sich die kommunalpolitischen Wogen nach der Wahl 2019 geglättet haben?

Ja, sicher! Aber es ist trotzdem noch Luft nach oben.

Wie verarbeitet es die Grüne Liste mental, dass sie vom Underdog der Kommunalpolitik nun zur mit Abstand stärksten Kraft geworden ist?

Demut ist da ein guter Ratgeber. Ich habe ja die Anfänge vor 40 Jahren noch mitbekommen, als wir nur zwei Stadträte waren. Und seit 1984 bin ich selbst dabei. Wir haben jetzt mit 33 Prozent und neun Stadträten ein großartiges Ergebnis erzielt. Aber wir dürfen natürlich nicht den Anspruch haben, dass deshalb in Schriesheim nun zu 100 Prozent grüne Vorstellungen umgesetzt werden. Wir bleiben da auf dem Teppich!

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zum Bürgermeister, der ja auch Mitglied der Grünen Liste ist, beschreiben?

Auch wenn wir in Sachfragen manchmal unterschiedlicher Meinung sind, haben wir ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis zueinander.

Kommen wir nach Altenbach, wo Sie ja auch Ortschaftsrat sind. Wieso werden so wenig Projekte in Ihrem Ortsteil umgesetzt? Liegt das am Dauerstreit?

Der Ortschaftsrat kann seine Vorstellungen im Gemeinderat nur durchsetzen, wenn er sich einig ist. Da hat der Ortsvorsteher eine große Verantwortung und muss möglichst alle Ortschaftsräte einbinden.

Wie wollen Sie die Gräben wieder zuschütten? Im Moment sieht es ja eher so aus, als stünde die Grüne Liste gegen den Rest des Ortschaftsrats.

Ich sehe keine Gräben. Eigentlich wollen doch alle etwas voranbringen, denn Altenbach muss attraktiver werden. Wir kümmern uns um den Spielplatz oder um die zusätzliche Feuerwehrhalle und unterstützen die Verwaltung beim Aufbau von Kinder- und Jugendräumen im evangelischen Gemeindehaus.

Sie selbst werden gelegentlich dafür kritisiert, dass Sie nicht mit jedem das Gespräch suchen und nicht jeden einbinden, wenn es um Projekte geht – sei es beim Café im evangelischen Gemeindehaus, sei es beim Spielplatz. Was sagen Sie diesen Kritikern?

Ich habe eher den Eindruck, dass die meisten Menschen in Altenbach froh sind, dass etwas passiert und dass wir Dinge anstoßen und vorwärtsbringen. Es ist niemandem verwehrt, sich ebenfalls zu engagieren, gerne auch mit uns gemeinsam. Bei der ersten Videokonferenz zur Neugestaltung des Spielplatzes waren über 20 Eltern und Ortschaftsräte dabei. Das war eine gelungene Bürgerbeteiligung.

Aber es ist doch schon offensichtlich, dass mit dem Café im Gemeindehaus die Nahversorgungs-Bürgerwerkstatt vor vollendete Tatsachen gestellt wurde. Dabei hatten Sie immer Bürgerbeteiligung gefordert. Ist das nicht ein Widerspruch?

Wenn die Kirche sich für ein Café als Begegnungszentrum im Gemeindehaus entscheidet, dann freue ich mich darüber und unterstütze das. Dieses Café wird Altenbach bereichern. Und wenn aus der Bürgerwerkstatt heraus tatsächlich noch ein Laden entstehen sollte, dann werden beide voneinander profitieren. Ich empfehle da nicht so sehr in Gegensätzen, sondern in Synergien zu denken.

Angenommen, eine gute Fee käme, und Sie hätten einen Wunsch frei. Welcher wäre der?

Ganz klar, dass wir bald wieder unser "normales" Leben zurückbekommen. Die Zeit mit Corona ist schon für viele sehr anstrengend und bedrückend.

Im Jahr 2021 ist für Schriesheim die Bürgermeisterwahl am wichtigsten. Wie ist bei Ihnen die Kandidatenlage?

Das ist jetzt mein sechster Bürgermeisterwahlkampf, den ich in Schriesheim begleite. Aus dieser Erfahrung heraus weiß ich, dass es nicht einfach ist, geeignete Kandidaten zu finden. Das ist ein Prozess, der bei uns noch nicht abgeschlossen ist.

Wann wird eine Entscheidung fallen, wer für die Grüne Liste antritt?

Diese Entscheidung trifft in erster Linie die Person, die kandidieren möchte, und nicht die Grüne Liste. Wir werden jemand unterstützen, den wir für geeignet halten. So war das bei Hansjörg Höfer auch. Er hatte damals entschieden zu kandidieren, und wir haben ihn unterstützt.

Welche Voraussetzungen müsste "Ihr" Kandidat erfüllen? Verwaltungsexperte? Jemand von außen?

Führungskraft, Gestaltungswille und Offenheit für neue Ideen halte ich für entscheidende Kriterien. Verwaltungserfahrung ist sicher von Vorteil, reicht aber als alleinige Qualifikation nicht aus.

Könnten Sie sich ein Wahlbündnis mit anderen Parteien vorstellen?

Selbstverständlich. Ein Kandidat, der nicht nur von einer Partei getragen wird, hat gute Voraussetzungen, später als Bürgermeister breite Mehrheiten im Gemeinderat zu bekommen.

Ich nenne Ihnen mal drei Namen, die antreten könnten – und Sie sagen mir bitte, wer Ihrer Meinung nach in Frage kommen könnte: Fadime Tuncer, Bernd Molitor oder Sie selbst.

Netter Versuch! Eine Bürgermeisterkandidatur ist eine sehr persönliche Sache. Deshalb müssen Sie da jeden selbst fragen. Was mich betrifft: Ich bin als Fraktionssprecher der stärksten Fraktion im Gemeinderat sehr zufrieden.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung