Schriesheim im Bild 2023

08.06.2021

Amnesty International wurde vor 60 Jahren gegründet

Aktive Gruppen gibt es in Wiesloch und Schriesheim-Ladenburg. Die Schicksale belasten auch die Helfer.

Von Anton Ottmann

Wiesloch/Ladenburg/Schriesheim. Im Dezember 2020 hatte Amnesty International erneut zum weltweiten Briefmarathon aufgerufen, der sich für Menschen einsetzt, die zu Unrecht verfolgt, gefoltert und gefangen gehalten werden.

Zu den zehn ausgewählten Fällen gehörten Jani Silva aus Kolumbien, die Kleinbauern gegen die Willkür der Großkonzerne unterstützt und ständig Todesdrohungen ausgesetzt ist, Germain Rukuki aus Burundi, der als Menschenrechtsverteidiger für eine christliche Anti-Folter-Organisation arbeitet und zu 32 Jahren Haft verurteilt wurde. Auch dabei war Nassima al Sada, die sich in Saudi-Arabien für Frauenrechte stark macht und deshalb verhaftet wurde. Die beiden im Rhein-Neckar-Kreis aktiven Amnesty-Gruppen Wiesloch und Ladenburg-Schriesheim hatten sich an der Aktion beteiligt.

Vor 60 Jahren wurde Amnesty International von dem Rechtsanwalt Peter Benenson (1921 – 2005) in London gegründet, im gleichen Jahr die deutsche Sektion von der Publizistin Carola Stern (1925 - 2006) und dem Journalisten Gerd Ruge (Jahrgang 1928). Mit mehr als zehn Millionen Mitgliedern und Förderern ist sie die größte Menschenrechtsorganisation auf der Welt. Sie setzt sich gegen Folter, die Todesstrafe und politischen Mord, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung und das "Verschwindenlassen" von Menschen ein. Darüber hinaus betreibt sie die Freilassung von Gefangenen, die nur wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe, Sprache, Religion oder Überzeugung in Haft kamen.

Sie kämpft für den Schutz von Menschenrechtsverteidigern, Flüchtlingen und Asylsuchenden, gegen Gewalt und Unterdrückung von Frauen und für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Die Kontrolle des Waffenhandels und die Unterstützung von Programmen zur Menschenrechtsbildung gehören ebenfalls zu ihren Aufgaben. Amnesty recherchiert global zu Menschenrechtsverletzungen und spricht mit Opfern, Angehörigen und Vertretern von Nichtregierungsorganisationen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden in den Landessektionen in Aktionen für die Ortsgruppen umgesetzt.

Roland Vogel aus Bad Schönborn ist schon seit mehr als 40 Jahre Mitglied und derzeit Finanzvorstand der deutschen Sektion. Anfangs sei es vor allem um die Unterstützung einzelner Personen gegangen, erläutert er gegenüber der RNZ, heute gehe man auch gegen Unternehmen und Organisationen vor. So werden die Arbeitsbedingungen der Bergbaukonzerne in der Dritten Welt erforscht, Missstände angeprangert und die jeweilige Regierung zum Einschreiten aufgefordert. Er erläuterte auch, dass es nicht üblich sei, dass Amnesty-Gruppen im eigenen Land recherchierten, dies würde sie unnötig gefährden, so könnten sich beispielsweise Gruppen in Ägypten um Probleme in Syrien kümmern und die in Russland um solche in der Dritten Welt.

Schon 2020 konnten die beiden hiesigen Gruppen durch die Corona-Auflagen nur sehr eingeschränkt arbeiten, trotzdem sind sie optimistisch und haben sich für dieses Jahr einige Aktionen vorgenommen. Im Juni/Juli will man in Wiesloch laut Sprecherin Monika Knobloch-Schröder auf einem prominenten Platz in der Innenstadt Bauzäune mit Amnesty-Plakaten aufstellen. Während der "Interkulturellen Woche" (26. September bis 3. Oktober) ist beabsichtigt, an der Stadtkirche Postkarten gegen Rassismus an einer Wäscheleine aufzuhängen, die mitgenommen werden können. Außerdem soll die Ausstellung zu "70 Jahre Allgemeine Erklärung der Menschenrechte" im Wieslocher Rathaus gezeigt werden, wie zuletzt 2019 in Leimen, ein Termin steht noch nicht fest.

Die Ladenburg-Schriesheimer Gruppe hat sich mit ihrer Sprecherin Bärbel Luppe in diesem Jahr bereits an der vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels ins Leben gerufenen "Woche der Meinungsfreiheit" beteiligt, in der bei den örtlichen Buchhändlern Literatur zum Thema und Petitionslisten für verfolgte Journalisten in China und Ägypten ausgelegt waren. Mitte Mai startete die Kampagne "Wir nehmen Rassismus persönlich", verbunden mit einer Postkartenaktion für einen vietnamesischen Ingenieur, der wegen seiner Regimekritik zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde.

Fest geplant ist weiterhin ein Konzert mit Liedern von Leonard Cohen, die – angesichts von Leid und Katastrophen auf der Welt – in ihren Texten die Frage nach dem Sinn des Menschseins aufgreifen. Laut Stephan Brües aus Wiesloch ist das Engagement der Aktiven bei Amnesty oft belastend. Man sei nicht nur ständig mit tragischen Schicksalen konfrontiert, sondern auch mit den großen Problemen der ganzen Welt. "Aber zu sehen, dass in allen Ländern dieser Erde Menschen für Menschenrechte eintreten und ihre Freiheit oder gar ihr Leben riskieren, motiviert uns und führt dazu, dass man sich als eine globale Gemeinschaft der Menschenrechtsverteidiger versteht."

Info: Gitarrentrio "The Leon Cohen Projekt" am Sonntag, 20. Juni, 18 Uhr, Katholische Kirche Schriesheim, Details im Internet unter www.amnesty-ladenburg-schriesheim.de und Telefon 06203/13 71 7.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung