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28.06.2021

"Meine älteste Schülerin war 78, als sie angefangen hat"

"Meine älteste Schülerin war 78, als sie angefangen hat"

Die Lehrer spielten beim Tag der offenen Tür der Musikschule am Samstag live vor der Kamera vor und informierten über Instrumente und Unterricht. Foto: D
Der Tag der offenen Tür der Musikschule fand in diesem Jahr online statt. Die Instrumente wurden in Livestreams auf YouTube vorgestellt.

Von Caja Plaga

Schriesheim. Ein Tag der offenen Tür geht auch online: Am Samstag stellten 21 Lehrer der Schriesheimer Musikschule 16 Instrumente vor. In fünf virtuellen Räumen auf YouTube wurden in Livestreams die verschiedenen Instrumente präsentiert. Auf Besucher vor Ort hatte man verzichtet. Zum einen, weil es aufgrund von Sanierungsmaßnahmen derzeit zu wenige Räume gibt und zum anderen, weil die Hygienemaßnahmen nur schwer umzusetzen gewesen wären.

Auf der Webseite der Musikschule waren die Räume und der Zeitplan gelistet. Durch ein einfaches Klicken auf den entsprechenden Raum wurde man direkt zum Livestream auf YouTube weitergeleitet. Die Zuschauer konnten auch mit den Lehrern interagieren. Wer ein YouTube-Konto hat, konnte direkt in einen Livechat unter den Stream schreiben. Sonst hatte man die Möglichkeit, eine E-Mail an die Musikschule zu schreiben oder anzurufen. Musikschulleiter Olaf Weithäuser übertrug solche Wortmeldungen in den Livechat, sodass seine Kollegen alle Beiträge und Fragen direkt sehen und beantworten konnten. Die Lehrer spielten vor und informierten über Instrumente und Unterricht. Eine häufige Frage war, in welchem Alter der Unterricht an einem Instrument beginnen kann. Cello-Lehrer Frederik Durctok erklärte, dass sechs Jahre das ideale Alter sei, um mit dem Cellospielen anzufangen, nach oben seien keine Grenzen gesetzt.

Neben dem Einzelunterricht gebe es auch die Möglichkeit, in einer Gruppe zu spielen: "Wenn die Kinder die Grundlagen beherrschen, versuchen wir, sie dazu zu animieren, auch in einem Ensemble zu musizieren", sagte er. Davon gibt es insgesamt sieben an der Musikschule: Streicher können bei dem Folk-Ensemble "Irish Tunes" mitwirken, für Bläser gibt es das Saxofon-Ensemble "55 Names" oder die Big Band "Strada Montana".

Die "Gitarren-Räuberbänd" spielt Klassik bis Pop, im "Schriesheimer Holz" finden die verschiedensten Blockflöten zusammen, ebenfalls Holzbläser spielen bei "Wind Art", und eine Rockcombo, die "Crushing Jars", studiert Rock- und Poptitel der vergangenen 40 Jahre ein.

Die Block- und Querflötenlehrerin Susanne Fitzer empfahl, schon ein Jahr vor der Einschulung mit der Blockflöte anzufangen: "Damit habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht." Sie habe aber auch schon viele erwachsene Anfänger unterrichtet. "Meine älteste Schülerin war 78, als sie angefangen hat", berichtete Fitzer. Von einem Zuschauer kam die Frage, ob sie bei der Anschaffung eines Instruments helfe und berate. "Ich bin sogar froh, wenn ich behilflich sein darf", entgegnete die Musiklehrerin. Ihr Albtraum sei es, wenn Schüler ihr Instrument bei irgendeinem Discounter für 20 Euro kaufen.

Die beiden Schlagzeuglehrer Jens Nobiling und Hans-Georg von Kettler erklärten, wie man die einzelnen Teile des Schlagzeugs nennt, zum Beispiel die Snare, die Hi-Hat und das Crash-Becken. Wenn man bei ihnen beginnt, Schlagzeugunterricht zu nehmen, würden sie als erstes die Stockhaltung besprechen, ein paar Koordinationsübungen machen, die Notenschreibweise beibringen, und dann würde es auch schon zum richtigen Musizieren gehen. "Am Schlagzeug sieht man am Anfang ziemlich schnell große Fortschritte", meinte Nobiling.

Auch bei den fünf Klavierlehrern Dietmar Jöst, Svetlana Klaus, Richard Trares, Ramon Trujillo und Meinhard Wind gab es vielseitige Informationen. Ob es um die richtige Höhe des Klavierhockers ging oder woher die Jazz-Musik kommt – all diese Punkte wurden angesprochen. Dazu gab auch noch zahlreiche virtuose Kostproben zu hören.

Der Gitarrenlehrer Stefan Schäfer stellte die verschiedenen Gitarrengrößen vor. "Erst ab zwölf oder 13 Jahren kann man die ganze, also die normale Gitarre spielen." Davor gäbe es noch die halbe und die Dreiviertel-Gitarre als Zwischengrößen. Eine gute Gitarre koste ab 100 Euro aufwärts, nannte er eine Hausnummer.

Da das schon eine Investition sei, könne man am Anfang auch erst einmal ein Instrument bei der Musikschule ausleihen. Er versuchte vor allem, auch Erwachsene zu Musikunterricht zu motivieren: "Wir freuen uns immer sehr über erwachsene Anfänger – vergessen Sie Ihre Hemmungen und kommen Sie zu uns."

Auch Stimme und Gesang als die wohl älteste Möglichkeit zu musizieren, wurden vorgestellt. Sophia Giesel unterrichtet Pop-, Rock- und Jazz-Gesang. Sie zeigte, wie man seine Stimme richtig aufwärmt und wie es ist, mit und ohne Mikrofon singen. Ohne Mikro müsse man die Konsonanten in den gesungenen Wörtern stärker betonen. Bei lauten Tönen müsse man das Mikro etwas vom Mund weghalten, da es für die Zuhörer sonst unangenehm laut werde. Eine Gesangsstunde von 30 Minuten teile sich bei ihr in zehn Minuten Stimm-Warm-Up und 20 Minuten, in denen Songs erarbeitet werden. Außerdem wurden E-Gitarre, E-Bass und Keyboard, Trompete und Posaune, Akkordeon, Saxofon und Klarinette sowie Violine vorgestellt.

Jens Nobiling kümmerte sich am Samstag um die Technik und stellte zudem große Teile des Equipments wie Mikrofone und Kameras. Man habe aber auch einige Mikrofone an der Musikschule und noch zusätzliche Ausrüstung zusammengeliehen. Die stellvertretende Schulleiterin, Svetlana Klaus, ist insgesamt sehr zufrieden mit dem Tag der offenen Tür. Man sei allenfalls etwas enttäuscht, dass meistens nur zwischen drei und sechs Zuschauer pro Livestream zugeschaut hätten.

Wenn man aber berücksichtige, dass es insgesamt 18 rund 45-minütige Streams waren, seien es ja schon einige Interessenten gewesen. Letztes Jahr habe man im Juni nur kurzfristig ein paar Videos gefilmt und diese dann auf YouTube hochgeladen; die Livestreams sollten näher an einen normalen Tag der offenen Tür herankommen.

Aber letztlich blieben die Musiklehrer doch allein in ihren Räumen, und der Kontakt mit den Interessierten war nur indirekt: "Wenn ich auf der Bühne stehe, brauche ich einen Draht zum Publikum – es ist schon komisch, nur in einen leeren Raum zu spielen und sich mit einer Kamera zu unterhalten", sagt Olaf Weithäuser.

Der fehlende direkte Draht habe vielleicht auch die Zahl der Besucher begrenzt, für Kinder sei das digitale Format sicher weniger attraktiv als ein Vor-Ort-Erlebnis mit Instrumenten zum Anfassen. Das wird vielleicht im nächsten Jahr wieder möglich sein.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung