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26.03.2021

Eltern setzen sich beim Altenbacher Spielplatz durch

Eltern setzen sich beim Altenbacher Spielplatz durch

Nur eine Schaukel und ein Sandkasten sind noch übrig vom einzigen Spielplatz Altenbachs. Dass er grundlegend neu geplant werden muss, daran hat niemand, auch nicht im Ortschaftsrat, Zweifel. Foto: Dorn
Planung von Rolf Schwarz soll für das gesamte städtische Grundstück gelten. Wie der Anwohner auf seine Wiese gelangen soll, bleibt weiter ungelöst.

Von Micha Hörnle

Schriesheim-Altenbach. Die Schlacht um den Spielplatz ist geschlagen, aber vielleicht ist es ja noch nicht das Ende: Am Montagabend beschloss eine Mehrheit des Ortschaftsrates, den Beschlussantrag der Elterninitiative anzunehmen und den Spielplatz auf der städtischen Fläche nach den Plänen von Rolf Schwarz zu errichten. Dafür stimmten, wenig überraschend, alle vier Ortschaftsräte der Grünen Liste, aber auch Hermann Pröll (Freie Wähler) und Karl Reidinger (CDU). Ortsvorsteher Herbert Kraus, Hans Beckenbach (beide Freie Wähler) und Karin Malmberg-Weber (SPD) enthielten sich. Dafür gab es von Seiten der zahlreichen Eltern kräftigen Applaus, und die Elternvertreterinnen Christiane Baldermann, Martina Haas sowie Sonja Stoll klatschten sich erleichtert ab.

Noch vor zwei Wochen war der fast wortgleiche Antrag der Eltern im Ortschaftsrat nicht zur Abstimmung gekommen; das Gremium wollte noch ausloten, ob es eine einvernehmliche Lösung gäbe. Doch die gibt es nicht. Denn die Sache ist vertrackt und hat mit der Grundstückssituation zu tun: Die Zufahrt zum Wiesengrundstück eines Anwohners bleibt ungeklärt (siehe unten) – und nach seiner Aussage gegenüber der RNZ gab es seit dem Herbst keinen weiteren Kontakt mit der Stadt.

Nach dem nun angenommenen Antrag der Eltern wird die Frage nach der Zufahrt zur Wiese ausgeklammert. Während für Ortsvorsteher Herbert Kraus das der eigentliche Knackpunkt ist und auch Karin Malmberg-Weber ihre "erheblichen Bedenken" formulierte, meinte Christian Wolf (Grüne Liste), man habe mit dem Anwohner "lange genug geredet" und ihm Angebote gemacht, worauf er aber nicht eingegangen sei. Nun "kann er tun, was er will" – ein Flächentausch sei weiterhin möglich. Alternativ gäbe es auch eine Zufahrt vom Hang aus. Doch der ist extrem steil und dicht bewachsen. Einer möglichen Klage des Anwohners sieht Wolf gelassen entgegen. Denn nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs von 2016 müsse ein Eigentümer nicht direkt auf sein Grundstück fahren können, es "muss nur anfahrbar sein", so Wolf. Daher erwarte er, dass es erst gar nicht zu einer Klage kommen wird.

Der betroffene Anwohner sieht das allerdings anders: "Ein Notwegerecht ist nicht einklagbar, sondern einfach vorhanden." Und er wird dann klagen, wenn ihm die Stadt mit der Planung oder gar dem Bau eines Spielplatzes die Zufahrt zu seiner Wiese blockieren würde. Diese Auffassung teilt auch Ortsvorsteher Kraus: "Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch hat jeder das Recht, sein Grundstück zu erreichen. Wenn man jetzt dem Eltern-Antrag zustimmt, berücksichtigt man das Gesetz nicht." Und wenn der Anwohner Klage erheben würde, könne sich der Bau des Spielplatzes erheblich verzögern. "Ich bin besorgt, dass dieser Beschluss nicht das letzte Wort ist", warnte Kraus.

Die Befürworter des Eltern-Antrages, vor allem die Grüne Liste, forderten, nun endlich Nägel mit Köpfen zu machen, denn es werde schon zu lange diskutiert. Wolf verwies auf die 83 Personen, die diesen Antrag unterschrieben hätten: "Eine ganze Menge für ein Dorf. Dreiviertel aller Eltern sollten uns zu denken geben." Der Ortsvorsteher habe versucht, den Spielplatz zu verkleinern, womit "Altenbach traurige Berühmtheit erlangt hat" – denn andernorts würden solche Anlagen eher größer.

In die Debatte schaltete sich auch Bürgermeister Hansjörg Höfer ein. Er verwies darauf, dass die Stadt ihr Eigentum, also einen Teil des Spielplatzgeländes für die Zufahrt, "nicht verschenken kann". Das sei im Zweifelsfall eine Frage für den Gemeinderat. Er appellierte an die Ortschaftsräte, sich nun klar zu bekennen: "Das geht mit Ihnen heim. Sie sind zuständig, nicht die Stadtverwaltung Schriesheim."

Am Ende entschieden sich die meisten Ortschaftsräte angesichts des massiven Drucks der Eltern für deren Antrag – oder leisteten keinen Widerstand mehr. Für die Elternvertreter war das der Durchbruch: "Ich bin sehr erfreut, dass Hermann Pröll und Karl Reidinger unserem Antrag zugestimmt haben", so Stoll. Man habe "alles versucht zu vermitteln", so Baldermann.

Und was macht der Anwohner nun, da ihm der Verlust der Zufahrt zu seiner Wiese droht? Da er keine andere Möglichkeit hat, kündigte er an, weiter über den Spielplatz zu fahren. Werde keine andere Lösung gefunden, werde er sein Notwegerecht juristisch durchsetzen. Einer Klage sehen die Elternvertreter recht gelassen entgegen: "Vielleicht kann man sich jetzt doch noch einigen. Mit dem Beschluss ist ja auch der Druck ein ganz anderer", meinte Haas. Sie hatte noch die Worte des Bürgermeisters im Ohr, dass bei solchen Grundstücksstreitigkeiten juristische Auseinandersetzungen gang und gäbe seien. Von Verzögerungen gehen die drei nicht aus.

Deutlich skeptischer klang das die Altenbacher SPD-Stadträtin Renate Hörisch-Helligrath: "Da wurden Hoffnungen geschürt, die man nur enttäuschen kann."

Hintergrund: Was lange währt, ist noch lange nicht gut

Die Wurzel des heutigen Spielplatzstreits reicht weit in die Vergangenheit zurück: Vor gut dreißig Jahren ließ die Stadtverwaltung, damals noch unter Bürgermeister Peter Riehl, den Feldweg am Zehntberg als richtige Straße ausbauen. Dafür nahm sie schon einen Teil des Grundstücks einer Anwohnerfamilie in Beschlag, aber was noch gravierender war: Die Stadt "raubte" ihr durch eine Aufschüttung die Zufahrt zu ihrer Wiese unterhalb der Straße. Es gab über die Jahre einen Schriftwechsel, und zuletzt 1995 erinnerten die Eigentümer die Stadt, die ihren Fehler eingesehen hatte, daran, dass die Zufahrtsfrage weiter ungeklärt sei, und das Rathaus versprach, ihm einen eigenen Weg zu bauen – was nie geschehen ist.

Unterdessen hatte die Stadt einen Spielplatz errichtet und einen Zaun drum herum gezogen – auch wieder, ohne den Anwohner zu informieren. Auch dabei verleibte sich die Stadt in Teilen die Fläche der Anwohnerfamilie ein. Unterdessen fand man aber eine pragmatische, wenn auch im Rückblick fatale Lösung: Um zur Wiese zu gelangen, fuhr der Anwohner über den Spielplatz. Diesen Umstand führte Bürgermeister Hansjörg Höfer auch lange als Grund an, weswegen er den Spielplatz nicht sanieren könne. In der letzten Ortschaftsratssitzung nahm Höfer auch kurz zu den Vorgängen in der Vergangenheit Stellung: Man habe die Unterlagen zur "Grundstücksaffäre" gesucht, aber keine gefunden. Viel sei damals "hemdsärmelig und in mündlichen Absprachen gemacht – und nichts dokumentiert" worden. Um den Spielplatz sei es damals am allerwenigsten gegangen. Deswegen meinte er: "Vor 35 Jahren wurden Fehler gemacht. Lassen Sie uns heute eine Einigung finden."

Die Chance auf eine Einigung war im letzten Herbst zum Greifen nah, als die Debatte um die Neugestaltung des maroden Spielplatzes an Fahrt aufgenommen hatte: Damals plante der Anwohner auf eigene Kosten zwei Varianten einer separaten Zufahrt am Hang entlang – was wiederum städtischen Grund beansprucht hätte und den sowieso schon zu kleinen Spielplatz mit nur 350 Quadratmetern um weitere 50 noch kleiner gemacht hätte. Im Oktober 2020 kam es zu einem Gespräch, und die Stadtverwaltung entschied sich nicht nur für eine Variante, die relativ viel Spielplatzfläche gekostet hatte, sondern bestätigte das auch ausdrücklich im November.

Der Anwohner glaubte, dies sei nun Gegenstand des Kompromisses zwischen ihm und der Stadtverwaltung. Drei Monate später, im Februar 2021, änderte das Rathaus seine Auffassung: Es war nicht mehr bereit, dem Anwohner städtische Fläche für seine Zufahrt zur Verfügung zu stellen. Wenn er sie doch haben wolle, müsse er 50 Quadratmeter seiner Wiese als Ausgleich abgeben. Diese Idee war schon im Januar bei den Spielplatz-Planungen von Rolf Schwarz mit Vertretern der Eltern aufgetaucht. Ohne die 50 Quadratmeter für die Zufahrt werde der Spielplatz für die neue Konzeption mit Baumhäusern und einem Wasser-Matsch-Bereich zu klein: "Nur mit diesem Flächenausgleich ließen sich die Wünsche der Kinder und Eltern erfüllen", hieß es damals in einer Pressemitteilung.

Mit dem Beschluss des Ortschaftsrates vom Montag sieht sich der Anwohner gleich mehrfach getäuscht: Erst hat er vor 30 Jahren einen Teil seines Grundstücks an die neue Straße "Am Zehntberg" verloren, dann durch den Bau des Spielplatzes – und jetzt verliert er auch noch die Zufahrt zu seiner Wiese. Dagegen wird er sich aller Voraussicht wehren, denn ihm steht, so meint er, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (Paragraf 917) ein Notwegerecht zu.

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Christiane Baldermann, Martina Haas und Sonja Stoll (v.l.) klatschten sich als Vertreterinnen der Eltern voller Freude nach dem Beschluss des Ortschaftsrats ab. Foto: Dorn

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Die grundlegenden Planungen stammen von Rolf Schwarz, die er mit Eltern des Ortsteils bei zwei Videokonferenzen im Dezember und Januar entwickelt hat. Foto: Dorn

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung