Schriesheim im Bild 2023

09.09.2004

Am Wochenende wird auf Holz geklopft

250 reisende Bauhandwerker der Freien Vogtländer Deutschlands treffen sich im "Deutschen Hof"

Schriesheim. (öt) Wer in diesen Tagen den Eindruck hat, dass es in der Umgebung ziemlich viele Zimmermänner herumlaufen, der täuscht sich nicht. Denn am Wochenende treffen sich im "Deutschen Hof" in der Heidelbergerstraße rund 250 Wandergesellen aus ganz Deutschland, Österreich und der Schweiz zum Kongress der Freien Vogtländer Deutschlands. Dann wird kräftig auf Holz geklopft und es heißt hundertfach "Grüß dich Kamerad!".

Allerdings sind nicht alle, die die schwarze Kluft tragen, automatisch Zimmermänner. Der Kordanzug und der Hut sind vielmehr das Zeichen der der reisenden Bauhandwerker: Steinmetze, Maurer, Betonbauer, Dachdecker, Zimmerer, Fliesenleger, Schreiner, Tischler und Schiffbauer treffen sich am Wochenende zum 34. Kongress des Gesellenverbandes, der erste in der Region seit gut achtzig Jahren. Schriesheim ist ideal, da zurzeit niemand aus dieser Gegend auf Wanderschaft ist. Der dürfte dann nämlich nicht teilnehmen, schließlich gilt es, den Bannkreis von fünfzig Kilometern um seine Heimatstadt einzuhalten. So ist es Tradition, und die wird von den Mitgliedern der Gesellschaft sehr ernst genommen.

Darum waren Matthias Peter aus Thüringen, Andreas Hipf aus Bayern und Benjamin Ohrem aus Niedersachsen auch schon seit fast zwei Jahren nicht mehr in ihrer Heimat. Die zwei Zimmerer und der Dachdecker sind auf Wanderschaft und nach Schriesheim gekommen, um zusammen mit Fabian Fahr das bevorstehende Treffen zu organisieren. Letzterer hat schon vor längerer Zeit seine Wanderschaft beendet und wohnt nun in Eberbach. "Ich bin seit neun Jahren einheimisch," erzählt Fahr, "und freue mich drauf, die Leute wiederzusehen, mit denen ich unterwegs war." Der dreitägige Kongress in Schriesheim ist ein besonderes Ereignis für die Vogtländer, denn die Treffen in dieser Größenordnung finden nur alle zwei Jahre statt.

Die eigentliche Zusammenkunft am Samstag findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Da werden die Belange der Gesellen besprochen, wo es Arbeit gibt, wie und wo die Gesellen sich weiterbilden können. Vor allem dient das Treffen zum Erfahrungsaustausch, denn so manche Wandersleute sind auch im europäischen Ausland, in den USA und Australien unterwegs, berichtet Fahr. Nicht zu vergessen ist die Pflege der Traditionen und des Brauchtums: Das Singen traditioneller Lieder, der "Zimmermannsklatsch", der ein wenig an Kinderklatschspiele erinnert, und das "Nageln", wo den Gesellen mit einem Nagel Ohrlöcher gestochen werden. Zwar bleiben die Freien Vogtländer am Samstag unter sich, Samstagabend, Freitag und Sonntag jedoch ist der Kongress für jedermann offen. "Alle sind eingeladen beim gemütlichen Teil mitzumachen", sagt Matthias Peter. "Gerade Frauen sind herzlich willkommen!" Denn die Gesellenvereinigung nimmt traditionell nur Männer auf, und die müssen ledig, schuldenfrei und ohne Verpflichtungen sein, damit sie sich auf ihre Wanderschaft konzentrieren können.

Denn auf der Wanderschaft muss man sich nicht nur alle sechs bis acht Wochen einen anderen Arbeitgeber suchen, sondern auch noch dafür Sorge tragen, dass man trotz des wenigen Geldes, dass man zur Verfügung hat, eine Bleibe findet. Es sei nicht mehr so selbstverständlich wie früher, Kost und Logis zu bekommen. Daher würde sich Fahr über eine verlassene Unterkunft freuen, die die Freien Vogtländer dann für Reisende ausbauen könnten. "Vor allem für den Winter wäre das klasse, im Sommer haben wir haben ja immer noch das 1000-Sterne-Hotel" witzelt Dachdecker Ohrem, denn damit meint er lediglich, dass es im Sommer kein Problem ist, unter freiem Himmel zu übernachten.

Am Wochenende müssen die Wandergesellen diese Herberge jedoch nicht in Anspruch nehmen, denn das THW stellt ein Zelt und Peter Jäck sein Gelände zur Verfügung. Bekocht werden sie von Metzger Karl Forschner und auf ihr traditionelles Getränk, das Bier, müssen sie dank der Spenden einiger Brauereien auch nicht verzichten. "Wir bedanken uns für die Unterstützung", sagt Mitorganisator Peter, denn ohne die könnte der Kongress nicht stattfinden. Aber etwas hat er dennoch auf dem Herzen: "Eine Bitte, ein bisschen freundlicher und nicht immer so knausrig sein: Wenn einer von uns Gesellen beim Trampen am Straßenrand steht, bitte mitnehmen, denn wir wollen nur von A nach B und tun niemandem was."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung