Schriesheim im Bild 2023

22.09.2004

Der Jahrgang 2004 fordert seine Winzer

Die Weinlese beginnt später als gedacht - Schriesheimer Weinbauern erhielten letzte Tipps vom Weinbauberater

Der Freiburger Weinbauexperte Dr. Volker Jörger gab den Schriesheimer Winzern letzte Tipps für die bevorstehende Lese, die Mitte Oktober beginnt. Er gewann ein unterschiedliches Bild. Foto: Kreutzer

Schriesheim. (ron) Der Jahrgang 2003 hat nicht nur die Weintrinker, sondern auch die Winzer selbst verwöhnt. Selten war es einfacher, einen guten Wein zu machen. 2004, so viel steht jetzt schon fest, wird alles viel schwieriger. Deshalb schwörte am Montag der Freiburger Weinbauexperte Dr. Volker Jörger die Schriesheimer Winzer auf eine strenge Qualitätskontrolle ein. Denn klar ist: der 2004er braucht seinem Nachfolger nicht viel nachstehen, wenn man ihn sorgfältig behandelt.

Dr. Volker Jörger ist keiner, der ein Blatt vor den Mund nimmt. Auch den Schriesheimer Winzern schenkte der promovierte Önologe und Referatsleiter im Freiburger Weinbauinstitut, reinen Wein ein. "Es gibt Rebanlagen bei Ihnen", erklärte er bei einer Rebflurbegehung am Montagabend, "die liegen noch jenseits von dem, was wir verwerten können". Nur die regulierten, also schon früh ertragsreduzierten Weinberge, weisen halbwegs erntereife Öchlsegrade auf, bestätigte auch Jörgers Berufskollege Harald Weiss, der Geschäftsführer der Schriesheimer Winzergenossenschaft. Weiss, Jörger und Rebschutzwart Peter Haas hatten vor der Führung aktuelle Messungen vorgenommen. Daraus geht hervor, dass einige Weinberge zwar schon beachtliche Zuckerwerte auf die Waage bringen (zum Beispiel Ruländer bis 88 Grad und Spätburgunder bis 84 Grad), aber das sind eher Ausnahmen. Viele Reben aller Sorten dümpeln noch bei unter 60 Grad. Jörger: "Nur manche Weinberge können jetzt bei schönem Wetter pro Tag ein Grad zunehmen, Weinberge mit einem zu hohen Ertrag werden aber vielleicht nur 0,2 Grad zulegen, dann müssten Sie theoretisch bis zum Februar 2005 mit der Lese warten." Das Lachen verging einigen Winzern übrigens bei diesem Scherz.

Dabei habe der Jahrgang 2004, der bekanntlich große Fußspuren des Vorgängers vor sich hat, durchaus Kapazitäten. "Der Anschluss an das Vorjahr wird aber nicht leicht zu schaffen sein", fürchtet auch der Behördenchef und gelernte Winzer. Die kalten Nächte der derzeitigen Wetterlage sorgen allerdings, so Jörger, "für eine sensationelle Bukettbildung und eine große Typizität". Allerdings liegen die Säurewerte noch sehr hoch. Deshalb wollen Badens Winzer versuchen, den Erntezeitpunkt noch so lange wie möglich herauszuschieben. "Eher zweite Hälfte Oktober als erste", so markierte Jörger den Zeitpunkt.

Jörger und Weiss appellierten an die Winzer, auch jetzt noch, etwa zweieinhalb Wochen vor Lesebeginn, den Rebstock zu entlasten und zu hohe Traubenmengen der Qualität zu opfern. "Das macht auch jetzt noch einen Sinn", argumentierte er. Mehr als drei Kilo Trauben an einem Stock seien deutlich zu viel. "Jedes Kilo weniger", warb er indessen, "bringt mehr Extrakt und mehr Aroma". Die Schriesheimer Weinberge boten dem hohen Gast aus Freiburg ein unterschiedliches Bild. Da gab es die Vorzeigeweinberge, die auch vor Ort das ganze Jahr begutachtet und kontrolliert werden (s. RNZ von letzter Woche).

Andernorts aber ächzten die Rebstöcke unter der Last der prallen Beeren. Vor allem der niederschlagsreiche August hatte die Trauben mehr Wasser als Zucker tanken lassen. Selbst routinierte Winzer, die sich für gewissenhaft halten, konnten mit ihren Anlagen nicht alle glänzen. "Dann muss eben noch was weg", schnaufte ein Weinbauer schwer, nachdem Jörger aus den Spätburgunder-Trauben nur 62 Grad Öchlse abgelesen hatte - obwohl schon einige Kilo von ihnen sichtbar auf dem Boden lagen. In den Burgundertrauben hat sich teilweise eine Krankheit ausgebreitet, die Stiellähme heißt. Sie sorgt dafür, dass die untere Hälfte des Traubenhenkels verkümmert. "Der Winzer kann da oft gar nichts dafür", tröstete Jörger.

Andererseits stieß er immer sogar auf grobe handwerkliche Fehler. Ein Hobby-Winzer hatte rund um seine Trauben sämtliche Blätter ratzeputz entfernt. Jörger war entsetzt, denn die Blätter sind im Endstadium der Reife die Zuckertankstelle der Trauben. "Das ist fast schon Pflanzenverletzung, wenn Reben schreien könnten, müssten wir uns jetzt die Ohren zuhalten."

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung