Schriesheim im Bild 2023

10.10.2021

Jean-Philippe Kindler will Deutschland im Zehntkeller umtopfen

Jean-Philippe Kindler will Deutschland im Zehntkeller umtopfen

Freuen sich auf das Programm „Deutschland umtopfen“ (v.l.): Kulturkreissprecher Dieter Weitz und Vorstand Christian Glocker hatten per Monitor Jean-Philippe Kindler zugeschaltet. Foto: Dorn
Satiriker Jean-Philippe Kindler kommt am 22. Oktober nach Schriesheim. Zur Weinstadt hat er eine besondere Verbindung.

Von Max Rieser

Schriesheim. Schon 2017 trat Jean-Philippe Kindler auf dem ersten Poetry Slam Schriesheims auf und gewann prompt. Mittlerweile ist der 25-Jährige weit über die Grenzen der Kleinkunst hinaus bekannt und kehrt am 22. Oktober in die Weinstadt zurück. Dass der vielseitige Satiriker bei seiner Tour durch 40 Städte im deutschsprachigen Raum neben Berlin, Hamburg oder Wien auch Schriesheim besucht, hat unterschiedlich Gründe.

"Ich habe zu Schriesheim eine besondere Verbindung, weil ich mir nach der ersten Veranstaltung schnell Freunde gemacht habe", berichtete Kindler. Nach einer weiteren Veranstaltung sei er sogar noch auf dem Geburtstag eines Besuchers aufgetreten und wurde Teil der Hochzeitsgesellschaft einer Schriesheimer Bürgerin. Diese Verbindungen seien in großen Städten viel unwahrscheinlicher, da dort eine derart persönliche Atmosphäre nicht entstehen könne: "Deshalb komme ich auch sehr, sehr gerne wieder und freue mich wahnsinnig."

Sorge, dass sein zugespitztes und sozialkritisches Programm, das auch linke Positionen vertritt, bei den Schriesheimern Anstoß finden könnte, hat er nicht. Im Gegenteil: Bei seinem ersten Auftritt hätten sich gleich Fraktionstische gebildet, mit denen er im Nachgang noch lang diskutiert habe. Generell sei er immer offen für den Austausch nach seinen Auftritten: "Natürlich ist das alles sehr zugespitzt. Nur so funktioniert Satire, aber ich habe die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen und lasse ein gutes Argument gelten." Trotzdem müsse man auch damit rechnen, dass er seine Position verteidige.

Dass er dazu fähig und in seinem Genre einer der Großen in Deutschland ist, zeigen seine Erfolge. Neben dem Landesmeister im Poetry Slam in Nordrhein-Westfalen ist er auch Deutscher Poetry-Slam-Meister und wurde unter anderem mit dem Prix Pantheon ausgezeichnet.

Kindler moderiert Kulturveranstaltungen im ganzen Land, betreibt einen Podcast und ist mit seiner Sendung "Kindler – der Talk" regelmäßig im WDR zu hören. Mit seinem neuen Programm "Deutschland umtopfen" zeigt Kindler die politischen Grabenkämpfe der Republik auf, bei denen vermeintlich fortschrittliche Positionen die sozialen Zustände genauso nicht verändern wie konservative. Deshalb sei der Name auch "Deutschland umtopfen".

Es gehe nicht um die große Revolution, aber niemand könne sich länger hinter der gepredigten Alternativlosigkeit verstecken: "Der Satz ,Es geht nicht anders, weil wir das seit Jahren so machen’, ist ideologisch und falsch." Seine Positionen seien ein Denkangebot und keine konkreten Handlungsanweisungen.

Ein weiterer Grund, gern nach Schriesheim zu kommen, bestehe darin, dass der coronabedingte Kulturhunger gerade in den Kleinstädten groß sei: "In der Kleinstadt war der kulturelle Lockdown wirklich ein Verlust", findet Kindler, da die jungen Leute in den Metropolen durch Streamingdienste übersättigt seien. In den kleineren Orten habe man die Kultur "wirklich aktiv vermisst".

Auch Dieter Weitz und Christian Glocker aus dem Vorstand des Schriesheimer Kulturkreises freuen sich schon auf den Künstler, mit dem man immer in Kontakt geblieben sei. Die letzten Shows Kindlers hätten das Publikum noch lange beschäftigt und auch diesmal sei man zuversichtlich, die 150 Plätze im Zehntkeller füllen zu können: "Seine Art vorzutragen zieht die Leute so in den Bann, dass man schier vergisst zu atmen", erinnert sich Glocker. Zulässig gewesen wären 200 Zuschauer, man wolle aber kein Risiko eingehen.

Die Veranstaltung sei ohnehin im Vorstand kontrovers diskutiert worden, es sei aber an der Zeit, wieder etwas Normalität in den Kulturbetrieb zu bringen. Der Verein hat sich außerdem dazu entschlossen, bei der Veranstaltung die "Zwei-G-Regel" (Eintritt nur für Geimpfte und Genesene) anzuwenden. Im Dezember folgt noch ein klassischer "Word Up"-Poetry-Slam, bei dem das Line-Up aber noch nicht feststeht.

Info: Jean-Philippe Kindler am Freitag, 22. Oktober, um 20 Uhr (Einlass: 19 Uhr) im Zehntkeller. Karten gibt es im Vorverkauf beim "Handwerk" (16 Euro, ermäßigt 14) oder über den Ticketshop der Homepage des Kulturkreises.

Copyright (c) rnz-online

Autor: Rhein-Neckar-Zeitung