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09.10.2004

"Die Hauptschule ist keine Sackgasse"

Schriesheims CDU-Landtagsabgeordneter und Bildungsexperte Georg Wacker suchte gestern das Gespräch mit Grund- und Hauptschülern

Schriesheims CDU-Landtagsabgeordneter Georg Wacker (rechts neben Gerhard Waldecker, dem Rektor der Strahlenberger Grund- und Hauptschule in Schriesheim) stand gestern den Lehrern und Lehrerinnen Rede und Antwort - und hatte dabei keinen leichten Stand. Wacker ist bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Landtag. Übrigens hat er selbst einmal die Schriesheimer Hauptschule besucht. Fotos: Kreutzer

Schriesheim. (ron) Nein, die Lehrer des Landes sind im Moment nicht gerade gut zu sprechen auf ihre Arbeitgeber im Stuttgarter Landtag und Kultusministerium. Das bekam der Schriesheimer MdL und Bildungsexperte Georg Wacker gestern im Lehrerzimmer der Kurpfalz-Grund-und Hauptschule zu spüren. Die Pauker haben das Vertrauen verloren.

Dabei gibt es eigentlich keinen besseren Werbe-Strategen für die manchmal so stiefmütterlich betrachteten Hauptschulen als Georg Wacker. Der 42-jährige Polit-Profi, dem man in der Landespolitik durchaus noch eine steilere Karriere zutraut, besitzt nämlich einen Hauptschulabschluss.

Dieser befähigte ihn immerhin, eine musikpädagogische Richtung einzuschlagen, Leiter einer Musikschule zu werden und dann hauptberuflich in die Politik umzusteigen. "1976 habe ich genau hier meinen Abschluss gemacht", so begrüßte Wacker gestern das Kollegium schmunzelnd, "und obwohl ich in Mathe nie ein guter Schüler war, fühlte ich mich immer gewappnet". Überhaupt: "Meine Klassenkameraden von damals sind alle etwas geworden, fast alle haben heute einen bodenständigen Beruf." Allerdings ließ er offen, ob er seinen eigenen Job auch als bodenständig bezeichnen würde. . .

Wacker sieht nach wie vor Chancen für die Hauptschulen, die auch so Schlüsselqualifikationen wie Pünktlichkeit, Fleiß und Disziplin vermitteln könnten, was beim Arbeitsplatz oder auch auf einem zweiten Bildungsweg besonders wichtig sei. "Die Hauptschule ist keineswegs eine Sackgasse, sondern sie leistet eine hervorragende Grundlagenausbildung." Wacker: "Es gibt überhaupt keinen Grund, an dem Image der Hauptschule zu kratzen."

Nach dem ganzen Lob, schrieb der MdL den Lehrerinnen und Lehrern aber auch weniger nette Botschaften ins Klassenbuch. "Unsere Haushaltslage wird auch in den nächsten Jahren so schwierig sein, dass wir jede Möglichkeit zu sparen, ergreifen müssen."

Damit hatte er natürlich ein Reizthema angesprochen, zumal als Hiobsbotschaft auf den Fuß folgte: "In diesem Jahr wird für die Berufsanfänger in den ersten drei Jahren das Weihnachtsgeld gestrichen."

Grundsätzlich denke die Landesregierung über eine Senkung der Einstiegsbesoldung von A 12 auf A 11 nach, hingegen müsse im weiteren Verlauf des Berufslebens als Lehrer "eine Perspektive je nach Qualifikation" bestehen. Allerdings widersprach er dem Eindruck der Lehrer, die Kürzung sei bereits beschlossen: "Das ist nur ein Vorstoß", beruhigte er. Überhaupt zeigte sich der Abgeordnete verwundert darüber, "welche Gerüchte bei den Lehrern brodeln".

Über das Thema Gehaltskürzungen, ob beim Einstieg oder später, waren die Damen und Herren Pauker erwartungsgemäß wenig erfreut. "Die Beamten werden nach Kassenlage bezahlt, wer schützt uns vor weiteren Grausamkeiten, wenn sich die Lage nicht bessert?", fragte ein älterer Lehrer leicht aufgebracht. "Wir hier arbeiten an einer Werkrealschule, unterrichten also eine zehnte Klassen, werden aber bezahlt wie normale Hauptschullehrer, ich finde wir sparen schon ungeheuer", gab eine jüngere Kollegin zu Bedenken.

Wiederum sprach eine Lehrerin, die Wacker schon selbst auf der Schulbank sitzen hatte: "Wir haben heute ganz andere Kinder als früher, die aus einem völlig veränderten gesellschaftlichen Umfeld kommen, und wir haben immer weniger Anerkennung bei einer immer schwierigeren Arbeit." Wackers schwacher Trost: Ab dem Jahr 2007 sinken die Schülerzahlen, dann kann es auch wieder kleinere Klassen und mehr pädagogische Arbeit geben. "Ich weiß, dass dies ein unbefriedigendes Argument ist", gestand er ein, "aber aus finanziellen Gründen können wir im Moment nicht anders."

Bedenken konnte der Bildungsexperte wegen der Verwaltungsreform zerstreuen, in deren Zuge die Schulämter ab dem nächsten Jahr in die Landratsämter eingegliedert werden. "Aber die Dienst- und Fachaufsicht für die Lehrer bleibt natürlich ein Schulrat", beruhigte er.

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Autor: Rhein-Neckar-Zeitung