Schriesheim im Bild 2023

08.01.2021

CDU-Fraktionschef ist beim Thema Neubaugebiet neutral

CDU-Fraktionschef ist beim Thema Neubaugebiet neutral

Stellvertreter des Bürgermeisters ist Michael Mittelstädt schon. Aber Hansjörg Höfers Nachfolger will er nicht werden. Foto: Dorn
Michael Mittelstädt fordert Kosten-/Nutzen-Analyse - Streit um Bürgermeister-Stellvertreterposten ist noch nicht verdaut

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die CDU war 2019 die große Verliererin der Kommunalwahl. Trotz eines Verlusts von vier Prozentpunkten konnte die Partei, die Jahrzehnte mit den Freien Wählern die Kommunalpolitik dominierte, ihre sechs Sitze – und damit wie bereits seit 2014 zweitstärkste Fraktion – im Gemeinderat halten. Michael Mittelstädt ist seit 2007 Stadtrat, seit Januar 2013 Fraktionssprecher und seit 2016 Bürgermeisterstellvertreter.

2019 eskalierte der Streit um diese Position, als nach der Kommunalwahl Fadime Tuncer von der Grünen Liste als stärkster Kraft im Rat dafür kandidierte – und schließlich auch Mittelstädt. Diese Auseinandersetzung hat auch nach eineinhalb Jahren Narben hinterlassen. Im Jahresgespräch mit der RNZ erklärt der 49-jährige IT-Experte seine Positionen bei den wichtigsten Schriesheimer Themen: Festhalten des Neubaugebietes.

Herr Mittelstädt, das letzte Jahr war von der Pandemie dominiert. Gab es Ihrer Meinung nach einen Höhepunkt in der Kommunalpolitik?

Vielleicht hatten wir das Glück, dass dieses Jahr kommunalpolitisch eher mager war. Positiv ist auf jeden Fall, dass wir die Gymnasiumsanierung begonnen haben und nun auf einem guten Weg ist.

Und was war für Sie ein Tiefpunkt?

Dass der Austausch mit der Bevölkerung auf Veranstaltungen oder auf Festen fehlte. Das ist besonders schlimm, denn Kommunalpolitik beruht ja gerade auf diesem Kontakt.

Im letzten Jahresgespräch mit der RNZ hatten Sie auf Nachfrage bemerkt, dass die persönlichen Attacken während der Kandidatur als Bürgermeisterstellvertreter bei Ihnen tiefe Wunden hinterlassen haben. Sind die mittlerweile vernarbt?

Für mich ist dieses Thema beendet, aber nicht vergessen. Frau Tuncer hatte in ihrer Antrittsrede ja versprochen, dass nun die Zeit gekommen sei, um die Gräben zuzuschütten. Aber ich habe bisher keine Bemühungen oder einen Versuch bemerkt, dies auch in die Tat umzusetzen.

Täuscht der Eindruck, als stünde die Grüne Liste oft gegen den Rest des Gemeinderates?

Wenn Sie schon von außen gesehen diesen Eindruck haben, bestätigt mich dies in meinem Gefühl, dass dies wohl tatsächlich so ist. Es hätte einfach dazugehört, bei Themen vermittelnd zu wirken, aber das ist definitiv nicht passiert. Und in wichtigen Themen und Bereichen sind viele Stadträte eben nicht einer Meinung mit der Grünen Liste.

Aber der Zankapfel Gymnasiumsanierung ist doch abgeräumt.

Nein, das scheint noch nicht so ganz so zu sein. Es gab ja auch letztes Jahr Diskussionen und wird wohl auch weitere Auseinandersetzungen geben. Und im Hintergrund wartet auch das Thema Neubaugebiet, das sicher kontrovers diskutiert wird.

Einst wurde das ja diskutiert, um die Schulsanierung finanzieren zu können.

Für uns ist das Neubaugebiet nicht an die Schulsanierung gekoppelt, und das haben wir auch von Anfang an so gesagt. Wir müssen uns vielmehr damit auseinandersetzen, was es kostet und was es nützt. Eigentlich hätte bereits 2020 die Verwaltung analysieren müssen, was solch ein Projekt für Schriesheim bedeutet und welche Folgekosten auf uns zukommen – also sauber Kosten und Nutzen auflisten und dann einen Strich drunter zu ziehen: Rechnet es sich? Diese offenen Fragen hätten längst beantwortet werden müssen, das hat gefehlt. Also ist es im neuen Jahr nötig, sich wieder mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Wie ist denn Ihre persönliche Meinung zum Neubaugebiet?

Ich stehe dem Thema völlig offen gegenüber. Jeder weiß doch, dass das keine leichte Aufgabe sein wird und die Bevölkerung hier bestimmt ähnlich unentschieden ist wie der Gemeinderat. Und wir können uns erst dann entscheiden, wenn wir die Kosten-/Nutzen-Analyse kennen.

Aber man weiß doch, dass es jetzt schon Gegner des Neubaugebietes gibt. Solche Areale auszuweisen wird immer schwieriger – siehe Hirschberg.

Natürlich ist ein Neubaugebiet nicht unumstritten. Aber wir müssen diese Frage auch mal offen diskutieren. Und wir müssen der Bevölkerung sagen, was die Konsequenzen wären, wenn man das Neubaugebiet umsetzt – oder eben nicht.

Man könnte doch auch sagen, dass Schriesheim mit 15.000 Einwohnern eine Art Sättigungsgrenze erreicht hat.

Es geht mir nicht um eine Zahl, sondern darum, ob Schriesheim von einem Neubaugebiet profitieren würde. Denn es ist auch klar, dass die Stadt eine relativ große Infrastruktur hat, die auch ausgelastet sein muss. Wenn Schriesheim überaltert, was wird dann aus den Schulen und Kindergärten? Neubürger sind auch für unsere Finanzlage bedeutend. Die wichtigste Einnahmequelle unseres Haushalts ist der Gemeindeanteil an der Einkommenssteuer – und eben nicht die Gewerbesteuer.

Das hört sich fast nach einem Plädoyer für ein Neubaugebiet an.

Nein, ich bin da ganz neutral. Aber das zeigt auch, dass bei der Diskussion wirklich alle Fakten auf den Tisch gehören. Wenn ein Neubaugebiet notwendig wäre, um die Stadtgesellschaft am Leben zu halten, bin ich dafür, bei zu hohen Kosten dagegen.

Schriesheim kämpft gerade damit, seinen großen Sanierungsstau aufzulösen. Wie soll das gehen?

Diese Frage begleitet mich, seitdem ich Stadtrat bin, also seit 13 Jahren. Das wird man nicht mit einem Schlag lösen können, sondern nur in kleinen Schritten. Wir haben jetzt schon viel Geld in die Infrastruktur gesteckt, jetzt sind wir in der Schule eingestiegen. Da passiert schon einiges. Man muss sich aber einen realistischen Zeitplan setzen.

Dann frage ich mal nach dem nächsten Großprojekt, dem Neubau des Kindergartens. Wo soll der hin?

Die Frage ist ja, wo die Stadt Grund und Boden besitzt. Oberhalb der B3 hat sie nichts. Aus unserer Sicht ist der Standort am Festplatz insofern illusorisch und kaum zu realisieren. Und dort gäbe es auch wenig Platz für ein Außengelände.

Der Kämmerer meint, für Luxus oder Herzensprojekte ist kein Geld da.

Das war noch nie da, die Stadt war noch nie finanziell auf Rosen gebettet. Ich kenne außerdem kein Projekt das in den letzten Jahren "Luxus", im Sinne von "überflüssig" war.

Eines der "Luxusprojekte" hätte der Bürgersaal sein können.

Ja, man hat sich zu wenig damit auseinandergesetzt, was der finanziell bedeutet hätte. Vielleicht hätte die Verwaltung das Projekt konsequenter verfolgen sollen – und fragen müssen, ob wir uns das leisten können oder wollen.

Man könnte aber auch sagen, dass das Schulzentrum der falsche Standort für einen Bürgersaal war. Vielleicht hätte der näher an der Innenstadt liegen können – ich denke da an die "Rose" …

Es ist schon richtig, wenn man das Thema "Bürgersaal" aufgreift. Aber über Standorte wie das Gasthaus zur "Rose" oder meinetwegen auch zum "Kaiser" kann ich nichts sagen – auch weil ich die Bausub­stanz nicht beurteilen kann.

Aber viele Bürger finden doch, dass mit der "Rose" etwas passieren muss. Zumal sie ja auch eine Art Symbol für den Zustand der Innenstadt ist.

Für mich ist die "Rose" kein kommunalpolitisches Thema. Die Sanierung der Talstraße und die Verbesserung für die Innenstadt aber sehr wohl.

Womit wir beim Einzelhandelsgutachten wären. Mir erschienen die Resultate ziemlich mager.

Es gab die Notwendigkeit, ein Einzelhandelsgutachten zu erstellen. Wenn jemand gehofft hat, es würde kreative Ideen präsentieren, kann ich nur sagen: Das war nicht seine Aufgabe.

Aber eine reine Statistik hätte es doch nicht gebraucht, welche Läden oder Sortimente es gibt, sondern Ideen, vielleicht aus anderen Städten, wie man das Zentrum beleben kann.

Doch, man brauchte das Einzelhandelsgutachten, um bei Ansiedlungen steuernd eingreifen zu können, also bestimmte Sortimente, die innenstadtrelevant sind, in großen Märkten auszuschließen. Sonst hätten wir keine Handhabe. Insofern brauchen wir Kommunalpolitiker ein solches Gutachten.

In Ihrer Fraktion war die Veränderungssperre für die Altstadt nicht unumstritten. Mit ihr soll verhindert werden, dass Ladenlokale in Wohnraum umgewandelt werden.

Als Steuerungsinstrument finde ich das in Ordnung. Letzten Endes ist die Veränderungssperre nicht das einzige Mittel, um die Innenstadt zu retten. Und sie ist ja auch zeitlich befristet. Allerdings müssen wir uns mit dem Thema "Dienstleistungen" noch mehr auseinandersetzen. Die Umwandlung von Läden in Dienstleistungsangebote ist eigentlich nicht erlaubt, aber sie kann durchaus die Innenstadt beleben – wie man ja auch unlängst mit dem Bauantrag in der Heidelberger Straße gesehen hat.

Angenommen, eine gute Fee würde Ihnen einen kommunalpolitischen Wunsch erfüllen, Was wäre der?

Zusätzliche Fördertöpfe des Landes oder des Bundes für die Sanierung der Schulen und Kindergärten, aus denen sich die Stadt Schriesheim bedienen könnte. Dann würde manches auch viel schneller gehen.

Ist Schriesheim nicht mit seinem Sanierungsstau vollkommen überfordert – wie viele andere finanzschwache Kommunen auch?

Zumindest hat man sich, als man früher baute, wenig Gedanken gemacht, wie man das alles unterhalten soll. Das ist kein Vorwurf an den damaligen Bürgermeister oder Gemeinderat, aber damals standen die langfristigen Kosten, auch bei den Sanierungen, nicht im Vordergrund. Ganz allein aus dem städtischen Haushalt werden wir das nicht finanzieren können – daher ja auch der Wunsch an die Fee.

Im nächsten Jahr wird für die Kommunalpolitik die Bürgermeisterwahl am wichtigsten. Wie ist die Kandidatenlage in der CDU?

Da müssten Sie eher den Ortsverband fragen. Aber ich gehe mal davon aus, dass es nicht viel anders ist als vor acht Jahren. Es ist nicht einfach, geeignete Kandidaten zu finden.

Gibt es einen gemeinsamen Kandidaten des "bürgerlichen Lagers" – wie in den letzten Jahrzehnten?

Das wäre wünschenswert – wenn solche Kandidaten zur Verfügung stehen. Vielleicht gibt es ja auch einen gemeinsamen Vorschlag aus dem gesamten Parteienspektrum ...

Muss es unbedingt ein Verwaltungsexperte sein, wie ihn die Freien Wähler fordern?

Der Kandidat muss Führungsqualitäten und Ideen haben. Wenn das bei einem Verwaltungsmenschen zutrifft, ist es gut. Aber das könnte genauso gut auch jemand aus der freien Wirtschaft sein.

Wieso treten Sie eigentlich nicht an?

Ich fühle mich geehrt, wenn man mir das zutraut. Ich habe einen tollen Job mit viel Verantwortung und Herausforderungen und habe mich deshalb bisher nie so intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Also in einem Satz: Ich kann es mir derzeit nicht vorstellen.

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Anstelle der bisherigen Container in der Conradstraße soll, geht es nach Mittelstädt, ein Kindergartenneubau entstehen. Foto: Dorn

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung