Schriesheim im Bild 2023

13.06.2021

Städterin im Wingert: Heidelbergerin gründet Schriesheims jüngstes Weingut

Städterin im Wingert: Heidelbergerin gründet Schriesheims jüngstes Weingut

Anne Kathrin Bormann. Foto: Dorn
Eine Städterin im Wingert? Gut so! Ungewöhnlich ist das in jeder Hinsicht.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die Wege zum eigenen Weingut sind manchmal kurvenreich und ungewöhnlich. Aber Anne Kathrin Bormann hat es doch geschafft, dabei deutete kaum etwas in ihrem Lebenslauf darauf hin. Denn eigentlich ist Bormann ein richtiges Stadtkind, in Neuenheim aufgewachsen, noch nicht einmal für den Garten ihres Elternhauses interessierte sie sich sonderlich. Und auch mit Schriesheim hatte sie wenig am Hut, bis ihr Mann Carsten 2006 die Praxis des Zahnarztes Ralf Gemander übernahm. Zwei Jahre drauf wohnten die beiden auch schon im Bauernhof gegenüber der Praxis.

Doch in Schriesheim kann man sich dem Wein nicht entziehen. So ging es auch dem RNZ-Fotografen Peter Dorn, der sich vor etlichen Jahren am Dossenheimer Ölberg mit Freunden einen kleinen Wingert gepachtet hatte. Da sie Dorn aus ihrer Heidelberger Zeit kennt, stieg sie 2013 mit einem Sechstel in den 10-Ar-Weinberg mit Spätburgunder und Merlot ein. Schon damals half Winzer Georg Bielig mit Rat und Tat aus, der den Wein auch ausbaute. Auch später noch sollte Bielig ein Mentor der Heidelbergerin bleiben. – wie man sich überhaupt bei den kleinen Winzern gegenseitig, gerade bei der Lese, hilft.

Noch waren die Anfänge bescheiden – sie begannen 2017 mit dem ersten eigenen Rosé –, doch dann entschloss sich Bormann, alles auf eine solide Grundlage zu stellen: 2019 startete sie eine Ausbildung als "Winzer im Nebenerwerb" auf der Fachschule für Landwirtschaft in Bruchsal: "Ich wollte es eben richtig lernen." Also auch den Ausbau des Weins, "sonst erlebt man ihn ja immer nur bis zur Lese mit". Und das war auch der Startschuss für ihr eigenes Weingut: "Ich wollte den Wein bis in die Flasche begleiten" – gemäß der alten Winzerweisheit: "Die Qualität wird im Weinberg gemacht, aber im Keller versaut." Mit etwas Glück fand sie auch ihren Ort zum Ausbauen: in Forschners ehemaliger Metzgerei in der Heidelberger Straße, Viola Keller war mit ihrer Cateringfirma gerade nach Leutershausen umgesiedelt. Nun stehen in der einstigen Wurstküche zehn Edelstahlfässer, sogar ein Kühlhaus gibt es. Und so wurde 2020 zu ihrem ersten eigenen Weinjahr.

Nach und nach pachtete sie immer mehr Flächen – was in Schriesheim nicht ganz so einfach ist, denn das Wenigste erscheint mal auf dem Markt: "Ich muss nehmen, was ich kriege." Also bekam sie mal hier und da ein paar Rebzeilen, mittlerweile sind es zehn – und so fährt Bormann ständig zwischen Leutershausen und Dossenheim hin und her. Ihr macht das nichts aus: "Ich bin so gern in den Reben, dass ich mehr wollte." Mittlerweile hat sie ein recht stattliches Sortiment – von den Klassikern Silvaner (den sogar auch als Secco) und Riesling über einen "gemischten Satz" bis hin zu Rosé und natürlich Merlot und Spätburgunder, mit denen alles ja mal angefangen hatte.

Der gemischte Satz – also verschiedene Sorten einer Lage, und deswegen nicht mit einer Cuvée zu verwechseln – ist auch ihr Liebling, denn aus dem Dossenheimer Wingert stammt eine wilde Mischung aus Grau- und Weißburgunder, Silvaner, Johanniter und Goldmuskateller – und wer weiß sonst noch was. Denn der Besitzer des Wingerts, ein Herr Marcolini, hatte immer mal wieder Reben angepflanzt, die er aus seiner alten Heimat Italien mitgebracht hatte. Und dieser charaktervolle, fast kräutrige Wein ist natürlich nach Marcolini benannt. Bei ihren Weißweinen liegt sie mit 6,90 Euro für den Silvaner, 7,90 für den Riesling und 9,90 für den "Marcolini" im Schriesheimer Mittel, nur die Rotweine sind mit 15 Euro der Ausreißer: "Wenn man den nicht kauft, trinke ich den eben allein." Wäre schade, denn gerade der Spätburgunder ist von einer imposanten Fülle und Mächtigkeit. Allen Weinen gemeinsam ist das originell-verspielte Etikett mit dem Mohnblumenkranz.

Zu den Großen zählt Bormann mit ihrem knappen Hektar und momentan 4500 abgefüllten Falschen nicht, aber das will sie auch nicht: "Im Moment plane ich nicht, mich weiter zu vergrößern, ich will mich verbessern." Denn Bormann gehört selbst zu ihren größten Kritikern, sie sucht noch immer etwas ihren Weg, nach ihrer eigenen Linie – zum Beispiel beim Riesling: "Ich möchte die Frucht herausarbeiten, die für mich rieslingtypisch ist." Aber bei einem kennt sie kein Pardon, bei der Qualität: "Was nicht in den Mund genommen wird, darf nicht in den Lese-Eimer."

Reich wird man in diesem Metier erst einmal nicht, denn die Anfangsinvestitionen sind hoch: "Es ist ein sehr weiter Weg, vom Weingut zu leben." Aber schon jetzt dominiert der Wein das Familienleben: "Es ist unser Hauptthema, unsere beiden Kinder sind manchmal maximal genervt", gesteht ihr Mann Carsten, der sich selbst "als Helfer" sieht. Ja, es gab durchaus Zweifel, ob sich die Bormanns nicht mit dem Weingut übernommen haben. "Aber wenn ich in der Garage unsere Paletten mit Weinkisten sehe, bin ich stolz", sagte Anne Bormann. Und ihr Mann meint: "Wenn die Paletten nicht mehr da sind, da bin ich stolz auf Dich." Denn dann wäre alles verkauft.

Info: Noch gibt es keine Homepage; Kontakt über Telefon: 06203/661019.

Copyright (c) rnz-online

Städterin im Wingert: Heidelbergerin gründet Schriesheims jüngstes Weingut-2
Neu-Winzerin Anne Kathrin Bormann in einer ihrer kleinen Weinparzellen. Ihre Weine sind für hiesige Verhältnisse eher ungewöhnlich, allen gemein ist ihr originell-verspieltes Etikett. Foto: Dorn

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung