Schriesheim im Bild 2023

09.07.2021

Fadime Tuncer tritt bei Bürgermeisterwahl an

Bürgermeisterstellvertreterin ist die zweite Kandidatin für Höfers Nachfolge. Sie setzt auf Sieg. Themenwahlkampf angekündigt.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Es war ja eigentlich "ein offenes Geheimnis", wie sie am Donnerstagmittag selbst zugab: Ja, Fadime Tuncer wird bei der Bürgermeisterwahl antreten. Sie hatte sich zwar die letzten Wochen und Monate über immer bedeckt gehalten, wenn es um ihre Kandidatur ging, aber doch hatten sich die Anzeichen gemehrt, dass sie es ernst meint: Vor zwei Wochen ein Foto-Shooting am "Kaffeehaus", und schließlich wurde, wenn auch eher aus Versehen, am Mittwoch ihre Internetseite www.fadimetuncer.de freigeschaltet, die seither doch schon stolze 700 Mal angeklickt wurde. Aber schon im Landtagswahlkampf wurde sie an den Info-Ständen immer wieder angesprochen, ob sie ihren Hut in den Ring werfen will – und erhielt so indirekt "die Bestätigung, dass ich es machen soll". Zumal sie ja auch in den zwei Jahren als Bürgermeisterstellvertreterin Erfahrungen mit dem Amt sammeln konnte: "Es läuft gut, und ich habe gemerkt: Ich traue mir das zu." Die eigentliche Entscheidung sei dann im letzten Jahr gefallen – was sie solange in der Öffentlichkeit geheim hielt.

Nun also der erste offizielle Termin ihres Wahlkampfs, den sie in ihrem Garten bei Kaffee und Kuchen absolviert und mit den Worten beginnt: "Ja zu Schriesheim, ja zur Kandidatur." Sie spüre zwar "eine große Verantwortung", zugleich brenne sie für das Amt. Und sie setzt im Moment eindeutig auf Sieg, nicht auf Platz: "Ich möchte gewinnen, ich trete nicht an, um nur Wahlkampf zu machen." Zunächst setzt sie dabei auf ihre Person, die man in Schriesheim gut kennt – was sie im Moment noch vom CDU-/Freie-Wähler-Kandidaten Christoph Oeldorf unterscheidet. Das erinnert, lacht sie, ein bisschen an den letzten Landtagswahlkampf ihrer Partei und den Kretschmann-Slogan "Sie kennen mich."

Und so stehen im Moment auf ihrer Homepage vor allem persönliche Angaben, mit konkreten Themen hält sie sich, wie übrigens auch Oeldorf, noch etwas zurück. Allerdings schlägt sie durchaus erste thematische Pflöcke ein: Sie bekennt sich zu einer "bunten, weltoffenen und starken Stadt, in der die Menschen sich wohl und sicher fühlen. Eine Stadt, in der Hass und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz haben" – und verweist damit auch indirekt auf ihr Engagement bei der Hilfe und Integration von Flüchtlingen. Allerdings will sie nicht herausheben, dass sie türkischer Abstimmung ist, zumal das in ihrem jetzigen Leben – und insbesondere dem ihrer beiden Kinder, die in Schriesheim großgeworden sind – keine Rolle spiele. So ähnlich war das auch bei Hakan Günes, der in der letzten Woche als Bürgermeister von Sandhausen verpflichtet wurde. Allerdings ist der kein Grüner, sondern ein Schwarzer.

Nicht ganz ungewöhnlich für eine Grüne, setzt sie als Hauptthema auf den Klima- und Umweltschutz, in Sachen Neubaugebiet Süd kann sie sich "das aktuell nicht vorstellen", zumal es momentan auch Leerstände und ungenutzte Flächen gibt, aber sie will vorher ein Meinungsbild bei den Bürgern einholen. Überhaupt steht die Bürgerbeteiligung bei ihr hoch im Kurs, sie will die Schriesheimer vor Entscheidungen "rechtzeitig abholen". Zum momentanen Großthema "Zukunft des Mathaisemarkts" merkt sie nur an, dass der sich schon immer verändert habe. Auf jeden Fall lehne sie "ein Konzept von außen" ab, für das nächste Jahr plant sie "kleinere Projekte, vielleicht etwas Spontanes".

Eine andere Frage ist, ob und wie sehr sie die Grüne Liste im Wahlkampf unterstützt. Denn zumindest gerüchteweise war zu hören, dass ihre eigene Partei, insbesondere Teile der Fraktion, nicht geschlossen hinter ihr standen, dass sogar zeitweise mit Hochdruck nach einem anderen Kandidaten gesucht wurde. Davon war am Donnerstag keine Rede mehr. Tuncer gibt zwar zu, dass es gerade in der Fraktion einige Stimmen gegeben habe, die bei der nächsten Gemeinderatswahl ungern auf die bisherige Stimmenkönigin verzichten wollten. Aber der Co-Vorsitzende der Grünen Liste, Robert Hasenkopf-Konrad, ist sich "sicher, dass die Grüne Liste und die Grünen Fadime Tuncer voll unterstützen". Und die andere Co-Vorsitzende, Dagmar Wenger, ist sogar Tuncers Wahlkampfleiterin. Allerdings hat es im Gegensatz zur CDU und den Freien Wählern keine gesonderte Nominierung samt Abstimmung gegeben. Das sei auch deswegen nicht nötig, weil sie den parteiübergreifenden Charakter ihrer Kandidatur betonen will.

Deswegen auch das neue Logo ihrer Wahlkampagne, das ganz ohne einen Verweis auf ihre Parteizugehörigkeit auskommt und nur die Strahlenburg mit dem Schriftzug "Fadime Tuncer – Bürgermeisterin für Schriesheim" zeigt. Als unabhängig wie Oeldorf – der allerdings Mitglied der Freien Wähler Hirschberg und der Landes-CDU ist – sieht sie sich aber auch nicht: "Ich bin in einer Partei, ich bin eine Grüne – und dazu stehe ich."

Eine andere Frage ist, wie die anderen Parteien auf ihre Kandidatur reagieren (siehe Artikel unten): "Ich werde mich bei allen vorstellen", sagt sie mit Blick auf die noch nicht festgelegte SPD, die FDP und die Bürgergemeinschaft; auch bei der CDU und den Freien Wählern würde sie vorbeischauen, "wenn man mich einlädt". Ansonsten wolle sie "ein Angebot für die Bürger machen". Denn schließlich sei die Frage, wer Schriesheims Bürgermeister werden soll, "eine Persönlichkeits- und nicht Parteienwahl".

Apropos Persönlichkeit: Der Name ihres Mitbewerbers Oeldorf fällt kaum. Sie erwartet einen "fairen Wahlkampf" und will sich "auf Themen konzentrieren". Dass der aber Verwaltungserfahrung im Rücken hat, ficht sie nicht an: Erstens sei sie ja nun auch schon länger Bürgermeisterstellvertreterin, und zweitens brauche man für das Bürgermeisteramt eine "andere Qualifikation" als nur die Kenntnisse einer Verwaltung: "Führungskraft." Auch will sie durchaus nicht im Schatten der 16-jährigen Amtszeit Höfers stehen: "Diesen Schuh ziehe ich mir nicht an. Ich werde in keine Fußstapfen treten, ich hinterlasse lieber meine eigenen."

Hintergrund: Fadime Tuncer wurde 1969 in der zentralanatolischen Stadt Sivas geboren, 1975 übersiedelte die Familie nach Mannheim, wo Tuncer am Ursulinen-Gymnasium ihr Abitur machte. Ab 1991 studierte sie zunächst Jura in Mannheim und in Heidelberg, schließlich ab 1999 Politikwissenschaft, Soziologie und Öffentliches Recht in Heidelberg; hier machte sie 2005 ihren Magister. Schon zu Studienzeiten zog sie 1996 nach Schriesheim, hier heiratete sie, und hier werden auch ihre beiden Kinder, eine Tochter und ein Sohn, groß. Vor 20 Jahren wurden das Ehepaar eingebürgert – und seitdem können beide endlich wählen. 2005 organisierte sie den ersten Bürgermeisterwahlkampf Hansjörg Höfers, seit 2010 arbeitet sie als Wahlkreisreferentin des grünen Landtagsabgeordneten Uli Sckerl.

Seit 2009 ist Tuncer Stadträtin der Grünen Liste und zugleich auch Kreisrätin, seit 2013 Vorsitzende des grünen Kreisverbands Neckar-Bergstraße. Nachdem sie den Einzug in den Gemeinderat 2014 wieder geschafft hatte, wurde sie bei der Kommunalwahl 2019 mit 6056 Stimmen Stimmenkönigin, der Zweitplatzierte, Robert Hasenkopf-Konrad (ebenfalls Grüne Liste), erhielt exakt 1000 Stimmen weniger. Am 17. Juli 2019 wurde sie zur Ersten Bürgermeisterstellvertreterin gewählt, der Kampf um die Kandidatur Michael Mittelstädts (CDU), der dann doch ihr Vize wurde, hat immer noch einige Wunden, zumindest bei Mittelstädt, hinterlassen.

Als Hobbys nennt Tuncer Landschaft und Natur, vor allem in Schriesheim, Lesen, Fotografieren und Backen – und wenn sie Zeit dazu hat, auch Yoga. hö

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung