Schriesheim im Bild 2023

01.09.2021

SPD-Landtagsabgeordneter Cuny zieht erste Bilanz

Er ist dabei, seinen Platz zu finden. Da sein Sohn eingeschult wird, werden Landesthemen schnell aktuell und konkret.

Von Micha Hörnle

Bergstraße-Neckar/Schriesheim. Seit ziemlich genau 100 Tagen sitzt der Schriesheimer Sozialdemokrat Sebastian Cuny bereits im Landtag. Seit der Landtagswahl hat der Wahlkreis Weinheim seit Langem nur noch zwei Abgeordnete, nachdem Julia Philippi (CDU) bei der Wahl Mitte März den Sprung nach Stuttgart nicht mehr geschafft hatte. Im Interview mit der RNZ zieht der 42-Jährige eine erste Bilanz seiner Zeit als Abgeordneter – und was sich für ihn seither verändert hat.

Herr Cuny, was war Ihr emotionalster Moment als Abgeordneter?
Das war vor meiner ersten Rede im Landtag, als ich eine Textnachricht erhielt: Mein Mann und mein Sohn sind vor dem Rechner live mit dabei. Und auch das Thema der Rede war für mich emotional: Europa.

Was war Ihr bester Moment?
Als Ende Juli die Besuchergruppe aus dem Wahlkreis da war und es nach der Besichtigung des Landtags ein gemeinsames Gespräch gab. Die Rückmeldungen waren positiv, ich fand es auch inhaltlich gut. Das war ein gelungener Auftakt für den Dialog mit den Bürgern.

Was war Ihr schlechtester Moment?
Persönlich fällt mir da nichts ein. Aber ein schlechter Moment war sicherlich, als der AfD-Vertreter in den Landesverfassungsgerichtshof gewählt wurde. Da blutet einem das demokratische Herz.

Was war Ihre größte Überraschung?
Mir war nicht bewusst, wie viel Zeit man im Plenum des Landtags verbringt. Ich versuche, bei den Debatten aufmerksam zuzuhören – und in dieser Zeit kann man auch nichts anderes tun.

Sie wollen der Ansprechpartner für den Wahlkreis sein, da Ihr direkt gewählter Weinheimer Kollege Uli Sckerl sehr in die Arbeit der Landesregierung eingebunden ist. Sind Sie bisher diesem Anspruch gerecht geworden?
Aus meiner Sicht bin ich da auf einem guten Weg. Ich habe seit meiner Wahl viele Gespräche geführt, gerade jetzt auch auf meiner Sommertour mit den Bürgermeistern, Unternehmen und Menschen. Noch läuft nicht jeden Tag mein E-Mail-Postfach über, aber ich glaube schon, dass ich als Abgeordneter stärker wahrgenommen werde. Und es gibt auch immer mehr Anfragen – beispielsweise will das Kurpfälzer Kammerorchester eine Kooperation mit Frankreich eingehen. Oder es gibt gerade einen intensiven Dialog mit der Anwohner-Initiative wegen des A 5-Lärms. Außerdem können wir im Moment mehr Anfragen bearbeiten, denn eine Mitarbeiterin im Wahlkreisbüro ist seit August ganztags da.

Hat sich Ihrer Meinung nach das Thema "A5-Lärm" seit dem Gutachten noch nicht erledigt?
Nein. Die Messungen waren absolut transparent und nachvollziehbar, aber ebenso sind es die Beschwerden der Anwohner. Meine Aufgabe als Abgeordneter ist es, weiter nachzuhaken, woher denn die Lärmbelastung kommt. Und deswegen habe ich auch dem Landesverkehrsminister geschrieben.

Viele Eltern bewegt momentan, wie die Schule nach den großen Ferien in den Präsenzbetrieb starten soll. Wie stehen Sie dazu?
Als Vater eines Kindes, das jetzt in die Schule kommt, bin ich ganz nah an dem Thema dran. Es wurde seitens der Landesregierung in den letzten 18 Monaten wenig getan, um den Präsenz-Betrieb sicherzustellen. Da wurden noch nicht einmal die Ideen der SPD-Landtagsfraktion aufgegriffen. Mir fehlt ganz einfach die Infrastruktur in den Schulen: Bei den Luftfiltern ist man noch nicht weitergekommen, auch nicht bei der Idee, mehr Räume anzumieten, um die Abstände sicherzustellen oder beim Thema der fehlenden Lehr- und Assistenzkräfte.

Viele wissen nicht, was man von den Luftfiltern halten soll. Für Bürgermeister Höfer beispielsweise ist das Lüften viel wichtiger. Sind Sie schlauer?
Die Landesförderung ist nicht so angelegt, dass es in allen Klassenzimmern diese Geräte geben wird. Daher auch die Zurückhaltung bei den Bürgermeistern. Da schiebt die Landesregierung die Verantwortung nach unten. Letzten Endes geht es da weniger um die Frage, wie sinnvoll die Luftfilter sind, sondern wie sie finanziert werden. Die Geräte allein werden den Präsenzunterricht nicht sicherstellen, aber sind ein Faktor dafür. Wenn ich lese, dass ein Viertel der Corona-Fälle Kinder und Jugendliche betreffen, dann bekomme ich es schon mit der Angst zu tun, was ab der übernächsten Woche auf uns alle zukommt.

Mit welchem Gefühl schicken Sie dann Ihren Sohn in die Schule?
Mit einem durchaus guten. Als Sozialdemokrat bin ich ja Daueroptimist. Und ich sehe, was vor Ort in den Schulen geleistet wird. Das würde ich mir auch manchmal von der Landesregierung wünschen.

Wurmt es Sie, dass Sie bei Ihrem Wahlkampf vor mehr als einem halben Jahr so gar keinen bundespolitischen Rückenwind hatten, während es jetzt für die SPD doch überraschend gut läuft?
Klar hätte ich damals gern bundespolitischen Rückenwind gehabt. Und damals habe ich schon gesagt: Scholz kann Kanzler. Zumal man ja auch sieht, dass es dem Land guttut, wenn die SPD mitregiert. Das hätte ich mir auch für Baden-Württemberg gewünscht.

Apropos Sckerl: Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm?
Bisher war sie noch nicht allzu intensiv. Noch haben wir kein Großprojekt auf dem Schirm, das die Zusammenarbeit aller Abgeordneten des Wahlkreises erfordert. Und man darf nicht vergessen: Nach 100 Tagen bin ich als Neuling noch dabei, meinen Platz zu finden.

Eine persönliche Frage: Hat Ihr Familienleben unter ihrem Amt gelitten?
Nein, es ist eher eine Bereicherung. Jetzt macht auch mein Mann mehr Familienzeit – und ich habe mir fest vorgenommen, den Montagnachmittag für meinen Sohn freizuhalten.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung