Schriesheim im Bild 2023

19.09.2021

Bürgermeisterwahl Schriesheim: SPD unterstützt keinen Kandidaten

Das erstes direkte "Duell" von Tuncer und Oeldorf fand statt. In Sachfragen liegen sie oft nicht weit auseinander.

Schriesheim. Die größere Sensation wäre gewesen, wenn die SPD einen Bürgermeisterkandidaten unterstützt hätte, denn weder Fadime Tuncer (Grüne) noch Christoph Oeldorf (unterstützt von CDU und Freien Wählern) sind eingefleischte Genossen. Und so beschlossen die 28 Mitglieder, die am Donnerstagabend im "Mykonos" am Sportzentrum zusammengekommen waren, "nach ausführlicher und sorgfältiger Diskussion", wie es später in einer Pressemitteilung hieß, "keine ausdrückliche Empfehlung auszusprechen". Grundsätzlich seien beide Kandidaten aber geeignet. Die Diskussion war nicht-öffentlich, im Gegensatz zum "Duell" (SPD-Vorsitzender Axel Breinlinger). Dieses "Duell" war das erste direkte Aufeinandertreffen Tuncers und Oeldorfs, die sich erst exakt acht Minuten vorstellten und dann weitere 80 Minuten lang im Wechsel die Fragen der Mitglieder beantworteten.

In ihren Vorstellungen blieben die Kandidaten im Rahmen dessen, was sie früher gesagt haben: Tuncer, Tochter eines "Gastarbeiters", kam erst in Schriesheim auch innerlich ganz in Deutschland an; als Simmkönigin der letzten Kommunalwahl sieht sie "den Auftrag, hier zu kandidieren und mit Ihnen gemeinsam Schriesheim voranzubringen". Inhaltlich habe sie "viele Berührungspunkte mit der SPD". Ihre Kernthemen: Klimaschutz, Verkehr, bezahlbarer Wohnraum, überhaupt "eine Stadt für alle Einkommensgruppen, nicht nur für Besserverdienende". Für Oeldorf ist "Schriesheim eine Stadt, in der ich, neben Hirschberg, aufgewachsen bin". Er findet, dass "Parteipolitik im Kommunalen eine untergeordnete Rolle spielen sollte", er selbst ist Mitglied der Freien Wähler (in Hirschberg) und der Landes-CDU – und hat "eine Grüne geheiratet". In den ersten 100 Tagen im Amt will er, dass die Bürger im Rathaus von einem kompetenten Ansprechpartner beraten werden, "die Kommunikation der Verwaltung mit dem Ehrenamt verbessern" und mit der Neuplanung des Mathaisemarktes 2023 beginnen.

Deutlich mehr Pfeffer kam von den Fragen der Genossen: Helga Köhler wollte wissen, was die Kandidaten von den Ideen der Bürgergemeinschaft mit einem Hilfeleistungszentrum an der Tunnelzufahrt halten. Oeldorf fand, man solle diese Idee weiter diskutieren – wie alles, "was in die richtige Richtung geht", auch wenn noch viele Details zu klären seien. Für Tuncer ist das "eine tolle Sache", aber das müsse man "breit mit den Bürgern diskutieren". Und da war man auch schon bei der Bürgerbeteiligung, die beide Kandidaten forcieren wollen, Tuncer sogar per Handy-App, mit der die Schriesheimer ihre Meinung kundtun können. Vor allem sollten die Bürger früher als heute eingebunden werden. Und dann das heiße Eisen "Mitteilungsblatt" mit den neuen strengen Richtlinien. Auch als Wilhelmsfelder Bürgermeister beschäftige ihn die rechtliche Problematik, so Oeldorf, aber es gebe "auch Spielraum". Er wolle "mit Fingerspitzengefühl" an die Sache herangehen und den Vereinen, Parteien und Kirchen wieder mehr Freiheiten gewähren. Tuncer ist "gegen jede Zensur", sie wolle auch Meinungen zulassen, "die wehtun, das muss eine Demokratie aushalten". Ein reines Veranstaltungsorgan sei nicht ihre Vorstellung von einem Mitteilungsblatt.

Eberhard Neumann hatte eine ganz praktische wie aktuelle Frage: Was halten die Kandidaten von den drei neuen Lampenmodellen für die Altstadt, "da muss es doch bessere geben". Während Tuncer auf die gerade laufende Befragung verwies, kann sich Oeldorf andere Varianten vorstellen, die aktuellen drei haben ihn offenbar auch nicht ganz überzeugt. Birgit Schall blieb thematisch in der Innenstadt: Sie wollte wissen, welche Ideen es für die Förderung des Einzelhandels und den Verkehr, insbesondere dem auf zwei Rädern, gebe: Tuncer will das Radnetz ausbauen (zumal ja gerade an einem stadtweiten Verkehrskonzept gearbeitet wird), die Heidelberger Straße könnte zumindest am Wochenende autofrei werden. Oeldorf sieht das ähnlich, mit der Vision einer "Fußgängerzone, wenn die Geschäfte geschlossen sind", und kann sich hier sogar einen versenkbaren Poller vorstellen. Einig sind sich beide auch, wenn es um "wild" zugeparkte Straßen geht: "Da müsste man mehr durchgreifen, Appelle reichen nicht mehr aus", so Tuncer. Und gegen Tempo 30, möglichst in der ganzen Stadt, haben beide offenbar auch nichts.

Neben SPD-Herzensanliegen wie bezahlbarer Wohnraum (beide Kandidaten sind dafür) und einem besseren Wein- und Tourismusmarketing für Schriesheim stellte Stadträtin Renate Hörisch-Helligrath die Gretchenfrage: Welche der Großprojekte (Sanierung des ganzen Schulzentrums, des Feuerwehrhauses, des Rathauses oder gar den Neubau eines Bürgersaals) wollen Tuncer und Oeldorf anschieben und wie priorisieren? Einig sind sie sich darin: Das Rathaus kommt zum Schluss, das Schulzentrum steht weit vorne. Für Oeldorf ist das Feuerwehrhaus dringlich, und Tuncer kann sich ein Hilfeleistungszentrum mit einem Bürgersaal vorstellen.

Das Format eines "Duells" sei für beide neu, sagten beide Kandidaten nachher der RNZ, aber doch ganz spannend.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung