Schriesheim im Bild 2023

20.07.2021

So sieht die Feuerwehr die Hochwassergefahr

Feuerwehrkommandant Oliver Scherer berichtet von vielen Hochwassereinsätzen, eine richtige Überflutung der Innenstadt blieb aber bis jetzt aus.

Von Micha Hörnle

Schriesheim. Die Stadt ist, vor allem am Kanzelbach, Überschwemmungen gewohnt. Wie wahrscheinlich ist aber eine Hochwasserkatastrophe wie im Westen? Feuerwehrkommandant Oliver Scherer (50) berichtet, was in den letzten Jahren passiert ist, was diskutiert wird – und wieso er dafür ist, das Feuerwehrhaus zu verlegen.

Alle reden über das Hochwasser im Westen. Wie sehr ist Schriesheim gefährdet?
Natürlich haben wir hier eine reelle Gefahr, aber das, was im Westen passiert ist, war eine Extremlage mit 150 bis 200 Litern Niederschlag innerhalb von 24 Stunden. Da wäre auch bei uns Land unter gewesen.

Was sind die neuralgischen Punkte? Nur der Kanzelbach?
Auf ihm liegt unser Hauptaugenmerk, weil er das größte Einzugsgebiet hat. Aber wie die letzten Jahre gezeigt haben, machen uns die Seitenbäche ab und an Probleme.

Können Sie erklären, wieso der Kanzelbach noch keinen Hochwasserpegel hat?
Doch, hat er, sogar mehrere, die zur Steuerung des Hochwasserrückhaltebeckens dienen. Aber wir als Feuerwehr haben darauf keinen Zugriff, nur die WVE, also die städtische Abwassergesellschaft. Das habe ich schon vor ein paar Jahren bemängelt. Da hat sich seither nichts mehr getan, aber ich hoffe, dass wir das lösen können. Der Zugriff auf den Kanzelbach-Pegel würde uns helfen, bei Hochwasser nicht reagieren, sondern agieren zu können.

Erwarten Sie, dass die geplante Talstraßen-Sanierung eine Verbesserung beim Hochwasserschutz bringt?
Das kann ich so nicht beantworten, das Hauptaugenmerk liegt auf dem neuen Rückhaltebecken.

Droht auch von den Weinbergen Gefahr?
Die letzte Überschwemmung war kurz nach der Rebflurbereinigung, als es noch keinen Bewuchs und oder Regenwassersammelbecken gab. Die Lage hat sich seither aber deutlich beruhigt. Generell können sich natürlich in Hanglagen große Mengen Wasser sammeln, vor allem, wo es jetzt schon Regenwassereinläufe wie an der Steinschleife gibt.

Wie gut ist Schriesheim generell auf ein Hochwasser vorbereitet?
Wir haben viel Erfahrung bei Starkregenereignissen, deswegen wurden spezielle Schlammwasserpumpen und Wassersauger angeschafft, unser Vorrat an Sandsäcken aufgestockt und nicht zuletzt die Einsatzführung überarbeitet. Gerade diskutieren wir über mobile Hochwasserdämme – große, bis zu ein Meter hohe Schläuche, die mit Luft oder Wasser gefüllt werden –, um die kritische Infrastruktur wie das Rathaus oder Feuerwehrhaus zu schützen. Deswegen ist für die Feuerwehr der Zugriff auf den Kanzelbach-Pegel so wichtig, um Vorlaufzeit zu haben. Wenn man ganz ehrlich ist, muss man sagen, dass das Feuerwehrhaus vom jetzigen Standort weg muss. Im Hochwasserfall würde es einfach absaufen: Es käme keiner rein oder raus, wir hätten keine Technik mehr und wären nicht mehr arbeitsfähig.

Wie wichtig ist dabei das geplante neue Rückhaltebecken am Mühlenhof?
Sehr wichtig, um den Durchfluss bei einem hundertjährigen Hochwasser zu gewährleisten. Wir haben das Glück, dass es in den letzten Jahrzehnten zu keinen richtig großen Überschwemmungen kam, insofern hat das alte Rückhaltebecken gute Arbeit geleistet. Rein statistisch ist eine Überflutung in Schriesheim, die auch die Innenstadt betrifft, mehr als überfällig. Ganz einfach: Wir haben bisher nur Glück gehabt.

Beim letzten Starkregen überspülte der Pappelbach die Talstraße. Aber dessen Einmündung in den Kanzelbach ist ja unterhalb des geplanten Rückhaltebeckens…
Ja, dieser Zufluss wird aber durch das Rückhaltebecken ausgeglichen. Das schützt jedoch nicht immer bei extremen Regenereignissen vor Überschwemmungen: 1978 wäre es fast übergelaufen, dann muss man den Schieber aufmachen. Dann kommt es zwar zu Überflutungen, aber wir haben wenigstens eine Vorbereitungszeit.

Sind eigentlich die Kanäle groß genug? Ich denke da nur an die Fensenbäume …
Es gibt einen Generalentwässerungsplan, der regelmäßig überarbeitet wird. Generell ist meiner Meinung unser Kanalisationsnetz schon leistungsfähig. Wieso die Fensenbäume überschwemmt werden, ist nicht ganz geklärt. Ich gehe davon aus, dass es zu einem Rückstau im Kanal kommt, wenn es im Gewerbegebiet stark regnet; deswegen wurden Rückstauklappen eingebaut.

Gibt es eine Stelle im Stadtgebiet, um die Sie sich besondere Sorgen machen?
Ja, der Bereich ab der Gaulsbrücke - mit Überflutung der Talstraße, des Feuerwehrhauses und des Rathauses.

Wie sieht es in den Ortsteilen aus? Altenbach hat ja eine Trichterlage ...
Bisher war das kein großes Problem, nur ist öfters der Einlauf in die Verdolung des Altenbachs verstopft. Aber man kann nichts ausschließen.

Hat die Feuerwehr genügend Ausrüstung für den Katastrophenfall? Oder gibt es was, was Sie noch brauchen könnten?
Unsere Ausstattung wird stetig erweitert, aktuell ist sie auf einem guten Stand. Sollten wir bei einem Einsatz bemerken, dass etwas fehlt, wird es beschafft.

Gibt es einen Hochwassereinsatz, der Ihnen im Gedächtnis geblieben ist?
Jedes Hochwasser hat seine Eigenheiten, aber für mich gibt es nicht den superspektakulären Einsatz – auch wenn das die jeweils Betroffenen ganz anders sehen. Aus meiner Sicht kann das gerne so bleiben.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung