Schriesheim im Bild 2023

03.04.2021

Autobahnlärm: Betreiber will doch den A5-Geräuschpegel messen

Die neue Autobahngesellschaft will nun doch die Geräusche direkt an der Autobahn messen. Die Anwohner finden aber, das allein genügt nicht.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Das war ein aufregender Tag am Dienstag für Winfried Plesch aus den Fensenbäumen. Denn völlig überraschend kündigte die neue Autobahngesellschaft des Bundes an, eigene Lärmmessungen an der A 5 machen zu wollen. "Ich bin komplett überrascht und erfreut. Die tun jetzt tatsächlich was", so Plesch. Im Herbst hatte er mit weiteren über 20 Anwohnern, meist auch aus den Fensenbäumen, eine Initiative gegründet, die auf die erhebliche Lärmbelästigung seit der Fahrbahnsanierung im letzten Jahr aufmerksam machte. Der einhellige Tenor, den mittlerweile auch Ladenburger bestätigen: Es wurde nicht nur lauter, sondern zeitweise war der Aufenthalt auf der Terrasse geradezu unerträglich.

Dabei geht es vor allem um die Fahrtrichtung Heidelberg, an der von April bis Juli 2020 gearbeitet wurde. Plesch untermauerte seine Beschwerden auch mit eigenen Messungen aus einer Handy-Lärmapp mit bis zu 72 Dezibel, allerdings blieb das bisher folgenlos. Sowohl vom Regierungspräsidium Karlsruhe als bis Ende Dezember zuständiger Autobahnbehörde wie auch später vom Verkehrsministerium kam immer dieselbe Antwort: Es könne nicht lauter sein als früher, der neue Betonbelag sei tendenziell leiser als der alte Asphalt. Auch der Forderung nach Messungen vor Ort erteilte das Regierungspräsidium eine Absage: Das werde bundesweit standardmäßig berechnet. Kurzum: kein Handlungsbedarf, schon gar nicht für Lärmschutzwände oder ein Tempolimit, was die A 5-Anwohner gefordert hatten – zumal die errechneten Lärmwerte das nicht hergeben würden.

Dann am Dienstag die Kehrtwende: Per Pressemitteilung informierte die Autobahngesellschaft darüber, jetzt doch vor Ort die Lage zu überprüfen. Das geschieht auf zweierlei Weise: mit einem mikrofongespickten Anhänger, der mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten verschiedene jeweils 20 Meter lange Strecken die Rollgeräusche misst, und mit einem Mikrofonständer am Fahrbahnrand, der den Lärm der vorbeifahrenden Autos erfasst. Dabei geht es vor allem darum herauszufinden, ob der neue Betonbelag wirklich zwei Dezibel leiser ist als der alte Asphalt – was wissenschaftliche Studien ergeben hätten. Plesch sieht in ihm eher "Brüllbeton".

Plesch führt den neuen Kurs der Autobahngesellschaft auf den Druck der Anwohner, vielleicht auch den Einsatz der drei Landtagsabgeordneten zurück: "Offenbar hat man nun wirklich begriffen, dass an unserem Eindruck, dass es lauter geworden ist, tatsächlich etwas dran ist." Allerdings hat er, was die angekündigten Messungen angeht, ein paar Fragen: Offenbar wird ja nur der Ist-Zustand überprüft. Wäre es nicht sinnvoller, man würde auch den vorherigen Zustand messen? Deswegen schlägt Plesch vor, den Anhänger auch über die Autobahn bei Hirschberg fahren zu lassen, deren Sanierung geplant ist und die denselben Asphalt wie früher der Abschnitt bei Schriesheim hat. Erst dann könnte man erfassen, was sich durch den neuen Betonbelag verändert hat.

Außerdem, so sagt Plesch, konzentriert sich die Autobahngesellschaft nur auf den neuen Belag. Und was ist mit den ebenso neuen Betongleitwänden? Er hat den Verdacht, dass diese den Schall zusätzlich – zumindest wenn der Wind von Westen kommt – in die Fensenbäume tragen. Erfassen denn überhaupt die Mikrofonständer am Fahrbahnrand den Wind?

Und drittens: Was sind die konkreten Folgen, wenn herauskommt, dass die neue Betondecke doch keinen lärmmindernden Effekt hat? Plesch vermutet, dass dann auch weiterhin die gemessene Geräuschbelastung unter den Grenzwerten für eine Lärmschutzwand liegen wird (64 Dezibel am Tag und 54 in der Nacht). "Man wird vielleicht daraus ableiten, dass wir weiter keinen Anspruch auf Lärmschutz haben."

Plesch vermutet, dass die Autobahngesellschaft den jetzigen Zustand nach der Sanierung "auf eine solidere Datenbasis stellen will" – was an sich ja schon mal positiv sei. Allerdings werde sich zeigen, "wie transparent nachher auch die Messergebnisse veröffentlicht werden". Zumindest erklärte die Autobahngesellschaft am gestrigen Dienstag, sie habe die Beschwerden der Anwohner anerkannt – und reagiere nun mit diesen Messungen. Sie setze nun "auf einen konstruktiven Dialog mit Bürgerinnen und Bürgern aus benachbarten Ortschaften, die von einer Zunahme des Autobahnlärms nach dem Ende der Baumaßnahme berichten". Zugleich sei man "offen für den Austausch mit Fachexperten und der Öffentlichkeit".

Das hört sich gut an, aber Plesch hat andere Erfahrungen gemacht: Denn seine Anfragen bei der neuen Behörde laufen seit einigen Wochen ins Leere, erst in dieser Woche wandte er sich hilfesuchend an die drei Landtagsabgeordneten, die die Autobahngesellschaft zur Antwort auf seine Fragen drängen sollten. Daher sagt er: "Ich hätte die gute Nachricht mit den Messungen gerne auch von ihr selbst gehört."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung